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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 418 / 24.9.1998

Der Superstar und seine Gang

taz- und konkret-Leser wissen mehr über Joschka Fischer

Es sei "nicht ganz ohne Pikanterie", findet die Redaktion der taz, kurz vor der Wahl in einem Sonderheft über die Grünen die Frage aufzuwerfen: "Brauchen wir die Grünen noch?" Zwar sei die taz nicht, "wie von manchen Kollegen gelegentlich angenommen", die Zeitung der Grünen, "aber sie hat doch mit großen Teilen der Grünen gemeinsame Wurzeln." Was sich im Editorial des taz-Journals "Die grüne Gefahr. Eine Partei auf dem Weg zur Macht" wie ein journalistisches Wagnis liest, ist tatsächlich nichts anderes als eine Werbebroschüre für die Partei, mit der die Redaktion vor allem eine Hoffnung verbindet: Sie werde in der Regierung dafür sorgen, daß "neue Leute gehört, neue Projekte vorgestellt" (Thekla Dannenberg) werden - für manche nicht mehr ganz jungen, aber immer noch total kreativen Berliner JournalistInnen vielleicht die letzte Chance, doch noch zu etwas Ruhm und Geld zu kommen.

Natürlich läßt die Redaktion in ihrem Journal auch KritikerInnen, linke wie rechte, zu Wort kommen: Jutta Ditfurth und Thomas Ebermann, Baldur Springmann, Peter Glotz und Heiner Geißler. In etlichen redaktionellen Beiträgen werden grüne Persönlichkeiten vorgestellt: Heide Rühle ("die Chefin aus der zweiten Reihe"), Krista Sager ("der Star von der Alster"), Rezzo Schlauch ("der populäre Urschwabe"), Daniel Cohn-Bendit ("der Mann, der nicht Minister werden möchte"), Gunda Röstel ("die neue aus dem Osten"), Hans-Christian Ströbele ("der ideelle Gesamtgrüne"), Kerstin Müller, Werner Schulz, Cem Özdemir, Andrea Fischer und andere. Jürgen Trittin ("der grüne Buhmann") darf immerhin im Interview erklären, warum er mittlerweile der einzige ist, den "alle auf dem Kieker haben".

Letztlich sind die Porträts, Interviews und Gastbeiträge aber nur Beiwerk. Der Hauptdarsteller ist ER, Joseph ("Joschka") Fischer, und das mit Recht: "Wer über die Grünen redet, muß über Joschka Fischer reden. Der einsame Star der Partei taucht naturgemäß in diesem Heft immer wieder auf..." Die Geschichte seiner Wandlungen und Wendungen beginnt in dem Heft "naturgemäß" 1982, mit seinem Eintritt in die grüne Partei, für die er 1983 in den Bundestag einzieht und deren erster Landesminister er 1985 wird. Trotz dieser Blitzkarriere hat die Partei ihm mehr zu verdanken als umgekehrt: "Die Rettung nach der verheerenden Wahl von 1990 kommt aus Hessen und gerät bald zur One-man-show: Joschka Fischer nimmt das Heft in die Hand"; "der Wiederaufstieg nach 1990" ist "die Erfolgsgeschichte des Joseph Fischer", derselbe der "Phönix aus der Asche der achtziger Jahre" - im Unterschied zu anderen Unterhaltungskünstlern, deren Programm ebenfalls im Verstoß gegen den guten Geschmack besteht, scheinen die taz-MacherInnen mit tiefem Ernst bei der Sache.

Ambivalent, und dadurch lesenswert ist immerhin ein Beitrag, der sich ebenfalls mit Joschka Fischer beschäftigt, genauer mit der legendären Frankfurter "Fischer-Gang". Klaus-Peter Klingelschmitt, seit ewigen Zeiten Hofberichterstatter der hessischen Realos, rechnet ab. Mit einer Mischung aus Abscheu und Bewunderung beschreibt er die Funktionsweise "einer durchsetzungsfreudigen Männerfreundschaft", des "Frankfurter Kreises" ehemaliger Spontis und revolutionärer Kämpfer um IHN (bei Klingelschmitt durchgängig klein und kursiv). Fischer war der unumstrittene Boß, der es aber ohne seine "Gangster" (Cohn-Bendit, Dick, Kleinert, Koenigs, von Plottnitz u.a.) nie geschafft hätte. "Die Gangster waren und sind für ihn unantastbar", schreibt Klingelschmitt, herumkommandiert und schikaniert wurden die unteren Chargen in der Fraktion, dem Ministerium, der Partei: "Montags habe er alle antreten lassen. ... ,hingefläzt in seinem riesigen Ministersessel`... habe er dann die ,verbale Peitsche` auf den Rücken derer knallen lassen, die temporär in Ungnade gefallen waren. Vasallen waren sie, die Männer und Frauen aus dem Umfeld der Gang: kleine Monde, die ihn und die Gangster umkreisten. Und er war ihr Herr. Treue und Masochismus wurden belohnt: mit Lehen im Ministerium, in der Landtagsfraktion und in der Partei."

Klingelschmitts Sittengemälde endet mit einem Ausblick auf die Zeit nach der Bundestagswahl: "Die Gang ist tot - es lebe die Gang. Denn sollte Fischer im Herbst tatsächlich Bundesminister werden, werden die Gangster wohl wieder auf der Matte stehen: ein Kreis selbst ministeriabler Männer (!) mit politischer Erfahrung, bereit, auf höchster Ebene für Deutschland politische Verantwortung zu übernehmen." Wer immer sich bei den Grünen Hoffnungen auf gut dotierte Posten in den Bundesministerien macht, wird mit den kampferprobten Frankfurtern konkurrieren müssen. Daß die CDU, im Kampf gegen "Banden" aller Art nicht zimperlich, den Frankfurter Klüngel nicht zum Wahlkampfthema macht, hat einen einfachen Grund: So wie Fischer machen's alle, insbesondere Kohl, der ausgewiesene Experte für autoritäre Personalpolitik und die Abrichtung treuer Vasallen.

Die mittelgroße Verschwörung

Einer, der noch mehr über die Fischer-Gang weiß, ist Christian Schmidt, der darüber ein ganzes Buch geschrieben hat ("Wir sind die Wahnsinnigen. Joschka Fischer und seine Frankfurter Gang"; Econ-Verlag, München, 320 Seiten, 39,80 DM). Nachdem sein monumentales Werk von Spiegel-Redakteur Reinhard Mohr verrissen wurde, schlägt Schmidt nun in konkret zurück und enthüllt noch einmal, was schon in seinem Buch steht: Auch Mohr gehör(t)e der Gang an, ebenso wie Elisabeth Kiderlen (Badische Zeitung) und Thomas Schmid (Die Welt). Und nicht nur das - sie alle sind dem mächtigen Boß offenbar weiter zu Diensten. Während Frau Kiderlen Schmidts Buch ebenfalls verriß, arrangierte Thomas Schmid ein Gespräch zwischen Fischer und Nena, dem Schlagerstar der achtziger Jahre. Nachzulesen in der Hamburger Illustrierten Max, diente es, schreibt Schmidt, dazu, den "angehenden großen Staatsmann" auch mal ganz menschlich zu zeigen, als "Privat- und Gagamann".

So wird es wohl gewesen sein. Warum diese allgemein übliche Art der Parteienwerbung im vorliegenden Fall besonders übel ist, erklärt Schmidt auch. Fischer und seine Gangster sind nicht menschlich, sondern Schweine, "die Politik lediglich um des eigenen Vorteils willen betreiben" und die "sich 1982 aus purer lebensperspektivischer Verzweiflung auf die Grünen stürzten, um dann diese Partei binnen kürzester Zeit zu usurpieren". Ausführlich stehe das alles "in meinem Buch", das die konkret-Redaktion offenbar für ein bahnbrechendes Werk hält. Direkt neben Schmidts Artikel hat sie eine Rezension gestellt, in der Konrad Brehm und Gerhard Fischer Schmidts Enthüllungen noch einmal nacherzählen, immerhin in eigenen Worten: "Seit die Fischers ganz oben mitmischen, ist aus den ehemaligen Spontizusammenhängen eine gut funktionierende Burschenschaft geworden."

Läßt sich trotzdem etwas aus der konkret-Lektüre lernen? Schwerpunktthema der September-Ausgabe sei die Bundestagswahl, suggeriert die Werbung, die zugleich eine Provokation verspricht: "Ihn (Kohl) wählen, heißt, den bekannten Übeln den Vorzug vor den unbekannten zu geben." Christian Schmidt wird als einer der Autoren genannt, die aufgeschrieben hätten, "was dafür spricht". Wenn das im Sinne des Autors ist, dann steht es schlimmer um ihn, als bei der Lektüre nur seines Artikels anzunehmen: Eigenwerbung, garniert mit ein bißchen Verschwörungsgeraune - das ist schon o.k. (man weiß ja, wie schwer politische Bücher zu verkaufen sind). Aber daß Kohl, Schäuble, Rühe etc., verglichen mit der Fischer-Gang, das kleinere Übel sein könnten - das ist denn wohl doch ein wenig übertrieben. Die konkret-Redaktion scheint die "grüne Gefahr" auch nicht so recht ernst zu nehmen: Hinten auf dem Heft prangt eine ganzseitige farbige Anzeige für die Partei, vor deren heimlichem Führungszirkel Schmidt so eindringlich warnt.

Js.