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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 420 / 19.11.1998

Baskenland - Spanien 41:34

Regionalwahlen im spanischen Baskenland

Die Wahlen zum Regionalparlament in Vitoria-Gasteiz am 25. Oktober haben wieder einmal aufs Neue bestätigt, daß die Verhältnisse im Baskenland immer etwas komplizierter sind, als man denkt. Aus den Regionalwahlen sind die Linksnationalisten um das Wahlbündnis Euskal Herritarrok (EH) und die Konservativen des Partido Popular (PP), Regierungspartei in Madrid, als deutliche Wahlsieger hervorgegangen.

Die Wahlen zum baskischen Parlament standen ganz unter dem Eindruck des ETA-Waffenstillstandes und der Bemühungen der baskischen Parteien, eine politische Lösung des Konflikts zu erreichen. ETA unterstützt mit ihrer unbefristeten Waffenruhe den Gesprächsprozeß zwischen den baskischen Parteien und Izquierda Unida (IU). Dieser mündete in die "Erklärung von Lizarra", in der ausdrücklich vom Selbstbestimmungsrecht des baskischen Volkes gesprochen wird. Mit einem Kommuniqué zu den Wahlen, das über BBC veröffentlicht wurden, wollte sich ETA am Freitag vor dem Wahlgang zu Wort melden. Die spanische Regierung verhinderte allerdings die Ausstrahlung in Spanien. Zwei vermummte Etarras erklärten in der BBC, daß ihre Generation den bewaffneten Kampf nicht fortsetzen werde. Falls das Baskenland aber nicht seine Souveränität erhalte, könnten künftige Generationen wieder zu den Waffen greifen. Sie betonten die "absolute Ernsthaftigkeit" ihrer Waffenruhe. Außerdem forderten sie zur Wahl von EH auf.

Nicht unerwartet erreichten die LinksnationalistInnen das beste Wahlergebnis ihrer Geschichte. Über 223.000 WählerInnen, 60.000 mehr als 1994, votierten für das erst kurz vor der Wahl geschaffene Wahlbündnis EH, das anstelle von Herri Batasuna (HB) angetreten war.

Die gemäßigte baskische Nationalpartei, die die Region seit der Einführung des Autonomiestatus regiert, konnte wider erwarten nicht von ihrer Rolle als "Friedensstifterin" im gegenwärtigen Gesprächsprozeß profitieren. Zwar wurde der Partido Nacional Vasco (PNV) wieder stärkste Partei, doch hat er einen Sitz verloren. Nichtsdestotrotz hat er an die 45.000 Stimmen hinzugewonnen. Hier schlägt die hohe Wahlbeteiligung von über 70 Prozent zu Buche (10 Prozent mehr als bei den Regionalwahlen 1994). Zwei Sitze büßte auch die nationalistische, sozialdemokratisch orientierte Euskal Alkartasuna (EA) ein. Obwohl sie über 3.000 Stimmen hinzugewann, rutschte EA von 10,31 auf 8,7 Prozent.

PP und der Partido Socialista de Euskadi (PSE), der regionale Ableger des PSOE, vertauschten ihre Plätze. PP wurde überraschend zweitstärkste Partei, PSE rutschte auf Platz 4. "Eine hohe Wahlbeteiligung", so prophezeite die Neue Züricher Zeitung schon zwei Tage vor dem Wahlgang, "würde, wie dies in den spanischen Parlamentswahlen jeweils der Fall ist, ausschließlich diesen beiden Parteien zugute kommen." (NZZ, 23.10.98) Über 100.000 Stimmen gewann PP hinzu, über 40.000 der PSE.

Eindeutiger Verlierer der Wahl ist IU, die von 9,15 auf 5,69 Prozent abrutschte. Ebenso verloren hat Unidad Alavesa (UA). Diese Partei, die sich Ende der 80er Jahre von PP abgespalten hatte, befürwortet die Zugehörigkeit zu Spanien und spricht sich gleichzeitig für die Abspaltung einer autonomen Provinz Alava, in der sich die baskische Hauptstadt Vitoria-Gasteiz befindet, vom Baskenland aus. UA büßte drei Sitze im Regionalparlament ein, IU vier.

Wer erwartet hatte, die Wahlen würden unter dem Eindruck des ETA-Waffenstillstandes zu einer entscheidenden Veränderung der politischen Landschaft im Baskenland führen, sieht sich enttäuscht. Die drei nationalistischen Parteien PNV, EH und EA hatten bislang die gleiche Mehrheit an Sitzen, nämlich 41 von 75. Die nach Spanien gerichteten Parteien PP, PSOE, IU und UA erzielten wieder 34 Sitze. Was sich verändert hat, ist nicht das Kräfteverhältnis zwischen den nationalistischen und den zentralspanischen Parteien, sondern das Gewicht jeweils innerhalb der beiden Blöcke. Die eindeutigen Sieger befinden sich auf den entgegengesetzten Polen des politischen Spektrums, EH und PP.

Der PP und der PSOE sprachen vor dem 25. Oktober von Schicksalswahlen. Sie warnten vor einer "nationalistischen Front", womit sie eine Minderheitsregierung der PNV mit EA meinten, die auf die parlamentarische Unterstützung von EH angewiesen wäre. Falls die baskischen Parteien als eindeutiger Sieger aus den Wahlen hervorgingen, so argumentierten beide Parteien fast gleichlautend, müßten Nicht-Basken mit einer zunehmenden Diskriminierung rechnen. Auch war die Rede davon, daß man gegebenenfalls sogar "die Koffer packen" müßte.

EH ist es nicht gelungen, dieser Strategie etwas entgegenzusetzen. Ganz im Gegenteil, bei ihrem erfolgreichen Versuch, im nationalistischen Lager Gewinne zu erzielen, hat sie die aus anderen Teilen Spaniens kommenden WählerInnen dem PP und dem PSOE zugetrieben. Im Ergebnis haben diese Wahlen das progressive Spektrum des Baskenlandes geschwächt. So wurde die IU, die als einzige spanische Partei den Friedensplan von Lizarra mitträgt, das politische Opfer der Polarisierung zwischen spanischen und baskischen Nationalismus.

Wie erwartet hat die spanische Regierung die Regionalwahlen abgewartet, um sich erst dann direkt zum Waffenstillstand der ETA zu äußern. Zuvor war eine deutliche Zurückhaltung von Ministerpräsident Aznar zu verzeichnen gewesen. Am 3. November kündigte er an, er wolle Kontakt mit der "Umgebung" von ETA aufnehmen. Einen Tag später präzisierte Regierungssprecher Piqué, die Regierung strebe Gespräche mit Vertretern der ETA über den Waffenstillstand an. Die Gespräche sollen unter der Formel "Frieden gegen Gefangene" geführt werden, alle anderen politischen Fragen würden nicht thematisiert. Falls ETA "definitiv" auf Gewalt verzichte, sollen die über 500 im ganzen Land verstreuten politischen Gefangenen in baskische Gefängnisse verlegt werden und eventuell Hafterleichterungen erhalten.

Wie wird die zukünftige baskische Regierung aussehen? Möglich wäre eine Neuauflage einer Koalition von PNV, EA und PSE, dieselbe Koalition, die das Baskenland regiert hat, bevor die Sozialisten im Juni aus Protest gegen die Gespräche zwischen PNV und HB aus der Regierung ausstiegen. Denkbar wäre aber auch eine Regierung zwischen PNV und PP. Eine Vorbedingung des PP dafür wäre aber, daß sich der PNV von der "Erklärung von Lizarra" distanziert.

Ob es eine rein baskische Regierung trotz parlamentarischer Mehrheit geben wird, ist fraglich. Bislang hat HB sich immer geweigert, Institutionen zu unterstützen, die nur einen Teil des Baskenlandes repräsentieren. Angesichts des Wahlergebnisses, das EH als Bestätigung der "Erklärung von Lizarra" wertet, hat allerdings Arnaldo Ortegi, Sprecher von EH, angedeutet, daß das Wahlbündnis für eine solide parlamentarische Mehrheit einer baskischen Minderheitskoalition von PNV und EA sorgen könnte.

Mit ihrer Mehrheit im baskischen Parlament könnten PNV, EA und EH die Richtung der Lösung des Konflikts entscheidend beeinflussen. Jetzt wird sich zeigen, wie ernst es den konservativen Nationalisten des PNV mit ihren Reden ist, das baskische Volk könne in der spanischen Verfassung seinen Platz nicht finden.

mb.