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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 420 / 19.11.1998

Wanderkirchenasyl:

NRW-Landesregierung macht inakzeptables Angebot

Am 20. Oktober begannen Verhandlungen einer Delegation aus Vertretern der Evangelischen Kirche im Rheinland, der Evangelischen Kirche in Westfalen und des Bistums Aachen mit dem Landesinnenministerium in Düsseldorf über das Bleiberecht der illegalisierten kurdischen Flüchtlinge im Wanderkirchenasyl.

Der Beginn dieser Verhandlungen ist ein Erfolg der jetzt schon fast zehn Monate andauernden Wanderkirchenasylaktion, in deren Verlauf 70 Kirchengemeinden in Nordrhein-Westfalen mehr als 230 illegalisierte kurdische Flüchtlinge vor der drohenden Abschiebung schützen.

Ob die Verhandlungen selbst zu einem Erfolg, d.h. zur Legalisierung und zum dauerhaften Bleiberecht der TeilnehmerInnen am Wanderkirchenasyl führen, ist offen. Die Landesregierung jedenfalls will höchstens einem Teil der Flüchtlinge eine Duldung gewähren und möchte die anderen abschieben. Ihr erstes "Angebot": Individuelle Einzelfallprüfung jedes einzelnen Flüchtlings im Wanderkirchenasyl durch die zuletzt zuständige Ausländerbehörde, begleitet von der Bitte der Landesregierung an die Ausländerbehörden, doch während der Prüfung von einer Abschiebung abzusehen. Aber über die Flüchtlinge zu verhandeln, die nicht aus NRW kommen, weigerte sich die Landesregierung.

Die Flüchtlinge, Kirchengemeinden und die Kampagne "Kein Mensch ist illegal" haben Anfang November dieses "Angebot" als völlig unzureichend abgelehnt.

Die jetzt "angebotene" Einzelfallprüfung durch die örtlichen Ausländerämter verweigert den Flüchtlingen im Wanderkirchenasyl den nötigen Schutz. Das Kalkül des Verhandlungsbeauftragten der Landesregierung, Engel, die Verantwortung der Landesregierung auf die örtlichen Ausländerämter abzuschieben und den politischen Protest gegen die "demokratisch legitimierte Barbarei der Abschiebungen in die Türkei" (Günter Grass) vor Ort klein zu brechen, ist nicht aufgegangen.

Kritisiert wird, daß die Landesregierung sich nach wie vor gegen die Grundforderungen des Wanderkirchenasyls sperrt:

1. Ein sofortiger Abschiebestop soll erlassen werden; die Landesregierung soll für die Anerkennung der Kurden als Bürgerkriegsflüchtlinge eine Bundesratsinitiative starten. Weil die Asylbehörden 70% der kurdischen Flüchtlinge in Krieg und Verfolgung zurückschicken, und die Zahl der nach ihrer Abschiebung verfolgten und gefolterten Flüchtlinge steigt, fordern die Flüchtlinge im Wanderkirchenasyl seit dem 21. Januar 1998 diese politische Lösung.

2. Solange ein Abschiebestop und die Anerkennung als Bürgerkriegsflüchtlinge nicht erreicht sind, soll kurzfristig wenigstens allen am Wanderkirchenasyl teilnehmenden Flüchtlingen ein Bleiberecht gewährt werden. Denn die türkischen Behörden werten diese Aktion als "staatsfeindlich", und es muß davon ausgegangen werden, daß sie die Namen aller Flüchtlinge im Wanderkirchenasyl kennen. Nach einer eventuellen Abschiebung wäre deren Gefährdung deshalb extrem hoch. Das bestätigt auch das Urteil des Landgerichts Köln (Aktenzeichen 1L2861/98A. vom 10.9.98), das den Asylbehörden untersagt, Salman Dönekli abzuschieben. Er sei wegen seiner Teilnahme am Wanderkirchenasyl besonders gefährdet.

Wie dringend diese Forderung ist, belegt die Verhaftung von Halil Ray, der unmittelbar vor den Türen der katholische Kirchengemeinde St. Bruno verhaftet wurde und abgeschoben werden soll. Er sitzt zur Zeit in Mannheim in Abschiebehaft. Gemeinden und auch Politiker haben gegen seine Verhaftung protestiert, ein Asylfolgeantrag beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hat die Abschiebung vorerst gestoppt.

Albrecht Kieser

Aktuelle Informationen über das Wan-derkirchenasyl im Internet unter:
http://www.stadtrevue.de/kmii/