Taxi in den Knast
Die Verfolgung von TaxifahrerInnen im Dreiländereck BRD - Tschechien - Polen geht in eine neue Runde. (siehe ak 410) Mitte Oktober trat der Taxifahrer Bernd L. aus Zittau als erster der Verurteilten seine Haftstrafe von einem Jahr und vier Monaten an. Bis Mitte November werden ihm drei weitere Kollegen folgen. Verurteilt wurden sie, da sie nach Auffassung der Justiz "Illegale" in die BRD "eingeschleust" haben sollen.
Bernd L. hatte vor drei Jahren Flüchtlinge aus Jugoslawien in seiner Taxe mitgenommen. Eine Ausweiskontrolle durch BGS-Beamte stellte fest, daß die Fahrgäste keine Papiere hatten. Das wurde Bernd L. zum Verhängnis. Die Beförderung von Menschen ohne Papiere reicht der sächsischen Justiz aus, um TaxifahrerInnen wegen "Schleuserei" zu verurteilen. Der Verfolgungswille der Behörden schreckt auch vor kuriosen Urteilen nicht zurück. Nach Angaben der Berliner Forschungsgesellschaft FFM wurde in jüngster Zeit ein Taxifahrer wegen "Einschleusung" zu einer Haftstrafe von über einem Jahr verurteilt, obwohl der BGS weder zum Aufenthaltsstatus noch zur Identität der Beförderten Auskunft geben konnte. Ausschlaggebend für die Verurteilung war, daß der Angeklagte sich mit seinem Fahrzeug an einem bestimmten Ort aufgehalten hatte.
Kampagnen und ...
Schon letztes Jahr hatten BGS und Innenministerium eine "Aufklärungskampagne" gestartet, in der sie die TaxifahrerInnen davor warnten, "Illegale" zu befördern. Ihnen wurden Haft- und Geldstrafen, Konzessionsentzug und die Beschlagnahmung ihres Fahrzeuges angedroht, wenn sie Menschen befördern, deren "äußeres Erscheinungsbild, Kleidungszustand und andere äußere Auffälligkeiten den Verdacht zulassen, daß es sich um Personen handeln könnte, die sich illegal aufhalten". Alarmierend ist laut FFM, daß die Diskriminierung anhand von phänotypischen Merkmalen ausgeweitet wird.
Auch in anderen Regionen an der ostdeutschen Grenze stehen TaxifahrerInnen unter dem Verdacht, "Ausländer illegal eingeschleust" zu haben. Allerdings arbeiten die Justizapparate der Bundesländer sehr unterschiedlich. Insgesamt gibt es rund 100 Ermittlungsverfahren gegen Taxifahrer in Sachsen und Brandenburg. In den beiden anderen Bundesländern an der Ostgrenze, Mecklenburg-Vorpommern und Bayern, sind solche Verfahren allerdings nicht bekannt. Dafür wurden in jüngster Zeit aber vier Fälle aus Berlin bekannt, zwei von diesen wurden mittlerweile eingestellt. Unüblich ist auch die Praxis der Justiz in Zittau, schon den Transport von Menschen ohne Papiere unter Strafe zu stellen. Die Staatsanwaltschaft in Frankfurt/Oder hält sich da an die gängigen Rechtsvorstellungen: Sie lehnt es ab, ein Verfahren gegen Taxifahrer zu eröffnen, die Menschen ohne Papiere transportieren. Sämtliche Verfahren, die vom BGS in Gang gesetzt wurden, hätten den Nachweis, daß die Taxifahrer um den Aufenthaltsstatus ihrer Fahrgäste wußten, nicht erbracht. (Jungle World, 21.10.98) Auch scheint sich die Staatsanwaltschaft über die Konsequenzen der Pauschalverurteilung im Klaren zu sein. "Die Taxifahrer haben kein Recht, ihre Fahrgäste zu kontrollieren. Würden wir ihnen einen Pauschalverdacht gegenüber ausländischen Fahrgästen abverlangen, würde das Ausländerfeindlichkeit befördern."
Wie die Stimmung unter den TaxifahrerInnen in Zittau und Umgebung ist, dokumentierte der Berliner Journalist John Goetz schon vor einem Jahr. Er fuhr mit seinem Team, zu dem der aus Indien kommende Biplap Bassu und der farbige Adrian Johnson gehörten, nach Zittau. Bassu, der einen deutschen Paß hat, sollte dort mit einer Taxe innerhalb Zittaus vom Bahnhof zum Hotel fahren. Es gelang ihm nicht. Da er "ausländisch" aussehe, wurde ihm die Beförderung verweigert. Johnsons Test der Beförderungspflicht endete beim BGS - der sollte erst seine Papiere prüfen.
... Auszeichnungen
Goetz und seine KollegInnen filmten das Geschehen, der Bericht wurde in der Sendung "klartext" im Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg ausgestrahlt. Für ihr Engagement erhält nun die Redaktion den Civis-Fernsehpreis. Der wird von WDR, der Freudenberg-Stiftung und - kaum zu glauben - der Bundesbeauftragten für Ausländerfragen vergeben. Mit dem Preis würdigt die Jury das langjährige Engagement der Redaktion; sie wird ausdrücklich aufgefordert, "auch in Zukunft in ihren Bemühungen, Diskriminierungen und fremdenfeindliche Entwicklungen aufzudecken, nicht nachzulassen".
Das Ergebnis der jüngsten Recherchen könnte schon bei der Preisverleihung am 23. November in der Münsterland-Halle vorgestellt werden.
Vor wenigen Wochen waren John und seine KollegInnen ein zweites Mal in Zittau, um zu sehen, was sich seit letztem Jahr getan hat. Wurde vor einem Jahr - nach Aussagen von Goetz - noch die Beförderung freundlich, aber bestimmt abgelehnt, so ist die Stimmung nun aggressiver. Mit der Äußerung: "Sie sehen so ausländisch aus, ich darf so was wie Sie nicht fahren", lehnte einer der von Bassu angesprochenen Fahrer den Wunsch, befördert zu werden ab. In dem Bericht wird deutlich, daß Menschen, von denen die TaxifahrerInnen annehmen, sie seien Nicht-Deutsche, kaum eine Chance haben, ein Taxi zu bekommen. Zwar erkennen mittlerweile auch bürgerliche Medien, daß hier die "Politik mit Hilfe von verschärften Gesetzen die Fremdenfeindlichkeit geradezu staatlich organisiert". (Berliner Zeitung, 7.10.98) Hier allerdings von einer "ungewollten Folge" zu sprechen, wie es die Kommentatorin "Berliner Zeitung" macht, ignoriert die Tatsache, daß die Kriminalisierung der TaxifahrerInnen in dieser Region schon vor einigen Jahren begann.
ch.