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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 422 / 21.1.1999

Läßt Trittin neue Atomanlage zu?

Genehmigungsverfahren für PKA vor dem Abschluß

Während auf großer Bonner Bühne nur noch vom Ausstieg aus der Atomenergie geredet wird, bahnt sich in Gorleben die Inbetriebnahme der ersten neuen Atomanlage an. Noch im Sommer 99 könnte die Pilot-Konditionierungsanlage (PKA) abschließend genehmigt werden und den Betrieb aufnehmen. Am 27. Februar werden wir unsere Stimme wieder und diesmal besonders laut auf einer Demonstration in Gorleben gegen die (PKA) erheben. Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg und die Bäuerliche Notgemeinschaft sowie weitere Anti-Atom-Gruppen rufen zu dieser Demo auf. Wir werden nicht warten bis die Inbetriebnahme unmittelbar bevorsteht. Darum haben wir uns selbst einen Termin gesetzt. Rechtzeitig, um noch politischen Druck aufbauen zu können, der die Verseuchung unserer Region verhindern kann.

Was ist die PKA?

1986, vier Tage nach Tschernobyl reichte die Betreiberin den Antrag zur Errichtung der Pilotkonditionierungsanlage ein. Purer Zynismus, aber um politisches Fingerspitzengefühl ging es in der Auseinandersetzung um die Atomenergie noch nie.

Hinter dem Kürzel PKA verbirgt sich eine Atommüllfabrik mit heißer Zelle zur Bearbeitung hochradioaktiver Brennelemente, 60 m hohem Abluftkamin und Abwasserpipeline in die Elbe. Hinter dicken Betonwänden sollten dort - zunächst - jährlich 35t Brennelemente, deren Wiederaufarbeitung zu teuer oder technisch nicht möglich ist, zerschnitten werden. Anschließend sollen sie dann so konditioniert (verpackt) werden, daß sie endlagerfertig sind. Bislang sind Brennelemente mit zu hohem Abbrand bzw. aus bereits wiederaufbereitetem Uran sowie MOX (Mischoxid)-Brennelemente zur Bearbeitung in der PKA vorgesehen. Aber auch flüssige, kontaminierte Lösungen können in dieser "Mehrzweckanlage" verdampft und zementiert werden.

Den Traum eines Nuklearen Entsorgungszentrums hat die Atomlobby noch lange nicht ausgeträumt und der Standort dafür heißt immer noch Gorleben!

Seit der Antragstellung ist die Funktion der PKA von Betreiberseite immer wieder umdefiniert worden. Angesichts der auch den Betreibern letztlich nicht verborgen gebliebenen Erkenntnis, daß das geplante Endlager im Salzstock Gorleben für die Aufnahme von hochradioaktiven Atommüll völlig ungeeignet ist, soll die PKA inzwischen auch zum Um- und Dichterpacken der ins Zwischenlager angelieferten Brennelemente in andere, größere Castorbehälter dienen. So sollen die Zwischenlagerkapazitäten erhöht und damit Entsorgungsengpässe beseitigt werden. Die Anlage soll daher nun vor allem der wirtschaftlichen Optimierung des Zwischenlagerbetriebs dienen

Klar ist auch, daß die jetzt für eine Verarbeitung von 35 Tonnen Atommüll jährlich beantragte Anlage ohne weiteres auf die zehnfache Menge vergrößert werden könnte. Entsprechende Absichten der Betreiber sind in den vergangenen Jahren immer wieder bekannt geworden.

Antragstellerin für den Bau der PKA ist die inzwischen sattsam bekannte Gesellschaft für Nuklearservice (GNS). Erst im letzten Jahr ist diese Atomklitsche im Rahmen des Kontaminationsskandals bei den Atomtransporten wieder mittenmang gewesen. Auch auf der Baustelle der PKA kam es immer wieder zu "Ungereimtheiten". So wurden während einer Überprüfung in den Jahren 1993/94 insgesamt 25, teilweise erhebliche bauliche Abweichungen vom genehmigten Zustand festgestellt worden. Diese eigenwilligen Änderungen hätten jedoch nur mit Zustimmung der Behörden erfolgen dürfen. Doch wer seinerzeit erwartet hatte, daß dieser "Pfusch am Bau" Anlaß sein würde, die atomrechtliche Zuverlässigkeit der Gesellschaft für Nuklearservice (GNS) als Antragstellerin in Zweifel zu ziehen, irrte. Ohne nennenswerte Probleme durfte die GNS weiter bauen.

Inzwischen hat die niedersächsische Landesregierung sich sogar in einem Vertrag gegenüber der GNS dazu verpflichtet, den Antrag für die Pilotkonditionierungsanlage wohlwollend zu unterstützen. So arbeiten die Aufsichts- und Genehmigungsbehörde und die Antragstellerin Hand in Hand zusammen.

Trotz dieser Kooperation zwischen Behörden und GNS hat sich die Inbetriebnahme der Anlage immer wieder verzögert. Ursprünglich sollte die PKA schon seit Jahren laufen. Dies ist nicht nur Ergebnis des politischen Widerstandes aus der Bevölkerung und den kommunalpolitischen Gremien, sondern wohl auch Ausdruck von Planungs- und Genehmigungsproblemen und einer Orientierungslosigkeit der Atomlobby und Politiker in der Frage des Umganges mit dem Atommüll.

Zur Zeit stehen drei Genehmigungen an. Als letztes beantragte die GNS im November 1998 die Umwidmung der Baustellenzufahrt in eine dauerhafte Ausweichstrecke für den Katastrophenfall. Ist so etwas denn möglich?

Die Erörterung steht an!

Vor der endgültigen Genehmigung der PKA wird die Lüneburger Bezirksregierung noch über einen wasserrechtlichen Antrag zur Einleitung radioaktiver Abwässer aus der Konditionierungsanlage in die Elbe zu entscheiden haben. Im letzten Sommer sammelten wir mehrere tausend Einwendungen gegen diesen Antrag. Erstmals in der langen Auseinandersetzung um den Standort Gorleben beteiligten sich auch die Städte und Gemeinden aus der Region an der Einwendungskampagne der Bürgerinitiative. Sie beauftragten eigene Gutachter für die Formulierung von Einwendungen gegen die Abwassereinleitung.

Die Einleitung der radioaktiver Abwässer in die Elbe soll mitten in dem gerade gegründeten Nationalpark Elbtalaue durchgeführt werden. Die Umweltverträglichkeitsstudie spricht jedem wissenschaftlichen Anspruch Hohn. Das ganze Vorhaben zeigt hier seine Widersinnigkeit.

Auch dieses Verfahren verzögert sich bereits seit Monaten. Die öffentliche Erörterung der Einwendungen sollte bereits im November stattfinden. Doch die GNS hat offensichtlich Probleme mit der Stellungnahme zu den Einwendungen gegen die Einleitung radioaktiver Abwässer. Ein neuer Termin ist noch nicht klar. Dabei bemühte sich die GNS das Verfahren so schnell wie möglich voranzutreiben.

Etwa im Mai muß nach dem derzeitigen Stand der Dinge mit der dritten Teilerrichtungsgenehmigung gerechnet werden. Wird diese Genehmigung erteilt, dann darf die GNS in der Atomfabrik PKA in Gorleben mit Atommüll hantieren und die Region via Schornstein und Abwassereinleitung radioaktiv verseuchen. Diese Genehmigung können wir gerichtlich wahrscheinlich nicht mehr stoppen. Der niedersächsische Umweltminister Jüttner hat bereits mehrfach erklärt, daß er nach der wasserrechtlichen Genehmigung umgehend die Betriebsgenehmigung für die PKA erteilen wird. Verwundern kann das nicht, schließlich hat er sich durch den Vertrag mit der GNS in skandalöser und unbotmäßiger Weise gebunden.

Aber politisch ist immer noch etwas drin. Die neue Bundesregierung hat das bisherige Entsorgungskonzept für gescheitert erklärt. Damit müßte sie im Grunde die PKA sofort stoppen, denn sie ist Teil dieses Konzepts. Die Inbetriebnahme der PKA macht aber nur einen Sinn, wenn der Standort Gorleben weiter zementiert werden soll. Und obwohl jetzt die Konsensverhandlungen unter großen Aufwand und öffentlichen Interesse stattfinden, wollen die Behörden das Genehmigungsverfahren offenbar bis zum bitteren Ende weiterführen. Vom Regierungswechsel ist nichts zu spüren.

Während die Stromkonzerne und ihre Lobbyisten fein abgestimmt täglich neue Forderungen aufstellen, betreiben sie im Hintergrund die Inbetriebnahme einer neuen Atomfabrik. Und bevor unter Rot-Grün etwas wesentliches passiert, riskiert Jürgen Trittin, daß er sich blamiert. Denn das erste wesentliche Ereignis unter Rot-Grün wird die Inbetriebnahme der Pilot-Konditionierungsanlage sein. Das werden wir nicht zulassen. Darum werden wir am 27. Februar ab 11 Uhr von Gedelitz mit einer Demonstration vor die PKA ziehen.

22 Jahre Standortbenennung und 100 Tage Rot-Grün nehmen wir zum Anlaß gegen die Pilot-Konditionierungsanlage und für den Atomausstieg massiv auf die Straße zu gehen. Motto: "Ausstieg jetzt - keine heiße PKA"

Torsten, BI Lüchow Dannenberg