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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 422 / 21.1.1999

Antideutsche unter sich

konkret als "linksdeutsche Burschenschaft" geoutet

konkret steht am Pranger. Dem Mercedes Benz des deutschen Antinationalismus wird das schwerste aller Verbrechen zur Last gelegt: Die Zeitschrift sei rassistisch, völkisch und vor allem deutsch. Das jedenfalls behaupten andideutsche MigrantInnengruppen.

Afghanistan, das ist "da unten am Ende der Welt", "eine Gegend ..., in der das Tragen von Kopfwindeln und Gesichtspelzen Vorschrift ist", wo die Taliban als "analphabetische Irre" das Fernsehen verbieten so wie "der notorische Buschmann" sich nicht fotographieren lassen will.

"Der" politische Flüchtling, das ist heute "einer, der in seinem Herkunftsland ein Regime errichten möchte, wie es das in seinem Aufnahmeland schon gibt". Politsche Flüchtlinge "sind potentielle Agenten, Kollaborateure, Geschäftspartner, Stoßtrupp, Brückenkopf". Insbesondere die Flüchtlinge aus dem Kosovo "können uns Kapitalismus pur beibringen". Immerhin haben sie "das Survival of the fittest ... gelernt" und "man" liest von ihnen "bisweilen im Zusammenhang mit Berichten über Schießereien in jenem Milieu , wo die freie Marktwirtschaft ihren Ursprung hat".

Das Kopftuch, das ist jenes Symbol "des" Islams, in dem am nachdrücklichsten zum Ausdruck kommt, daß es "letzter Zweck jeder Kultur sei, der Sinnlichkeit zu mißtrauen und mehr als ,gesunde' Sexualität nicht zuzulassen". Darin sind sich "islamische und deutsche Erneuerer... einig". Und wenn eine kopftuchtragende Frau "die begehrlichen Blicke der Mitschüler, die kleinen Anspielungen, die zufälligen Berührungen" nicht ertragen "konnte und wollte", so kann das nur ein deutlicher Beweis für sexuelle Zwangsmoral und unterdrückte Erotik oder schlicht islamischen Fundamentalismus sein.

Was stellen diese Zitate dar? Rassistische und sexistische Ausfälle, möchte man meinen. Geschult an antirassistischen Diskursen und gebeutelt von gnadenlosen KritikerInnen ob so mancher eigener sprachlicher Entgleisung und mangelnder Sensibilität verspürt man vielleicht sogar den Drang zur Steigerung: rassistische und sexistische Verachtung und Hetze. Aber ach! Die Worte stammen aus den Federn der ehrenwerten Herren Sokolowsky, Porth und Wertmüller und wurden veröffentlicht in den Ausgaben 8/1998 und 7/1998 der ebenso ehrenwerten Zeitschrift konkret. Ja, richtig, genau jene konkret, die keine Gelegenheit ausläßt, rassistisches, antisemitisches und nationalistisches Denken, Sprechen und Handeln mit aller Härte zu attackieren, mit Vorliebe bei denjenigen, die in diesem Land noch linke und linksradikale Politik in Theorie und Praxis machen wollen.

Ausgerechnet von antideutschen MigrantInnengruppen um das Café Morgenland in Frankfurt sowie die Zeitschrift köXüs ist das Flaggschiff des deutschen Antinationalismus erwischt worden. Zunächst in einem umfangreichen Brief an diverse Zeitungen, dann via Internet werden Sokolowsky, Porth, Wertmüller und ihr Organ schonungslos als das entlarvt, was sie sind: deutsche Autoren in einer deutschen Zeitung. Und in eben dieser Eigenschaft müssen sie sich berechtigterweise "rassistischen Humor", "rassistische Denkmuster" und "rassistische Ausfälle" vorwerfen lassen. (vgl. die Beiträge in köXüs, Nr. 11, Winter 1998/99) Doch sowohl in der migrantischen wie deutschen antideutschen Szene ist mit dem an sich doch schon reichlich diskreditierenden Nachweis einer Entgleisung in rassistische Sprech- und Denkweisen das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht, und so prasselt es unerbittlich auf die arme konkret hernieder: Schulterschluß mit dem "Ossi-Mob", Komplizenschaft mit der "national-sozialen Werkgemeinschaft", antisemitische Affekte, völkische Gesinnung. Im Gegensatz zu ihren Rassismus-Vorwürfen entledigen sich Café Morgenland, köXüs und die anderen MigrantInnengruppen bei diesen Attacken der lästigen Nachweispflicht und begeben sich statt dessen auf das weite Feld der freien Assoziation. Das ist zwar nicht schön, redlich auch nicht, aber dafür peppig.

Doch da haben sie die Rechnung ohne den deutschen Wirt gemacht. Wo kämen wir da hin, wenn irgendwelche hergelaufenen MigrantInnen genauso holzen dürften wie jene drei Musketiere und ihre Zeitung. "Abenteuerliche Konstruktionen und verleumderische Polemik" stellen Jörg Später und Jochen Müller vom iz3w in dem MigrantInnen-Pamphlet fest, weswegen sie "die Kritik nicht mehr ernst nehmen (können)" und sie auch nicht abdrucken wollten. Da wäre einem doch fast ein "Sehr richtig!" rausgerutscht, wenn die Äußerungen von Sokolowsky, Porth und Wertmüller nicht gleichzeitig als "Ressentiments" oder als "flotte Formulierungen am linken metropolitanen Stammtisch" verharmlost werden würden. Wo doch konkret bereits bei einer Formulierung wie "antinationale Ausfälle" leichtfertigen Umgang mit einem ominösen historischen Hintergrund diagnostiziert und ansonsten auf die "deutsche Volksgemeinschaft und ihre Linke" eindrischt, daß die Schwarte kracht.

In der MigrantInnen-Kritik an konkret fällt nun das ganze Arsenal der leidigen Entlarvungstechniken, willkürlichen Zitierweisen und haarsträubenden Beleidigungen, die diese Zeitung und ihre Autoren zu einer gewissen Perfektion entwickelt haben, auf die Urheber zurück. Wo politische Radikalität zur verbalen Geste wird, löst der billige Effekt die der Klärung verpflichtete Debatte ab. Zeitschriften wie konkret sind zum "Talk im Turm" der linken Printmedien geworden. "Flotte Formulierungen" sind da in erster Linie quotenträchtige Aufreißer in einer Show; sie sind die message, nicht die kritische Auseinandersetzung etwa mit Kultur- und Religionskritik, selbstethnisierender Identitätspolitik oder einem Flüchtlingsbild voller antirassistischer Projektionen. So richtig chic wird eine solche Inszenierung aber erst durch lautstarke Interventionen aus dem Publikum. Die MigrantInnen-Punks verleihen der antideutschen Trash-Talk-Runde den zusätzlichen Pepp. Wenn das kein spektakulärer Event ist!

dk.

Postscriptum: In ihrer Weisheit und Güte hat die konkret-Redaktion die MigrantInnengruppen nur mit erklärtem Desinteresse und der Weigerung bestraft, ihren Beitrag ungekürzt abzudrucken; eine Seite hätten sie aber immerhin vollschreiben dürfen. Aber wahrscheinlich sind diese no-name-MigrantInnen auch nicht recht satisfaktionsfähig, denn "wer nicht in der Lage ist, seinen Gedanken auf einer vollen Druckseite vorzutragen, hat keinen." (konkret, 11/1998). Das hat gesessen, aber wo? In konkret 8/1998 hat der Verfasser bei neun Artikeln mit mehr als einer Seite aufgehört zu zählen. Die Autoren waren Joachim Rohloff, Otto Köhler, Wolfgang Pohrt, Rolf Surmann, Jürgen Elsässer, Peter Kratz, gruppe demontage, Gerhard Scheit und Kay Sokolowsky.