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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 423 / 18.2.1999

Power mit und ohne Bauer

Aktivitäten gegen das Atomprogramm

Die Grünen in Hessen und anderswo haben es schwer. Offenkundig haben sie mit ihrem atompolitischen Kurs nicht nur die WählerInnen verprellt. Auch die eigenen Reihen waren scheinbar nicht mehr fest geschlossen. Die Mobilisierungsfähigkeit hat arg gelitten und warum man Grün wählen sollte, wenn in Bonn atomarer Unsinn produziert wird, konnte irgendwie nicht klar gemacht werden. Schade eigentlich!

Ganz anders entwickelt sich die Stimmungslage unter den Anti-AKW-Bewegten und die Widerstandslust wächst. Zum Auftakt der Konsensverhandlungen in Bonn (26.1.) versammelten sich immerhin 400 - 600 von ihnen, listeten auf Schildern über hundert der insgesamt über 2.000 Störfälle in deutschen Atomkraftwerken auf und kündigten nicht nur den Grünen ihren weiteren Widerstand gegen neue Atomlager und Castortransporte an. Über 100 Leute zogen dann noch ins Erich-Ollenhauer-Haus, der SPD-Baracke. Im Foyer hielten sie eine gut besuchte Pressekonferenz ab. Dem herbeigeeilten Parteigeschäftsführer präsentierten die AtomgegnerInnen einen ordentlichen Haufen Pferdemist - direkt vor die Füße! Insgesamt war dieser Auftakt in Bonn eine eher kleine Demonstration, wenn die Massenmobilisierungen gegen Gorleben- und Ahaus-Castor als Vergleich genommen werden. Allerdings wurde für dieses Ereignis weitgehend intern und ohne große Öffentlichkeitsarbeit mobilisiert. So war diese Aktion eine höchst erfreuliche Angelegenheit.

Ende dieses Monats (vgl. ak 422, S. 15) dürfte es in Gorleben hochher gehen. Die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg ruft zu einer Demonstration gegen die Pilotkonditionierungsanlage (PKA) auf. Noch in diesem Sommer könnte das laufende Genehmigungsverfahren abgeschlossen werden. Das wäre dann die erste Atomanlage, die unter der neuen rot-grünen Bundesregierung in Betrieb gehen würde. Die PKA soll dazu dienen, die bestrahlten Brennelemente aus den Castorbehältern auseinanderzunehmen und anschließend in neue Behälter, die zur Endlagerung verwendet werden sollen, zu verpacken. So soll mehr Atommüll auf weniger Raum verteilt und Kosten sollen für die Endlagerung gespart werden. Da aber für das derzeitige Endlagererkundungsbergwerk in Gorleben zunächst mal ein Moratorium verhängt wurde und nicht anzunehmen ist, daß ein Endlager in Gorleben jemals in Betrieb gehen wird, ist diese Anlage mindestens Fehl am Platz - wenn nicht sowieso unsinnig. Deshalb soll am 27. Februar ab 11 Uhr von Gedelitz aus eine Demonstration bis vor das Baugelände der PKA stattfinden. Die Bäuerliche Notgemeinschaft hat inzwischen angekündigt, mit mindestens 100 Treckern vorbeizuschauen. Vor der PKA wird ab 12 Uhr eine Kundgebung stattfinden. Vor dem Bauzaun in der Nachbarschaft des Zwischenlagers dürfte es dann zu einem munteren Nachmittag kommen. Informationsstände und kleinere Veranstaltungen sollen stattfinden, als Verpflegung wird Pommes rot-grün angeboten. Und auch sonst dürfte den WiderständlerInnen noch einiges Unterhaltsames einfallen.

Doch damit nicht genug. Das nach der Bundestagswahl dritte Treffen der Standort-Initiativen in Göttingen hat sich nun für eine bundesweite Demonstration gegen das Atomprogramm ausgesprochen. Die 30 anwesenden Initiativen erteilten einer Arbeitsgruppe den Auftrag, sich über die inhaltliche Ausrichtung Gedanken zu machen und einen Aufruf zu entwickeln. Außerdem sollen Vorstellungen über den Ablauf der Demo, die echten Lustcharakter haben soll, erarbeitet werden. Als möglicher Termin für eine solche bundesweite Demonstration wird derzeit der 9. Oktober gehandelt. Ort der Veranstaltung soll Berlin sein. Die endgültige Entscheidung über diese Demo soll während der im April in Heidelberg stattfindenden Frühjahrskonferenz herbeigeführt werden. Es ist zu hoffen, daß die Demonstration dort eine ausreichende Basis findet.

Bevor es jedoch so weit ist, werden die Standort-Initiativen den Grünen während ihrer Bundesdelegiertenversammlung in Erfurt Anfang März einen kleinen Besuch abstatten. Dort wollen die Anti-Atomgruppen sich weiter auf einen heißen Herbst vorbereiten. Das werden auch die Grünen machen müssen. Denn nicht nur die Entscheidungen in Bonn, sondern auch die Aktionen der Anti-AKW-Bewegung dürften den Grünen eine (innere) Zerreißprobe abverlangen. Sie werden eine bis heute unbekannte Flexibilität erfinden müssen, um einerseits eine Demo in Berlin und eine Castorblockade in X zu unterstützen und andererseits die rot-grüne Politik in Bonn. Das dürfte einige sicher überfordern.

DSe

Von Hamburg aus wird ein Bus nach Gedelitz fahren. Bestellungen unter Tel: 040-3192208. Weitere Infos bei der BI Lü-Dan unter 05841-4684