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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 423 / 18.2.1999

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Neonazis in Einklang mit CDU und CSU

Die Freude in rechtsextremen und neonazistischen Kreisen war groß. Endlich habe auch die Union erkannt, daß man am Volkswillen nicht einfach vorbeisehen könne. Die Republikaner registrierten "mit Genugtuung", daß "zentrale Positionen zur Ausländerpolitik, die wir seit Jahren vertreten haben und derentwegen wir oftmals in herabsetzender Weise angegriffen wurden, jetzt auch von Politikern der CSU und CDU offen übernommen worden sind". Und Neonazis frohlockten im National Journal, daß "die ureigenste Politik des Nationalen Widerstandes nunmehr auch von der in Panik geratenen CDU/CSU formuliert wird". Schlagzeilen wie "Volk gegen Doppel-Staatsbürger" (Deutsche Wochenzeitung), "Putsch gegen das Volk" (Junge Freiheit) oder "Dank dem Doppelpaß geht's jetzt wieder um den Kern der Sache - die Rasse!" (Zentralorgan) streichen die Bedeutung heraus, die der Diskussion um die doppelte Staatsbürgerschaft in rechtsextremen Kreisen beigemessen wird.

Nicht nur DVU, NPD und Republikaner wollen die Union mit ihrer Kampagne unterstützen und bieten die direkte Zusammenarbeit an, auch sogenannte "freie Nationalisten" und "Kameradschaften" fordern dazu auf, an den Ständen der CDU/CSU zu unterzeichnen: "Es spielt keine Rolle, daß auch diese Parteien nur Schaumschläger sind und sie das Ausmaß der Überfremdung maßgeblich mitverschuldet haben. Wenn CDU und CSU ihre Infrastruktur für unsere Zwecke zur Verfügung stellen, dann müssen wir das weidlich ausnutzen." Die "freien Nationalisten Baden-Württemberg" kündigen sogar an, die Stände der CDU "vor den Übergriffen linker und anarchistischer Chaoten und Kommunisten" zu schützen, "um diese Aktion zu einem vollen Erfolg werden zu lassen!" - Nazis als Leibgarde der Christdemokraten. Für das Spektrum rechts von CDU/CSU gibt die "volksnahe" Aktion der Union zudem Anlaß zur Hoffnung, "daß nunmehr die Zeit reif ist für ein gemeinsames Vorgehen gegen eine Ausländerpolitik, die sich immer deutlicher gegen die Interessen unserer Nation richtet", und Neonazis behaupten großmäulig, daß es für die CDU/CSU nur dann ein politisches Überleben gebe, "wenn sie deutsche Politik zusammen mit der NPD und dem Nationalen Widerstand macht". Um ihre Bedeutung für die Diskussion noch einmal zu unterstreichen und die Aufmerksamkeit der Medien zu nutzen, kürten NPD und "freie Nationalisten" das Thema "Doppelte Staatsbürgerschaft" zum Motto eines bundesweiten Aufmarsches in Magdeburg am 27. Februar.

Die Forderungen der Unionsparteien gehen dem rechtsextremen Spektrum jedoch nicht weit genug: Besonders die auf der CDU/CSU-Unterschriftenliste eingefügten Passagen zur "Integration von Ausländern" werden von DVU, NPD, Republikanern und "freien Nationalisten" heftig kritisiert: "Die Unterschriftenaktion der CDU ist Etikettenschwindel", tönen die Republikaner, "CDU-Aktion nur Augenwischerei, da nicht weitgehend genug", erklärt die NPD, und auf dem "Nationalen Infotelefon" kann man hören, daß die CDU "unter dem Druck der Überfremder" immer deutlicher ihr wahres Gesicht zeige. Daraus zog man Konsequenzen - die Republikaner mobilisierten in Hessen BürgerInnen mit eigenen Unterschriftenlisten, auf denen der CDU/CSU-Hinweis "Ja zur Integration" fehlt, und die NPD beschloß Ende Januar auf ihrem Parteitag im sächsischen Mulda, ebenfalls eine eigene Unterschriftenkampagne zu starten, in der neben der Ablehnung der doppelten Staatsbürgerschaft auch "Keine Integration der hier lebenden Ausländer!", die "Abschiebung aller langzeitarbeitslosen Ausländer" und die "Ausgliederung der Ausländer aus dem deutschen Sozialversicherungssystem" gefordert wird.

Damit die parlamentarisch bedeutungslose Unterschriftenkampagne nicht ohne Konsequenzen bleibt, drängt das rechtsextreme Spektrum auf einen Volksentscheid. Die DVU will eine "direkte Demokratie" wie in der Schweiz, und Republikaner-Chef Schlierer fordert in einem offenen Brief an Edmund Stoiber und Wolfgang Schäuble CDU/CSU und SPD dazu auf, den Volksentscheid in die Verfassung aufzunehmen, denn "Furcht vor der Macht des Volkes steht keiner großen Volkspartei gut an". Daß die BürgerInnen sich auch für die doppelte Staatsbürgerschaft aussprechen könnten, ziehen die Rechtsextremen nicht in Betracht. Sie gehen selbstsicher davon aus, daß sich die Mehrheit der Deutschen gegen die "bevorstehende Spaltung der Nation in ,Deutsche` und ,Paßbürger`" aussprechen werde.

Bislang haben die Unionsparteien ein Plebiszit auf Bundesebene aber vehement abgelehnt. Gerade deswegen kritisieren die Rechtsextremen, daß die Union jetzt - aus "wahltaktischen Gründen" - "die Liebe zum eigenen Volk" entdeckt hat, während sie als Regierungspartei bei der Einführung des Euro "heilfroh" gewesen sei, das "Volk" nicht befragen zu müssen. Aber auch der CDU/CSU wird Lernfähigkeit zugestanden, und die Junge Freiheit etwa sieht für die Christdemokraten große Chancen, wenn sich "erfolgreiche Formen der demokratischen Willensäußerung unterhalb des verkrusteten Parteiensystems herausbilden". So müßten die Unionsparteien jetzt den Mut "zu einem politischen Kulturkampf" aufbringen, in dem es um die "Wahrung der Demokratie" gehe. Die CSU scheint in dieser Hinsicht bereit zu sein. Sie versteht sich als "Volkspartei" - eine Bezeichnung, die sie der CDU nicht mehr zugesteht -, die "geistig-politisch die Pflöcke einrammt". Ein Problem, gerade in diesem Moment zu diesem Thema auf die Straße zu gehen, sehen die Christsozialen nicht, schließlich haben "die Linken dies selbst jahrelang in Form von Ostermärschen und Unterschriftenaktionen zu vielen Themen praktiziert. Wenn wir das tun, ist das mindestens genauso gerechtfertigt". (aus Interviews mit CSU-Politikern in der Jungen Freiheit)

Argumentative Unterstützung für ihre Forderung nach einem Plebiszit sucht das braune Spektrum bei dem Staatsrechtler Joseph Isensee, der das geplante Vorhaben der rot-grünen Koalition als "Staatsstreich durch das Parlament" bezeichnet hat, denn die doppelte Staatsbürgerschaft sei eine "obrigkeitsstaatliche Umdefinition außerhalb der verfassungsrechtlichen Befugnisse des Parlaments". Daß die Rechtsextremen dann auf den "Widerstands"-Artikel 20 des Grundgesetzes verweisen, erscheint nur logisch. Und eine Drohung haben sie auch schon parat: "Wenn die Regierenden den Mehrheitswillen mißachten, werden wir andere Saiten aufziehen. Wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wie die Daumenschrauben der Überfremdung pausenlos weitergedreht werden."

Die Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft hat sich unter der Obhut der CDU/CSU längst zu einer rassistischen Mobilisierung des gesamten konservativen, rechten und rechtsextremen Spektrums gegen MigrantInnen und Flüchtlinge entwickelt. Mit dem Entschluß, ihre Politik auf die Straße zu tragen, haben die Unionsparteien den Schulterschluß mit Rechtsextremen und Neonazis zumindest teilweise vollzogen. Die Positionen lassen sich nicht mehr so ohne weiteres voneinander trennen: CDU- und CSU-Politiker verbreiten in der rechtsextremen Jungen Freiheit rassistische Parolen, während sich DVU, Republikaner und NPD bemühen, mit der Forderung nach einem Volksentscheid ein eigenes Profil zu wahren und sich von der Politik von CDU/CSU zumindest in Einzelheiten zu unterscheiden. Einige der fleißig unterschreibenden BürgerInnen auf der Straße haben in den Medien sowieso schon deutlich gemacht, daß es ihnen nicht darauf ankommt, wer die Unterschriftenliste ausgelegt hat - Hauptsache, sie können ihrer rassistischen Furcht vor "Überfremdung" und "Entrechtung der Deutschen" irgendwo Luft machen.

Anna Bartels