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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 424 / 18.3.1999

Deutsches Bier in Afrika

Agenda 2000: Weltmarktstrategien für die Landwirtschaft?

Die Agenda 2000, ein Reformpaket für die Agrar-, Struktur- und Finanzpolitik, gilt als bedeutendste Aufgabe unter der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Gleichzeitig ist sie Projektionsfläche für Hoffnungen und Ängste jeder Couleur. Bundeskanzler Gerhard Schröder will die Nettozahlungen Deutschlands an die EU verringern, um mehr "Beitragsgerechtigkeit" herzustellen. Frankreich lehnt einen möglichen Ausgleich durch eine Kofinanzierung des EU-Agrarhaushalts, dem mit jährlich 80 Milliarden Mark dicksten Brocken im EU-Budget, aus den nationalen Etats kategorisch ab. Doch in einem Punkt sind sich die französische und die deutsche Regierung längst einig: Im Interesse der "internationalen Wettbewerbsfähigkeit" wollen sie die garantierten Preise für Agrarprodukte drastisch herrunterfahren.

Obwohl die Agenda 2000 im Gegenzug direkte Einkommensbeihilfen für insgesamt acht Millionen Landwirte in Europa verspricht, demonstrierten am 22. Februar mehr als 40.000 Bauern aus ganz Europa anläßlich des EU-Agrarministertreffens in Brüssel. Sollte es tatsächlich zu Subventionskürzungen kommen, so ein französischer Sprecher der Bauernorganisation FDSEA, würde das "eine Welle von Zorn auf dem Lande" hervorrufen. Weil viele Landwirte befürchten, trotz der Einkommensbeihilfen reale Verluste hinnehmen zu müssen, haben sie schon mal einen kleinen Vorgeschmack geboten. Ein Teil der Bauern versuchte sich mit Pflastersteinen und abgebrochenen Verkehrschildern den Weg in das von 5.000 Polizisten abgeriegelte Europaviertel der belgischen Hauptstadt zu bahnen. Ob ebenso viele Landwirte den Weg zum "Entscheidungsgipfel" der EU-Regierungschefs Ende März in Berlin finden werden, ist derzeit noch ungewiß.

Der Landwirt als Global Player

"Die Welt ist klein geworden. Jeder spricht inzwischen vom globalen Dorf", versuchte Franz Fischler, EU-Agrarkommissar, im vergangenen Oktober den Bauern auf einer Landwirtschaftskonferenz den Weltmarkt schmackhaft zu machen. Europäische Produkte finde "man heute in fast allen Großstädten der Welt, unsere Biere sogar oft in den abgelegensten Dörfern Afrikas", erklärt er den Landwirten.

Obwohl sich mehr als 80 Prozent des Handels innerhalb des europäischen Binnenmarkts abspielen, schwört der Agrarkommissar vor allem auf die immensen Vorteile der Liberalisierung und Globalisierung für Lebensmittelindustrie und -handel. Seine Rechnung ist einfach: auf dem Binnenmarkt der EU seien - abgesehen von der geplanten Osterweiterung - nur begrenzte Zuwächse bei der Nachfrage zu erwarten, demgegenüber würde die Weltbevölkerung innerhalb der nächsten Jahre voraussichtlich um 85 bis 90 Millionen Menschen wachsen. Nach Ansicht Fischlers alles potentielle Konsumenten für europäische Produkte aus der Nahrungsmittelindustrie.

Fischler spricht sich gegen die bisherige Agrarpreispolitik aus, die nun mit der Agenda 2000 eine einschneidende Wende erfahren soll. Nach den gängigen Regelungen werden aus dem größten Haushaltsposten im EU-Budget vor allem Milchprodukte, Getreide und Rindfleisch mittels Interventionspreisen subventioniert. Diese künstliche Angleichung an das niedrige Weltpreisniveau widerspreche jedoch den Regelungen der Welthandelsorganisation WTO. Außerdem hält die EU angesichts der Osterweiterung die gängige Subventionspolitik für untragbar: Sie würde im Falle eines Beitritts den EU-Haushalt sprengen.

Weltmarkt-Dumping

Auch wenn die Agenda 2000 auf den Weltmarkt orientiert - "globale Verantwortlichkeit" steht nicht auf der Tagesordnung. Das ist zumindest der einhellige Tenor der entwicklungspoltischen Nichtregierungsorganisationen (NGO). "Den einzigen Hinweis, den die Agrarreformvorschläge auf globale Verpflichtungen enthalten, ist der Verweis auf die WTO-Konformität und die in diesem Jahr anstehenden Verhandlungen", so Rudolf Buntzel-Cano im "Kritischen Agrarbericht 1999".

Tatsächlich widerspricht nur die bisherige Unterstützung der EU-Landwirte durch Preisgarantien mittels eines variablen Zolls, staatlicher Interventionslager und Exporterstattungen für die Ausfuhr der produzierten Überschüsse den WTO-Regeln. Einkommensübertragungen in Form von Kuh- und Bullenprämien oder der Flächenförderung pro Hektar und Durchschnittsernte, die im Gegensatz zu den Exporterstattungen nicht an Händler und Molkereien, sondern direkt in die Hände der Landwirte fließen, entsprechen hingegen den WTO-Ausnahmeregelungen.

Doch auch die "direkten Einkommensübertragungen sind nicht handelsneutral und werden in Kombination mit den verbleibenden Interventionszahlungen weiterhin einen Dumpingeffekt auf dem Weltmarkt haben", erklärt Buntzel-Cano. Wie zuvor wird eine hochsubventionierte Landwirtschaft der reichen Staaten - allein 1997 zahlten die Industrieländer 280 Milliarden Dollar - die Produzenten der armen Länder verdrängen.

Die verschuldeten Länder der Dritten Welt können es sich nicht leisten, durch Subventionen ihre Erzeugerpreise unter das Selbstkostenniveau zu drücken. Verbilligte Nahrungsmittel auf den Weltmärkten verdrängen weiter die vor Dumping ungeschützten Bauern in Asien, Afrika und Lateinamerika, deren Länder im Rahmen der Strukturanpassungsmaßnahmen des Internationalen Währungsfonds ihre Zölle für ausländische Produkte abbauen müssen.

Die Folge: Länder der Dritten Welt geben ihre Selbstversorgung mit Grundnahrungsmitteln auf und lassen sich von den billigen Nahrungsmittellieferungen aus Europa versorgen. Preissteigerungen auf dem Weltmarkt, auf die z.B. die EU-Kommission in Zukunft spekuliert, hätten verheerende Auswirkungen. "Die Erfahrungen mit den plötzlichen Getreidepreissteigerungen der Jahre 1994 - 1996 haben diese Gefahr drastisch vor Augen geführt", so das Forum Umwelt und Entwicklung, ein Zusammenschluß entwicklungspolitischer NGOs.

Quotierte Milch

Doch auch in Europa selbst wird die Agenda 2000 langfristig vor allem für die kleinen Landwirte unangenehme Konsequenzen haben. Trotz der Subventionspolitik sind in der EU in den letzten 20 Jahren 6,1 Millionen Arbeitsplätze im Agrarbereich abgebaut worden. Von den produktionsgebundenen Exportzuschüssen der EU, z.B. für Butter und Trockenmilchpulver, haben vor allem Molkereien, verarbeitende Industrie, Händler und indirekt die stark durchrationalisierten Betriebe der intensiven Massentierhaltung profitiert.

Die Neuordnung der Milchpolitik wird als einer der wichtigsten Bestandteile der Agrarreform angesehen und schon seit zwei Jahren von den Bauernverbänden kritisch beobachtet und diskutiert. Im Gegenzug zur Absenkung der Mindestpreise um 15 Prozent bis ins Jahr 2006 will Fischler die EU-weit festgelegte Milchquote erhöhen, in deren Rahmen die Bauern schon jetzt 20 Prozent über dem Milchbedarf des Binnenmarkts produzieren. Die Quote, die langfristig ganz fallen soll, gibt es seit 1984. Die Bauern dürfen nur soviel Milch melken, wie ihnen zugeteilt wurde und erhalten die künftig abgesenkten Garantiepreise von den Molkereien, die wiederum die Ausgleichszahlungen der EU kassieren. Als Ausgleich für die Verluste sollen die Bauern nun in Form von Kuhprämien produktionsunabhängige Zuschüsse erhalten.

Nach einem kurzfristigen Rückgang hofft Fischler auf einen Wiederanstieg der Preise für Butter und Milchpulver auf den Drittlandsmärkten. Sollten die Preise ansteigen, will der Kommissar die Zuschüsse absenken und so den EU-Haushalt sanieren. Der Weltmilchmarkt hat ein Volumen von 30 Millionen Tonnen, das sind lediglich fünf Prozent der Weltmilchproduktion. Mit zwölf Millionen Tonnen ist die EU der größte Exporteur. Allerdings mit einem Produktionspreis von 50 Pfennig pro Liter. Australien und Neuseeland müssen hingegen nur 30 Pfennig pro Liter aufwenden, haben aber ein geringes Produktionsaufkommen: Das Milchvolumen Neuseelands ist etwa mit dem Bayerns vergleichbar.

Die Bauern sehen in den angekündigten Kuhprämien keine Perspektive. "Das gilt generell für die Einkommensübertragungen, denen angesichts früherer Erfahrungen und leerer Haushaltskassen niemand traut", erläutert Wolfgang Reimer, stellvertretender Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), einem Zusammenschluß von klein- und mittelständischen Bauern in Deutschland. Bei soviel Uneinsichtigkeit drohte der EU-Agrarkommissar im Januar des vergangenen Jahres 700 Allgäuer Landwirten auf einer Versammlung: Entweder sie akzeptieren die Weltmarktorientierung und die damit einhergehende Preissenkung, oder die Milchquote müßte um 20-25 Prozent zurückgeschraubt werden.

Angst geht um

Die Proteste der Landwirte gegen die Agenda 2000 sind unterschiedlich motiviert. Der konservative Deutsche Bauernverband, der traditionell die Großbetriebe vertritt, begrüßt zwar die Weltmarktorientierung, stemmt sich aber mit aller Kraft gegen die Absenkung der Garantiepreise. Die AbL schwört auf Binnenmarktorientierung der Agrarproduktion und will sich für ökologische und soziale Kriterien einsetzen.

Allen sitzt die Angst im Nacken, die Verlierer der Agrarreform sein zu können, denn die Direkthilfen werden nach ihrer Einschätzung nicht ausreichen. Doch weil die Produktivität der Massentierhalter größer ist, werden sie länger durchhalten können, vermutet Wolfgang Reimer. Das Höfesterben der vergangenen Jahre und die weitere Konzentration der landwirtschaftlichen Produktion auf wenige Großbetriebe wären die Folge. Ein allmählicher Abbau der Quoten würde ebenfalls zu dieser Entwicklung beitragen.

Kleinbauern in Österreich, von denen viele nur über ein halbes Dutzend Milchkühe verfügen, klagen schon heute, wenige Jahre nach dem Beitritt zur EU, über die Auswirkungen der EU-Agrarpolitik. Allein im Jahr 1998 mußten sie im Vergleich zum Vorjahr Einkommenseinbußen von zehn Prozent hinnehmen. Und die EU-Kommission zeigt sich gegenüber den Kleinbauern von der harten Seite: Wegen angeblichen "Wettbewerbsverzerrungen" untersagte sie dem Land Tirol Kompensationszahlungen von 1,4 Pfennig pro Milchliter für den umständlichen Milchtransport in den Alpentälern. "Wenn das Spiel mit den Märkten so weitergeht, bedeutet das in der alpinen Landwirtschaft, daß wir die Höfe zusperren müssen", so die österreichische Landwirtschaftskammer.

Falsche Hoffnungen

Obwohl zahlreiche Kritiker, vor allem aus dem entwicklungspoltitischen Spektrum, die in der Agenda 2000 angedeuteten Umweltkriterien für ein politisches Ablenkungsmanöver halten, setzt die AbL auf diesen Ansatz der Kommission. In vergangenen Jahren hatte sie die europäischen Agrarreformen noch wegen ihrer Ausrichtung auf den Weltmarkt grundsätzlich abgelehnt.

Die Strategie der AbL, einige positive Instrumente des EU-Vorschlags in den Vordergrund der Debatte zu rücken, stieß bei ihrem Dachverband, der europäischen Bauernkoordination CPE, zunächst auf Unverständnis. Doch mittlerweile sieht auch die CPE, deren Vorstand des öfteren mit Fischler berät, wenig Chancen "für eine Existenzerhaltung über Preise."

Die Alternativen der AbL und CPE sehen eine soziale und ökologische Qualitätsproduktion auf hohem Preisniveau für den EU-Binnenmarkt vor. So könnten auch kleiner dimensionierte Landwirtschaftsbetriebe mehr von ihren Erträgen und weniger von EU-Prämien leben. Gleichzeitig sollen Obergrenzen der EU-Förderung für durchrationalisierte Großbetriebe festgelegt werden. Auch mit sozialen und ökologischen Kriterien für EU-Fördergelder wollen sie der exportsubventionierten Dumpingproduktion der Agroindustrie einen Riegel vorschieben.

Die Grenzen der EU wollen die Bauernorganisationen ebenfalls gegen Dumpingprodukte von außerhalb abgeschottet wissen. In vielen Fällen beruht die Rationalisierung im Landwirtschaftsbereich auf der Anwendung von Antibiotika in Futtermitteln, der chemieintensiven Düngung und Unkrautvernichtung, sowie zunehmend auf Gentechnik.

Almosen für Kleinbauern

Den oben skizzierten Ansatz zur Geltung zu bringen, haben beide Organisationen abgeschrieben. "Man darf und kann nach unseren politischen Erfahrungen von der Kommission nicht erwarten, daß sie eine Politik macht, die den grundsätzlichen AbL-Positionen nahekommt", so der Vorsitzende der AbL, Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf. Auch der CPE-Geschäftsführer Gérard Choplin will "retten, was zu retten ist: Obergrenzen und sozial-ökologische Standards".

Ein paar Brosamen hat die Kommission zu bieten. Neben den Prämien und reduzierten Interventionsfonds will sie einen EU-Fonds "ländliche Entwicklung" einrichten, mit dem neben Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen auch der ökologische Landbau gefördert werden soll. Der Haken: Maximal 10 Prozent des Agrarbudgets sind für die ganze Palette von Maßnahmen zur "ländlichen Entwicklung" vorgesehen.

Die Vorgaben zum Umweltschutz sind im Gegensatz zu den Preissenkungen in der Agenda 2000 nur sehr vage formuliert. Fischler bezeichnet das als "Basisregelung". Tatsächlich sieht der Agendatext vor, jedem EU-Mitgliedsstaat freizustellen, "das von ihm gewünschte Gleichgewicht zwischen intensiver und extensiver Erzeugung festzulegen".

Grüne EU-Parlamentarier befürchten nun, daß die bescheidenen ökologischen Ansätze der Agenda 2000 bei den kommenden Verhandlungen zerrieben werden: Zwischen dem machtvollen Beharren der Agrarindustrie, die bisherige Förderpolitik fortzusetzen, und dem Druck der Sparforderungen aus den Finanzministerien der Mitgliedsstaaten könnte die Ökologie aus der Agenda gestrichen werden.

Die Lobby des Agrarbusiness wird von der Kommission jedoch nicht mit Almosen abgespeist. Bereits Anfang 1998 konnte der Deutsche Bauernverband im Streit um die Agenda 2000 erste Erfolge verbuchen: Die Silo-Mais-Prämie, die zunächst abgeschafft werden sollte, bleibt nun erhalten. Aus diesem Budget gehen allein 50 Prozent der Zahlungen an Höfe mit intensiver Massentierhaltung in Deutschland. Ein Affront gegen die Umweltschützer, die sich für eine Tierhaltung auf der Wiese einsetzen, die ökologischer und arbeitsintensiver ist: Der Silo-Mais ist hingegen eine dünger- und pestizidintensive Ackerfrucht, die von Massentierhaltern an die im Stall lebenden Tiere verfüttert wird.

Agenda und Osterweiterung

"Mit der Osterweiterung wird der Binnenmarkt um 100 Millionen Verbraucher wachsen", jubelte Fischler im Oktober des vergangenen Jahres. Die polnischen Landwirte, zum größten Teil Kleinbauern, sehen derzeit jedoch wenig Grund zum Jubeln. Sie blockieren tagelang wichtige Hauptstraßen des Landes. Ihr Protest richtet sich gegen hochsubventionierte Produkte aus der EU, die den polnischen Markt überschwemmen.

Zum Beispiel Schweinefleisch: Die EU-Bauern steigerten 1998 ihre Produktion um 7 Prozent auf über 202 Millionen Schweine. Mit den Zuschüssen aus Brüssel können sie nicht nur die polnischen Bauern unterbieten, sondern schicken ihre Überschüsse auch noch als kostenlose "Lebensmittelhilfe" nach Rußland und zerstören damit diesen wichtigen Exportmarkt für polnische Landwirte.

Die polnischen Bauern liegen zwar mit einem Anteil von 6,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts über dem Durchschnitt in Europa, doch dazu benötigen sie 4,3 Millionen Menschen, das sind 28 Prozent der arbeitenden Bevölkerung. Mit anderen Worten: Die landwirtschaftliche Produktion in Polen ist unter EU- und Weltmarktkriterien völlig unproduktiv.

Das weiß auch der polnische Agrarminister. Trotzdem will er die polnische Landwirtschaft für den "freien Handel und die freie Konkurrenz" fit machen. Die Chancen stehen denkbar schlecht: Im Rahmen der Assoziierungsabkommen mit den Mittel- und Osteuropäischen Staaten (MOEL) können Exporte aus dem Osten blockiert werden, wenn die Marktanteile von Produzenten im Westen "ernsthaft bedroht sind". Zudem sind die Abkommen mit einer "Meistbegünstigungsklausel" versehen, wonach die MOEL den Beziehungen zu Produzenten in der EU Vorrang einzuräumen haben. Diese Regelung geht auf Kosten des Handels zwischen den MOEL selbst und zerstört so die gewachsenen Handelsbeziehungen.

Die Agenda 2000 sieht keine direkten Subventionen und keine garantierten Preise für Polen und die anderen Anwärter auf eine EU-Mitgliedschaft vor. Lediglich Investitions- und Strukturhilfen in Höhe von einer Milliarde Mark jährlich für alle fünf Beitrittsländer soll es geben. Diese im Vergleich zum EU-Agrarhaushalt bescheidenen Hilfen "können natürlich auch von den Wirtschaftsunternehmen der heutigen EU in Anspruch genommen werden", offeriert Fischler den agrartechnischen Ausstattern und der Chemieindustrie der EU.

Mit den durchrationalisierten und subventionierten Agrarbetrieben der EU kann die Landwirtschaft in Polen nicht mithalten. Im Falle eines EU-Beitritts rechnen Experten mit zwei Millionen Bauern, die in Polen aufgeben müssen. Wolfgang Reimer, stellvertretender Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), bezeichnet den Fingerzeig der EU-Kommission, daß die Erwerbslosen in einer "prosperierenden Industrie Aufnahme finden könnten", als "irrige Annahme". Wahrscheinlicher ist, daß die damit einhergehende Verarmung der neuen EU-Bewohner eine Massenmigration nach Westen auslösen würde.

Deshalb werden die EU-Mitgliedsstaaten nicht müde werden, die Beitrittsperspektiven der Länder wieder und wieder zu bestätigen, um die Vorteile dieses enormen "Verbrauchermarkts" auch heute schon auszunutzen - und gleichzeitig werden sie es tunlichst vermeiden, einen definitiven Beitrittstermin in absehbarer Zukunft zu benennen.

Gerhard Klas