Probleme beim Gipfelsturm
Köln 99: Bündnispolitik, Sektierertum und Geldmangel
Ende Februar stimmte auch das sogenannte "linksradikale" Plenum in Köln seine Planungen und Gegenaktivitäten zum EU- und G7-Gipfel ab. Im Vordergrund stand dabei nicht das Bemühen um Zusammenarbeit mit anderen Protestspektren, sondern der Versuch, eine eigene Position zu finden - in Abgrenzung von Euromarsch und Bündnis Köln 99. Auch die Diskussion um den Aufruf von Bündnis Köln 99 schleppt sich dahin. Ein Erfolg der Gegenaktivitäten wird maßgeblich davon abhängen, wie und ob es in den nächsten Wochen in den Städten und Regionen gelingt, in Bündnissen mobilisierende Aktivitäten zu entwickeln.
Am letzten Februarwochenende tagte in Köln das sechste bundesweite Vorbereitungstreffen linksradikaler, antifaschistischer und autonomer Gruppen gegen den EU- und gegen den Weltwirtschaftsgipfel. Vorrangiges Ziel dieses Spektrums ist es, die Vorbereitungen zu den Gegenaktivitäten für eine linke Strategiediskussion zu nutzen und so strategische Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten. Der Rahmen wird dabei sehr eng gezogen (oder ist vielleicht auch real so eng), und der Bannstrahl des Reformismusvorwurfs trifft alle Kräfte außerhalb dieses begrenzten Rahmens. Im Verlauf des Wochenendes wurde der Versuch unternommen, diesen noch enger zu ziehen; auch die Hälfte des versammelten Plenums wurde insbesondere von Vertretern der Ökolinx als reformistische Unterwanderer geoutet. Wie überhaupt das Auftreten von Ökolinx-AnhängerInnen in krassem Gegensatz stand zu den bündnispolitischen Aussagen des Vertreters des linksradikalen Plenums bei der Beratungskonferenz zum WWG am 6.2. in Köln. Dieser hatte dort erklärt, die Aktivitäten des linksradikalen Bündnisses seien nicht als Gegenaktivitäten, sondern als Ergänzungen zu verstehen.
Ökolinx entlarvt die Reformisten
Das Hauptziel von Ökolinx scheint darin zu bestehen, eine mögliche Zusammenarbeit des linksradikalen Plenums mit dem Euromarschspektrum und dem Bündnis Köln 99 zu hintertreiben. Dabei kommt es ihnen zupaß, daß sie in Köln über eine gewisse Infrastruktur im universitären Bereich verfügen, und damit das versammelte linksradikale Spektrum relativ leicht erpreßbar wird. Anders läßt sich die Nachgiebigkeit des Plenums gegenüber dieser Gruppe kaum erklären. Denn immerhin war das sechste linksradikale Plenum das erste nach der Vorverlegung des EU-Gipfels und der Verschiebung der Euromarschdemo auf den 29. Mai - es hätte also Klärungsbedarf bestanden. Der veränderten Situation wollte ein Großteil der Versammelten Rechnung tragen und den Widerstandskongreß der Linksradikalen zeitlich parallel zum Gegengipfel von Bündnis Köln 99 legen. Getragen war dieser Vorschlag von dem Wissen, daß viele Kräfte aus dem europäischen Ausland - auch und gerade diejenigen, auf die vom linksradikalen Plenum gerne wohlwollend hingewiesen wird - zur Euromarschdemo mobilisieren und am Gegenkongreß von Bündnis Köln 99 vom 30.5. bis 2.6. teilnehmen werden. Mit dem Vorschlag, den linksradikalen Kongreß ebenfalls zwischen den beiden Demonstrationen durchzuführen, wurde der Versuch unternommen, sich und seine Ansprüche ernst zu nehmen. Denn im Vorfeld wurde vom linksradikalen Plenum das ehrgeizige Ziel formuliert, die Diskussion und die Vernetzung mit kämpfenden europäischen Bewegungen zu beginnen oder sie gar zu forcieren.
Ökolinx geißelte statt dessen eine Vorverlegung des Widerstandsgipfels als Unterwanderung durch und Anbiederung an den Euromarsch und hielt an der bisherigen Planung (Kongreß nach der Demonstration am 3. Juni) fest. Nach einem Meinungsbild stand das Treffen kurz vor der Spaltung. Der nach einer Beratungspause gefundene "Kompromiß" ist kein wirklicher, denn der Vorschlag einer gemeinsamen "Scharnierveranstaltung" am 2.6. von Teilen des linksradikalen Plenums und Teilen von Euromarsch war auch unabhängig von dieser Diskussion schon "angedacht" (siehe Einladung zum Treffen). Damit wurde dem Anliegen der Hälfte der Anwesenden nicht Rechnung getragen, im Rahmen eines Gegenkongresses eine Verbesserung der Zusammenarbeit auf europäischer Ebene zu erreichen und zusätzlich Kapazitäten frei zu haben für Gegenaktivitäten an den EU-Gipfeltagen. Es ist keine besonders mutige Prognose festzustellen, daß dieser linksradikale Zusammenschluß den gleichen Weg gehen wird wie so manche andere linke Plenen im Vorfeld von EU- und WWG-Gipfeln. Die strikte und sektiererische Abgrenzungspolitik von den anderen Bündnissen (Euromarsch und Bündnis Köln 99), wie sie insbesondere von Ökolinx forciert wird, wird diesen Werdegang nur beschleunigen. Die linksradikale Diskussion wird dadurch weder inhaltlich noch organisatorisch vorangebracht.
Immerhin ruft das linksradikale Plenum zur Beteiligung am revolutionär-antifaschistischen Block (im wesentlichen wohl von der AA/BO organisiert) der Euromarschdemo am 29.5. auf. Der Schwerpunkt soll aber auf der Mobilisierung zur Demo am 3.6. und auf dem sich anschließenden Widerstandsgipfel liegen. Die thematische Ausrichtung des Widerstandsgipfels muß allerdings zusammengekürzt werden, da durch den Rückzug der AA/BO und deren Orientierung auf die Demo am 29.5. und eine eigene Veranstaltung am 30.5. das Forum Antifaschismus gefährdet ist; ebenso das Forum Rassismus und das Forum Patriarchat, Sexismus und Bevölkerungspolitik. Gesichert sind bisher die Foren Ökonomie, EU-Imperialismus/Kolonialismus, Repression/Konterrevolution und Ökologie/Neue Technologien. Eine größere internationale Beteiligung an diesem Widerstandsgipfel scheint bisher noch nicht sicher zu sein. (1)
Auffällig bei diesem linksradikalen Plenum war, daß eine kritische Hinterfragung des eigenen Agierens kaum angesagt war bzw. recht schnell gedeckelt wurde. So bleibt vollkommen unklar, warum nicht versucht wurde, sich stärker inhaltlich und organisatorisch an der Gestaltung der Demonstrationen am 29.5. und am 19.6. zu beteiligen und integraler Bestandteil eines Gegengipfels zu werden. Wenn dies vorrangig auf das Agieren von einzelnen Vertretern von Ökolinx zurückzuführen ist, wirft dies kein besonders gutes Licht auf den Zustand der "Szene". Vielleicht gelingt es in den nächsten Wochen noch, eine bessere Zusammenarbeit zu organisieren. Bündnis Köln 99 hat mit Sicherheit genausowenig die Türen geschlossen, wie das Euromarschspektrum.
Bleiberecht nur für
"gute" MigrantInnen?
Wasser auf die Mühlen der Abgrenzer könnte allerdings die Diskussion um den Aufruf zu den Gegenaktivitäten von Bündnis Köln 99 sein. Eigentlich war schon alles auf den Weg gebracht (auch die ak-Redaktion hatte einen vorliegenden Entwurf unterstützt), als sich Vertreter von WEED und BUND bemüßigt fühlten, die Diskussion neu aufzurollen. Ihnen waren Forderungen nach Schuldenstreichung und Reparationszahlungen für die Folgen von Kolonialismus/Neokolonialismus bzw. die Forderung nach "Bleiberecht für alle" plötzlich zu weitgehend. Mit der Argumentation, der Aufruftext sei zu links, deshalb sollten die Forderungen nicht zu radikal sein, wurde versucht die eigenen Änderungswünsche durchzusetzen. Insbesondere die Forderung des BUND, im Forderungskatalog das "Bleiberecht für alle" zu streichen, wird nicht verhandlungsfähig sein. Daß sie in der Frage des Bleiberechts plötzlich eine Klassifizierung von MigrantInnen in gut und böse vornahmen, und das ausgerechnet bei Protestaktionen gegen die Auswirkungen der Politik der führenden Wirtschaftsnationen, sollte den Antragstellern - wenn sie genauer überlegen - zumindest die Schamesröte ins Gesicht treiben. Richtigerweise wird sich eines der drei Schwerpunktthemen des alternativen Weltwirtschaftsgipfels mit dem Thema Migration befassen. "Wir sind hier, weil ihr dort seid" ist eine Diskussionsrunde überschrieben, bei der MigrantInnen ihre Forderungen erheben und ihre Kämpfe darstellen.
Trotz dieser Dissonanzen konnten bisher wesentliche Fragen des Gegengipfels und der Demonstration/Kundgebung gemeinsam geklärt werden. So kristallisiert sich heraus, daß auf der Abschlußkundgebung am 19.6. der Nobelpreisträger Wole Soyinka, von den Sans Papiers aus Frankreich Madjiguène Cissé und für die Erlaßjahrkampagne ein Bischof aus Lateinamerika sprechen werden. Mitte April und Mitte Mai wird noch jeweils eine Mobilisierungszeitung gedruckt (4 Seiten, bisher geplante Auflage: 50.000) geben; zur besseren Planung sollten die Zeitungen möglichst umgehend bestellt werden. Im April wird der Schwerpunkt bei der EU, in der Mai-Ausgabe beim WWG liegen.
Das größte Problem ist zur Zeit die Finanzierung des Büros von Bündnis Köln 99. Die Spendenaufrufe sind sehr ernst gemeint, denn die weitere Finanzierung ist nicht abgesichert. Für die weitere Mobilisierung wäre es mehr als hinderlich, wenn die Arbeit des Büros eingeschränkt werden müßte.
Georg Wißmeier
Anmerkung:
1) Der von dem Treffen nach langwierigen Verhandlungen verabschiedete vierseitige Aufruftext mit dem Titel "Gegen das Europa der Herrschenden!" ist im Internet unter www.uni-koeln.de/studen ten/asta/internat/eu-wwg-docs.html nachzulesen.
Spenden für die Aktionen von Bündnis Köln 99 an:
Bündnis Köln 99, Kt-Nr. 13 23 20 87; Stadtsparkasse Köln, BLZ: 370
501 98
Kontakt: Bündnis Köln 99, Körnerstr. 69, 50823 Köln, Fon:
0221-9520008, Fax: 0221-9520077,
e-mail: koeln99@GMX.NET