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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 425 / 15.4.1999

Gute Serben, böse Albaner

Gewöhnlicher Rassismus und linke Verschwörungstheorien

Der Feind meines Feindes ist mein Freund - nach dieser simplen Devise verfahren etliche linke Kommentatoren auch bei der Bewertung des Kosovo-Konflikts. Ihre uneingeschränkte Sympathie gilt den Serben, die in der Tat Opfer sind - Opfer der Hetze und Verteufelung, Opfer terroristischer Anschläge der UCK und seit dem Beginn der NATO-Intervention Opfer von Bomben und Raketen. Daß zumindest serbische Soldaten und Polizisten seit Jahren auch Täter sind, wird schweigend übergangen oder offensiv geleugnet. Ursachen und Verlauf des Konflikts sind in den einschlägigen Betrachtungen ebensowenig Thema wie die Verbrechen gegen die albanische Bevölkerung des Kosovo.

Besonders borniert ist die Perspektive derjenigen Linken, die früher "Revis" genannt wurden: Bewunderer des "realen Sozialismus", die ihre schematische Weltsicht in das Jahr 1999 hinübergerettet haben. Offensichtlich ist für viele von ihnen die von Serbien dominierte Bundesrepublik Jugoslawien als Identifikationsobjekt an die Stelle der "friedliebenden Sowjetunion" getreten. Wer so unkritisch Partei ergreift, diskreditiert nicht nur sich selbst, sondern schadet auch der ohnehin viel zu schwachen Protestbewegung gegen den Krieg der NATO.

In der folgenden Presseschau sind ausschließlich Texte berücksichtigt, die vor Kriegsbeginn erschienen; für unkritische Solidarisierung mit Serbien nach Beginn des ungleichen Kampfes wären mildernde Umstände zuzubilligen.

In der Wochenzeitung der DKP, Unsere Zeit, werden die jugoslawischen Konfliktparteien besonders einprägsam charakterisiert - laut UZ stehen sich im Kosovo Terroristen und Ordnungshüter gegenüber: "Die UCK-Terroristen versuchen, die NATO-Intervention regelrecht herbeizumorden"; so wollen sie "die Bundesrepublik Jugoslawien an der Ausübung legitimer Hoheitsrechte eines souveränen Staates hindern." Daß die Soldaten dieses Staates - in Ausübung seiner Hoheitsrechte - auch gewaltsam gegen die kosovarische Zivilbevölkerung vorgehen, wird nicht erwähnt, und andere albanische Gruppierungen als die UCK kommen nur in Gestalt der "reaktionärsten Kräfte des Albanertums" vor. Die Serben dagegen verteidigen lediglich ihre Heimat: Sie "werden sich nicht kampflos ein Landstück entreißen lassen, in dem Kirchen und Klöster von den Ursprüngen ihrer nationalen Identität zeugen." (UZ, 19.3.)

Im Neuen Deutschland (Titelseite vom 11.3.) werden die Schuldigen ebenso eindeutig benannt: "Die von den Gewaltseparatisten der UCK immer wieder provozierten Kämpfe mit der jugoslawischen Armee lassen die serbische Provinz nicht zur Ruhe kommen", steht zum besseren Verständnis neben einem Bild, auf dem fliehende Kosovo-Albaner zu sehen sind. Insgesamt diplomatischer formuliert Gastkolumnist Hans Modrow. Abenteuerlich allerdings ist seine Gleichsetzung der Verhandlungen auf Schloß Rambouillet mit der Münchner Konferenz von September 1938: "Wohin es führt, wenn das Völkerrecht außer Kraft gesetzt und durch das Faustrecht ersetzt wird, zeigte einst München, als ein souveräner europäischer Staat, die Tschechoslowakei, zerschlagen wurde - ein Menetekel." (ND vom 20.3., ebenfalls auf der Titelseite: "Kosovo und das Menetekel von München")

Die Berliner Tageszeitung junge Welt beschäftigt sich ausgiebig mit dem Massaker von Racak, bei dem am 15. Januar dieses Jahres 45 Menschen getötet wurden - albanische Zivilisten, die von Serben ermordet worden seien, wie OSZE-Missionschef William Walker und die westlichen Medien ohne nähere Untersuchung der Umstände sogleich behaupteten. In der jW werden nun nicht nur Zweifel an dieser Version formuliert; vielmehr dreht man den Spieß einfach um und suggeriert eine Inszenierung durch die UCK: "Nach dem in Bosnien erprobten Vorbild kam es dann auch am 15. Januar 1999 zu dem ,Massaker` von Racak... Danach lief eigentlich alles nach Plan..." (jW, 1.3.) Selbst wenn man den unwahrscheinlichen Fall unterstellt, bei den Toten von Racak handelte es sich ausnahmslos um eigens dort zur Schau gestellte, als Zivilisten kostümierte UCK-Kämpfer - der Verweis auf das "in Bosnien erprobte Vorbild" wäre selbst dann ein bodenloser Zynismus: Die dort begangenen Massaker erscheinen so als perfide Inszenierungen zur Diskreditierung der zu Unrecht beschuldigten Serben; die (unterstellte) Inszenierung von Racak wäre nur ein kleiner Beitrag zur großen antiserbischen Verschwörung. Um dem ungläubigen Publikum derlei Zumutungen näherzubringen, verzichtet man auch nicht auf rassistische Zuschreibungen. jW-Redakteur Werner Pirker kennt sie gut, die abgrundtiefe Bosheit der Kosovo-Albaner: "Zur Erinnerung (?) sei noch erwähnt, daß immer dann, wenn fremde Heere die Balkanvölker unterjochten, sie unter den Kosovo-Albanern eifrige Kollaborateure fanden." (jW, 20.3.)

Vergleichsweise sachlich und informativ war die Berichterstattung der jW-Abspaltung Jungle World. Deren Mitherausgeber Jürgen Elsässer plazierte seinen Artikel über die "Drahtzieher der Kosovo-Connection" lieber in der Märzausgabe von konkret. Die Überschrift sagt schon fast alles: "Drogen und Deutschmark. Wie die albanische Mafia mit deutscher Hilfe zur UCK wurde." Als wichtigsten Zeugen der Anklage zitiert Elsässer gleich im ersten Satz einen Beamten des Belgrader Innenministeriums: "Die albanische Mafia und die sogenannte Befreiungsarmee Kosovo haben keine Berührungspunkte - sie sind ein und dasselbe...". Die im zweiten Teil des Artikels zusammengetragenen Indizien für eine deutsche Einmischung zugunsten der UCK wären, wenn sie zutreffen, schlimm genug. Statt ihnen nachzugehen rührt Elsässer sie mit Geschichten über eine direkte Steuerung der UCK durch das Bonner Verteidigungsministerium zusammen. Er endet bei 1,2 Mio. DM deutscher Flüchtlingshilfe an Albanien, die planvoll der UCK in die Hände gespielt worden seien: "Der Kampf konnte weitergehen."

Schon Anfang der 90er Jahre interpretierte konkret den jugoslawischen Bürgerkrieg ausschließlich als Produkt imperialistischer (vorzugsweise deutscher) Aufhetzung; Wolfgang Pohrt formulierte seinerzeit: "Erst hatte man Kroaten, Serben, Muselmanen etc. wie Kampfhunde aufeinander scharf gemacht... Dann schloß man die Verhetzten in der Arena ein, und was kommen mußte, ließ nicht lange auf sich warten." Verglichen mit solchen rassistischen Tiraden ist Elsässers Artikel eine Verschwörungstheorie der harmloseren Sorte. Sie wird vermutlich in allernächster Zeit überboten werden.

Js.