Frieden - marsch!
Wie praktisch, daß es sie noch immer gibt: Die guten alten Ostermärsche der Friedensbewegung. Wenn ein die Menschen im Lande aufwühlender Krieg so terminiert beginnt, daß Ostern vor der Tür steht, hat man gleich alles für die Protestdemos parat. So auch heuer im Falle des Nato-Angriffskrieges gegen die Bundesrepublik Jugoslawien. An 150 Orten in der Republik fanden Ostermärsche statt; in Strasbourg gab es erstmals einen gemeinsamen deutsch-französischen Friedensmarsch.
Die OrganisatorInnen konnten TeilnehmerInnenzahlen vermelden, die weit über denen der Vorjahre lagen: Mehr als 10.000 in Berlin, 9.000 in Frankfurt/Main, 7.000 in Hamburg, 5.000 in Wittstock in der Freien Heide. Viele alte FriedenskämpferInnen aus den Hochzeiten der Friedensbewegung in den 80er Jahren waren wieder dabei; aber auch erfreulich viele junge Leute, SchülerInnen und Studierende beteiligten sich.
Die Märsche standen ganz im Zeichen des Protests gegen die Nato-Aggression. Kundgebungsrednerinnen und -redner verurteilten die Nato-Luftangriffe als Verstoß gegen Völkerrecht und Verfassung, prangerten insbesondere die deutsche Beteiligung an dem Krieg an, die angesichts der von der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg auf dem Balkan verübten Verbrechen besonders schändlich sei, und taten ihre Überzeugung kund, daß durch die Luftangriffe das Leiden der Menschen in der Kriegsregion nicht gemildert, sondern im Gegenteil weiter verstärkt werde. Auch die Vertreibungspolitik des Milosevic-Regimes wurde von zahlreichen RednerInnen angeklagt. In Resolutionen wurde der sofortige Stopp aller Kampfhandlungen in Jugoslawien gefordert.
Auf zahlreichen Transparenten und Schildern gaben MarschiererInnen auch ihrer Enttäuschung darüber Ausdruck, daß gerade eine rotgrüne Regierung Deutschland erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg wieder in einen Angriffskrieg geführt hat. So manche/r outete sich als Rot- oder Grün-Wählerin und versprach, das nie wieder tun zu wollen. Die PDS hatte es da leicht, sich als einzige konsequente Antikriegspartei mit einem parlamentarischen Arm zu profilieren; Grüne hingegen sahen sich (wie vor einigen Nummern in dieser Zeitung bereits vorausgesagt) in die Rolle der Jusos zu Helmut Schmidts Zeiten gedrängt und mußten gegen ihre eigene Partei- und Fraktionsführung demonstrieren. Grüne RednerInnen auf den Kundgebungen mußten denn auch Spott und Häme und die Aufforderung zum Parteiaustritt über sich ergehen lassen.
Mancherorts stellten serbische NationalistInnen, die sich den Ostermärschen anschlossen, ein Problem dar. Denn die große Mehrheit der OstermarschiererInnen wollte zwar hauptsächlich gegen die NATO-Aggression und für einen sofortigen Stop der Bombardierung Jugoslawiens demonstrieren, zugleich aber auch gegen die kriegstreiberische und menschenverachtende Vertreibungspolitik des Milosevic-Regimes gegenüber der albanischen Bevölkerung des Kosovos. Das aber war nicht Intention der serbischen NationalistInnen, die gegen die Nato und für Milosevic auf die Straße gingen. Eine Abgrenzung von diesen mit nationalistischen Parolen und jugoslawischen und serbischen Fahnen auflaufenden "BündnispartnerInnen" war nicht immer einfach und ließ anscheinend bisweilen an Deutlichkeit zu wünschen übrig. Die Friedenskräfte sind gut beraten, aus den diesbezüglichen Erfahrungen der Ostermärsche für die in nächster Zukunft anstehenden Antikriegs-Aktionen ihre Schlüsse zu ziehen und sich klar vom serbischen Nationalismus zu distanzieren.
Vo