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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 427 / 10.6.1999

Konservativ - reaktionär - faschistoid

Wo steht die "Deutsche Burschenschaft" in den neunziger Jahren?

Die bundesdeutschen Universitäten der neunziger Jahre sind nicht länger Bastionen der (radikalen) Linken. Eine Studie von Infratest kam 1995 zu dem Ergebnis, daß sich ein Viertel der befragten Studierenden in einer "autoritären, fast schon antidemokratischen Gedankenwelt" bewegte. Dieses Ergebnis wurde von einer 1996 durchgeführten Untersuchung des Instituts für Sozialforschung bestätigt: 13% der Befragten wurden von den WissenschaftlerInnen der extremen Rechten zugeordnet, 10% den Neokonservativen. Die Studie ergab zudem, daß 25% an elitären Einstellungen festhielten und 16% nationalistischen Ideologemen nicht ablehnend gegenüberstanden. 45% erklärten sich bereit, Nationalitäten aufzulisten, die sie nicht mochten.

Ein deutliches Zeichen sind auch die guten Ergebnisse rechter Listen bei den Wahlen zum Studierendenparlament. Vor allem studentische Verbindungen spielen für die Renaissance nationalistischer Politik an den Hochschulen eine zentrale Rolle. In nahezu allen rechtsintellektuellen Zirkeln und rechtskonservativen Listen - vor allem im RCDS (Ring Christlich-Demokratischer Studenten) - finden sich Korporierte. Oft werden ihre Häuser von (noch) radikaleren Rechten als Veranstaltungsorte genutzt.

Um den politischen Einfluß der Verbindungen einschätzen zu können, ist ein Blick auf ihre zahlenmäßige Stärke aber unzureichend, da zahlreiche Korporierte wichtige Positionen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft bekleiden. So trafen sich im Oktober 1988 auf einem Interkorporationsworkshop von Waffenstudenten aus der Industrie in Frankfurt am Main Führungs- und Nachwuchskräfte aus der Wirtschaft mit Politikern, um zu ermessen, wie groß der politische Einfluß der studentischen Korporationen sei. Dort wurde geschätzt, daß sich von insgesamt 160.000 Korporierten 40.000 in Führungspositionen befänden.

Karrierehilfe Deutsche Burschenschaft

Die Deutsche Burschenschaft ist eine der einflußreichsten burschenschaftlichen Dachverbände. Ihr jährlicher "Burschentag" auf der Wartburg bei Eisenach wird häufig von führenden konservativen Politikern besucht: In diesem Jahr sprach Altbundeskanzler Helmut Kohl, 1996 kam Alfred Dregger, Ehrenvorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, 1992 rief Hans Klein, Vizepräsident des Deutschen Bundestages, die "Burschen heraus!", und Wolfgang Schäuble sprach über "Das Wartburgfest - Wegmarke auf dem Weg zur Demokratie". Die Reden und Grußwörter wurden in den Burschenschaftlichen Blättern publiziert. Hier stehen CDU/CSU-Politiker Seite an Seite mit Rechtsextremen wie Ulrich Kopp - er mußte die Redaktion der Jungen Freiheit räumen, weil er zu weit rechts stand - oder Hanns Göttl, der in den Blättern ein Deutschland von der Maas bis an die Memel und von der Etsch bis an den Belt herbeiwünschte. Dieser "rechte Pluralismus" schlägt sich aber nicht nur in den Artikeln der Burschenschaftlichen Blätter nieder, sondern äußert sich auch in Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Mitgliedsbünden.

"Konservativ" und "liberal"?

Die politischen Differenzen in der Deutschen Burschenschaft werden von zwei Flügeln repräsentiert, die sich selbst "konservativ" und "liberal" nennen. Sie werden im folgenden als der rechte und der konservative Flügel bezeichnet, weil die Selbstbezeichnungen über den eigentlichen Charakter ihrer Ideologien hinwegtäuschen. Der institutionelle Kern des rechten Flügels ist die sogenannte Burschenschaftliche Gemeinschaft, ein Zusammenschluß besonders rechtsstehender Bünde. Ihre politischen Äußerungen haben oft faschistoide Untertöne, ihre Position ist gekennzeichnet durch ein weitgehendes Mißtrauen gegenüber der NATO und der "Westbindung". Auch die EU und der EURO werden von den rechten Bünden abgelehnt, der Vertrag von Maastricht gilt ihnen als "Beherrschungsvertrag über Deutschland". Die Argumentation des rechten Flügels trägt häufig revisionistische Züge - so wird die Debatte um die Kriegsschuldfrage immer wieder aufgeworfen, die Verbrechen der SS und der Wehrmacht werden relativiert. Außerdem befürworten sie einen großdeutschen Staat unter Einschluß von Österreich, Südtirol und dem Gebiet um Kaliningrad. Verbandsintern hält der rechte Flügel an der Pflichtmensur und dem Ausschluß von Kriegsdienstverweigerern fest.

Der konservative Flügel wird seit 1994 durch den Hambacher Kreis repräsentiert. Dessen Ansichten können am rechten Rand des bürgerlich-demokratischen Konservatismus verortet werden. Sie bekennen sich zu den westlichen Verbündeten, der NATO und der EU, den bestehenden deutschen Grenzen und zu den liberalen, demokratischen Traditionen der Urburschenschaft.

Etwa ein Drittel der Beiträge in den Burschenschaftlichen Blättern enthält Inhalte des rechten Flügels. Die verbleibenden zwei Drittel können aber keineswegs durchgehend dem konservativen Flügel zugerechnet werden, denn ein großer Teil beschäftigt sich mit Brauchtum und Traditionen. Zudem gibt es unter diesen zwei Dritteln auch eine Reihe von Artikeln, die eine multikulturelle Gesellschaft ablehnen, eine Elitenideologie propagieren oder scharf antikommunistische Töne transportieren. Dies sind zwar eindeutig rechte, innerhalb der Deutschen Burschenschaft aber durchaus allgemein akzeptierte Standpunkte.

Völkischer Nationalismus

Ihren Konsens finden die beiden Flügel in einem "volktumsbezogenen Vaterlandsbegriff", nach dem sich die deutsche Nation "unabhängig von staatlichen Grenzen" definiert und überall dort zu finden ist, wo Deutsche leben oder historisch gelebt haben. Österreich wird im allgemeinen als Teil der deutschen Nation gesehen, weshalb sich die Deutsche Burschenschaft auch nach Österreich erstreckt. Auch das Motto der Deutschen Burschenschaft "Freiheit - Ehre - Vaterland", der erklärte Glaube an die nationalen Traditionen der Burschenschaft, die Ablehnung einer multikulturellen Gesellschaft und die Selbstidentifikation als "Waffenstudenten" und "Elite" und ein militanter Antikommunismus einen die verschiedenen Strömungen des Dachverbandes.

Verbandsinterne Konflikte

Die Mehrheit der Deutschen Burschenschaft zieht weiter nach rechts. Aber sie stößt dabei auf verbandsinterne Widerstände. Die Spannungen zwischen den beiden Fraktionen erreichten 1996 ein Ausmaß, das zum Teil den gesamten Verband paralysierte. So beklagte ein Autor, daß es heute Feindbilder innerhalb des Verbandes gebe, die ein gemeinsames Diskutieren auf dem Burschentag verunmöglichten. Im Januar 1996 schieden acht Burschenschaften des konservativen Flügels aus der Deutschen Burschenschaft aus, um einen neuen Dachverband zu gründen: die Neue Deutsche Burschenschaft. Ihre Abgrenzung von der Deutschen Burschenschaft begründeten sie unter anderem wie folgt: "Die Staatsgrenzen Deutschlands stehen für uns seit dem 3. Oktober 1990 fest."

In der Deutschen Burschenschaft selbst wurde der Streit über die Mitgliedschaft von Kriegsdienstverweigerern und die Pflichtmensur immer hitziger. Im Juli 1996 setzte der Hambacher Kreis vor dem Rechtsausschuß der Deutschen Burschenschaft durch, daß die Mitgliedschaft von Kriegsdienstverweigerern in Ausnahmefällen mit der Satzung vereinbar sei. Allerdings gelang es dem konservativen Flügel nur knapp, eine Dreiviertelmehrheit für die Wiedereinführung der Pflichtmensur als Verbandsprinzip zu verhindern. Schließlich wurde eine der radikalsten Verbindungen des gesamten Verbandes, die Olympia Wien, zur Vorsitzenden Verbindung des Jahres 1996/97 gewählt. In den 60er Jahren war die Olympia Wien in Österreich verboten, weil sie für eine Serie von Bombenanschlägen auf italienische Einrichtungen in Südtirol verantwortlich war. Während ihres letzten Verbandsvorsitzes 1989/90 schlug sie unter anderem vor, die Wiedervereinigung Deutschlands auf die Annexion Österreichs und großer Gebiete Polens "auszuweiten".

Obwohl der rechte Flügel der Deutschen Burschenschaft eindeutig national-chauvinistische und imperialistische Ziele verfolgt, kann man ihn nicht genau klassifizieren - er vertritt nicht offen faschistische Ideale. Sicher ist er aber Teil der völkischen Rechten. Inwieweit die Deutsche Burschenschaft als Ganzes eine völkisch-nationalistische Ideologie vertritt, kann in Anlehnung an verschiedene Kernideologeme ermittelt werden, die Helmut Kellershohn für die Junge Freiheit entwickelt hat:

Die Gleichsetzung von Volk und Nation und die Idee einer nach völkisch-rassischen Kriterien homogenen Nation ist bei der Deutschen Burschenschaft Konsens. Zwar sind die dort propagierten Ideen zunächst einmal nicht biologistisch oder "rassisch". Die Burschenschaftler benutzen einen kulturalistischen Ansatz, d.h. sie sprechen von Sprache und Kultur, um das deutsche Volk - und seine Feinde - zu definieren. Doch diese Kulturidee hat ähnliche Eigenschaften wie "Rasse". Es ist eine statische Gemeinschaft, in die Menschen hineingeboren werden und die sie nicht ändern können. Ihre "Reinheit" wird durch fremde Einflüsse gestört. Die autoritären Tendenzen der Deutschen Burschenschaft werden insbesonder durch militärischen Traditionen wie die Mensur verkörpert. Der Dachverband vertritt eine merkwürdige Mixtur aus elitären Ideen, autoritären Riten und demokratischen Formen der Entscheidungsfindung. Alle wesentlichen Entscheidungen der Burschenschaften werden diskutiert und abgestimmt. Aber es ist eine Demokratie der wenigen: Weiße, deutsche, kriegsdienstleistende Akademiker, deren Bereitschaft zur Unterordnung unter die Regeln des Bundes durch Mensurenschlagen und endloses Trinken auf Befehl getestet wird. Die Vorstellung von Demokratie, die aus dieser Mischung resultiert, ist elitär und völkisch, mit einem starken Einschlag von Untertanengeist. Die staatliche Ordnung in der Bundesrepublik wird in der Regel nicht in Frage gestellt, in Einzelfällen allerdings von einer "Unterwerfung" unter die "Freiheitlich demokratische Grundordnung" gesprochen. Die Deutsche Burschenschaft erwartet von ihren Mitgliedern, "ihr Volk mit der Waffe zu verteidigen". Aus diesem Grunde wurde die Aufnahme von Wehrdienstverweigerern lange Zeit völlig ausgeschlossen. Auch die Mensur - nichts anderes als ein männlich-militaristisches Opfer- und Initiationsritual - steht in dieser Tradition. Die außenpolitischen Konzeptionen der Deutschen Burschenschaft orientieren sich ausschließlich an den Interessen der "deutschen Nation", wie sie der Dachverband versteht - unter Einschluß Österreichs und der deutschen Minderheiten in Osteuropa. Das Völkerrecht wird diesem Ziel nachgeordnet. Außenpolitik ist in den Konzeptionen der Deutschen Burschenschaft im wesentlichen Machtpolitik.

Der Grundkonsens der Deutschen Burschenschaft, ihr "volkstumsbezogener Vaterlandsbegriff", ist eines der wesentlichen Elemente des völkischen Nationalismus. Die ideologischen Standpunkte des Dachverbandes können aber nicht dem "Völkischen Nationalismus" in seiner faschistischen Auslegung zugerechnet werden. Dafür fehlt es insbesondere an einer Betonung biologistischer (Rasse-)Konzepte und der Propagierung einer Führerideologie. Auch die Volksgemeinschaftsideologeme werden eher implizit vertreten. Eindeutig sind militaristisches Selbstverständnis ("Waffenstudenten"), Opferideolgie ("dem Vaterland dienen"), chauvinistische außenpolitische Konzepte, Elitedenken, und ein kulturalistisches, homogenisiertes Verständnis von "Deutschtum". Eine derartige Grundhaltung liegt zu wesentlichen Teilen rechts des bürgerlich-demokratischen Spektrums. Der rechte Flügel steht politisch in der Tradition der antidemokratischen, traditionell ausgerichteten Deutsch-Nationalen, die Hitler 1933 mit an die Macht brachten. Radikale Vertreter dieses Gedankengutes wird man als Faschisten bezeichnen müssen.

Hans Grabenhorst