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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 429 / 26.8.1999

Multis und der schmutzige Krieg

Große Geschäfte und staatlicher Terror in Kolumbien

In keinem anderen lateinamerikanischen Land wird die Opposition heute so brutal verfolgt wie in Kolumbien. Schon seit Anfang der 80er Jahre wüten die Todesschwadrone, und zuletzt hat sich die Situation weiter verschärft: Die mit der Armee liierten und hauptsächlich von Viehzüchtern und Drogenhändlern finanzierten paramilitärischen Gruppen haben allein in den ersten vier Monaten 1999 knapp 100 Massaker verübt. Nachdem die Guerilla in den letzten Jahren überraschend erstarkt ist, will die Oberschicht offensichtlich die soziale Basis der Aufständischen jetzt regelrecht ausradieren. Der Terror hat System: Die Motorsäge ist zur Kriegswaffe der Todesschwadrone avanciert.

Obwohl es in der internationalen Berichterstattung oft den Anschein hat, Gewalt sei so etwas wie "eine soziokulturelle Eigenheit" des Landes, gibt es eine starke internationale Komponente bei der Situation in Kolumbien. Ausländische Militärberater spielten beim Aufbau der paramilitärischen Gruppen von Anfang an eine Schlüsselrolle. So holte der Verband der Bananenunternehmer UNIBAN 1986 - 87 eine Gruppe Ausbilder um den israelischen Söldner Yair Klein ins Land. Der ehemalige Geheimdienstagent, der 1988 auch die nicaraguanische Contra trainiert hatte (und nach Angaben der Tageszeitung El Espectador zehn Jahre später beim Sturm auf die Hauptstadt von Sierra Leone in Westafrika als Militärberater wieder auftauchte) war von Ytzhak Maerot Shoshani, dem Vertreter einer israelischen Rüstungsfirma beim kolumbianischen Verteidigungsministerium, an UNIBAN vermittelt worden. Klein und seine Leute unterrichteten 1988 Paramilitärs aus ganzen Kolumbien in verschiedenen Mordtechniken und erhielten dafür 800.000 US-Dollar, die von der rechtsradikalen Tradición, Familia y Propiedad (dt. Tradition, Familie und Eigentum), UNIBAN und einigen Drogenhändlern bezahlt wurden.

Weitere Spuren führen zur US-amerikanischen Militärschule School of Americas nach Fort Benning/Georgia. Nach 1998 vorgelegten Angaben der US-Kongreßabgeordneten Kennedy und Torres sind 124 der 247 wegen Menschenrechtsverletzungen belasteten kolumbianischen Offiziere auf der School of Americas trainiert worden. Tatsächlich werden in den spanischsprachigen Feldhandbüchern, mit denen die US-Army lateinamerikanische Offiziere ausgebildet hat, Anweisungen gegeben, wie bei Geheimdienstaktivitäten mit "Einschüchterung, Kopfgeldern für getötete Feinde, Schlägen, willkürlichen Verhaftungen, Exekutionen und einem Wahrheitsserum" gearbeitet werden könne (Untersuchungskommission des US-Verteidigungsministeriums; zit. nach Washington Post, 29.9.1996).

Im Sommer 1998 entlarvte die Washington Post zudem den kolumbianischen Geheimdienstkoordinator Iván Ramírez, der als enger Vertrauter des Paramilitärkommandanten (und mutmaßlichen Drogenhändlers) Carlos Castaño Gil gilt, als Gehaltsempfänger des CIA. Ramírez, der 1983 in Washington Geheimdienstkurse besucht hatte und 1986 - 88 das Kommando über die XX. Brigade (einer Geheimdiensteinheit der kolumbianischen Armee) innehatte, wurde 1992 - unmittelbar nachdem US-Berater Vorschläge für eine Restrukturierung der kolumbianischen Geheimdienstarbeit entwickelt hatten - zum Chef der Armeegeheimdienste ernannt.

Zu den Anschuldigungen der Washington Post, die führende Rolle Ramírez im schmutzigen Krieg sei lange bekannt gewesen, hieß es im US-Verteidigungsministerium lapidar, man "habe gewußt, daß Ramírez ein bad guy gewesen sei, aber mit wem sonst hätte man zusammen arbeiten sollen?" (Washington Post, 12.8.1998) (...)

Multinationale Auftraggeber

Derartige Geheimdienstaktivitäten mögen nicht sonderlich überraschen. Sehr viel weniger bekannt ist, daß auch zahlreiche multinationale Betriebe sowie eine Reihe internationaler Sicherheitsunternehmen in den schmutzigen Krieg in Kolumbien involviert sind. Als erster Fall wurde die Beteiligung der Erdölkonzerns Texaco am Aufbau paramilitärischer Gruppen in der zentralkolumbianischen Region ab 1983 bekannt. Nach Angaben von MenschenrechtsaktivistInnen stellte der Erdölmulti den Paramilitärs damals Geld und Ländereien in der Nähe von Puerto Boyacá zur Verfügung. Die Region galt damals als Laboratorium des Paramilitarismus.

Andere Vorwürfe erhob Anfang der neunziger Jahre die Gewerkschaftsbewegung gegen den Schweizer Multi Nestlé sowie gegen Coca-Cola. So wies die Zentrale der Ernährungsgewerkschaft SINALTRAINAL in Bogotá darauf hin, daß während der Tarifverhandlungen immer wieder GewerkschafterInnen erschossen werden. Solche Morde sind in Kolumbien keine Seltenheit. Für viele Unternehmer scheint es opportun, die Gewerkschaftsbewegung mit allen möglichen Mitteln zu bekämpfen. Da sich Armee und Polizei kooperativ zeigen und eine Strafverfolgung so gut wie ausgeschlossen ist, nützen auch transnationale Betriebe die Möglichkeit, unangenehme Gegner aus dem Weg zu räumen. Ein direkter Nachweis von Mordaufträgen ist allerdings nur selten möglich.

In den vergangenen Jahren geraten jedoch vor allem solche Unternehmen ins Zwielicht, die an der Ausbeutung von Erdöl und Gold beteiligt sind. Als im Juli 1998 etwa 10.000 Bauern aus dem Süden der Provinz Bolívar aus Protest gegen paramilitärische Massaker in die Erdölmetropole Barrancabermeja marschierten und dort Schulen und Universitäten besetzten, richtete sich eine ihrer Hauptforderungen gegen den US-Goldmulti Corona Goldfields. Die BäuerInnen berichteten, daß die Paramilitärs im Auftrag des Multis in die Dörfer am Fuß der Serranía San Lucas vorgedrungen seien, Häuser verbrannt und ganze Familien massakriert hätten.

Der Fall macht das militärische und ökonomische Interessengeflecht deutlich, das sich hinter dem Paramilitarismus verbirgt. Die verkehrstechnisch kaum erschlossene Serranía de San Lucas, ein etwa 300 Kilometer nördlich von Bogotá gelegener Kordillerenausläufer, ist eine der letzten Bergwaldregionen Nordkolumbiens und verfügt über etwa 70 Prozent der kolumbianischen Goldvorkommen. Gleichzeitig gilt das Gebiet, das erst in den letzten 15 Jahren von Nicht-Indígenas besiedelt wurde und in dem etwa 800.000 Menschen leben, als eine der Hochburgen der Guerillaorganisation ELN.

Offensichtlich setzten sich im Verlauf des Jahres 1997 verschiedene Gruppen die Vertreibung der Guerilla zum Ziel. Von Anfang 1998 an drangen immer wieder große paramilitärische Banden in die Ortschaften um die Serranía herum ein. Wenig später verkündete Paramilitärkommandant Carlos Castaño Gil großspurig, man werde die ELN "bis Weihnachten aus der Serranía verdrängt haben". In Wirklichkeit richteten sich die Aktionen der Paramilitärs gegen die BäuerInnen der Region, doch in der Presse wurden die Ereignisse, die mehrere Fluchtwellen auslösten, als "Kampf zwischen Guerilla und Paramilitärs um die territoriale Kontrolle" verkauft. Federführend bei den Operationen war die Armee unter dem Kommando des Generals Fernando Millán. So wurde bei gefallenen Soldaten Armbinden der paramilitärischen Autodefensas Unidas de Colombia (dt. Vereinigte kolumbianische Selbstverteidigung) gefunden, BäuerInnen berichteten zudem, daß sie zahlreiche Soldaten unter den Paramilitärs wiedererkannt hätten.

Der Versuch, die Kontrolle über die Serrania San Lucas zurückzugewinnen, hatte nicht nur mit dem strategischen Interesse der Regierung zu tun, ein Rückzugsgebiet der Guerilla zu erobern, sondern auch mit den dortigen Edelholz- und Goldverkommen. Nur ein Teil des Edelmetalls in der Serrania wird von unabhängigen Schürfern ausgebeutet, den größeren Anteil übernehmen kapitalstarke Konzerne wie Corona Goldfields, die mit ihren Schürfmethoden ein ökologisches und soziales Desaster anrichten.

Für die Goldgewinnung werden nämlich die Flußtäler mit gigantischen, auf abenteuerliche Weise in den Wald geschafften Schaufelrädern ausgegraben und umgewälzt. Das Erdreich wird gesiebt und den goldhaltigen Mineralverbindungen hochgiftiges Quecksilber beigesetzt, das Flüsse und Trinkwasser verseucht. Wer die Täler der Serrania von Norden heraufsteigt, trifft deshalb immer wieder auf verlassene Indigena-Gehöfte, die wegen des Goldabbaus aufgegeben werden mußten.

Auch die Arbeitsbedingungen der Goldschürfer sind katastrophal. Die Arbeiter, die für die Unternehmen das Erdreich durchwühlen, schuften vier bis sechs Monate, oft 14 Stunden am Tag. Sie schlafen auf engstem Raum in Plastikplanenverschlägen, haben keine Gesundheitsvorsorge oder Sozialversicherung und sind in den abgelegenen Tälern völlig auf sich allein gestellt. Viele von ihnen sind drogenabhängig.

Das Problem für Unternehmen wie die Corona Goldfields besteht darin, daß die Guerillaorganisationen den Goldanbau besteuern und gewissen Auflagen unterwerfen. So kassiert die ELN in der Region beispielsweise nicht nur Steuern von den Großunternehmen, sondern hat auch einen Mindestlohn festgesetzt, bestimmte Methoden der Goldgewinnung untersagt und einige Täler zu Schutzreservaten erklärt. Für die Goldmultis bedeutet dies eine spürbare Beeinträchtigung. (1)

Counterguerilla und Erdölinteressen

Noch offensichtlicher sind die Verbindungen zwischen Paramilitärs und transnationalen Unternehmen in der Erdölindustrie. (2) So führt die Occidental, ein von Shell und dem staatlichen kolumbianischen Erdölunternehmen ECOPETROL gegründetes Konsortium seit 1992 einen Landkonflikt mit den U'wa-Indígenas in Nordostkolumbien. Der in den Departements Arauca, Norte de Santander, Santander, Boyacá und Casanare ansässige Stamm gehört zu den letzten autonomen Gemeinden des Landes. Die U'was, für die die Ölförderung gleichbedeutend mit dem spirituellen Tod ihres Landes ist, verweigerten dem profitträchtigen Projekt von Anfang an ihre Zustimmung. Doch obwohl die Indígenas auch vor dem Verfassungsgericht Recht bekamen, übten die kolumbianische Regierung und Occidental/Shell weiter Druck aus. Im April 1997 erklärte der Chef von Occidental Columbia, Stepen Newton, in einem Interview mit der Tageszeitung El Tiempo, daß das U'wa-Territorium "das Zuhause des Pfarrers Pérez" sei (zit. nach U'wa-Solidarity Homepage 1998). Der spanischer Pfarrer Manuel Pérez war zu diesem Zeitpunkt oberster politischer Verantwortlicher der ELN.

Mit der Behauptung, die U'was seien Kollaborateure der Guerilla, gab der Öl-Manager die Indígenas praktisch zum Abschuß frei. Tatsächlich wurde der Sprecher der U'was, Berito KuwarU'wa, im Juni 1997 von bewaffneten Vermummten angegriffen und mißhandelt. Die Pistoleros wollten den U'wa-Sprecher zur Unterschrift einer gegenseitigen Vereinbarung zwingen, doch Berito KuwarU'wa, ein Analphabet, weigerte sich, ein Papier zu unterzeichen, das er nicht verstand.

In den Folgemonaten kam es zu einer Eskalation der Auseinandersetzung. Die ELN führte eine Serie bewaffneter Aktionen gegen das Ölkonsortium durch, in den USA gründete sich ein Support-Netzwerk, 3.000 Menschen demonstrierten in Bogotá gegen die Ölförderpläne, und die 5.000 U'was drohten gar mit kollektivem Selbstmord. Doch erst als Berito KuwarU'wa mit den internationalen Bartolomeo de las Casas- und Goldman Enviromental-Preisen ausgezeichnet wurde, lenkte die Occidental vorübergehend ein (U'wa Support Homepage, 4.7.1998). Die Pläne wurden vorübergehend auf Eis gelegt, doch schon bald nahm der Druck auf die U'was erneut zu.

"Psychologische Operationen"

Schwerwiegend ist auch der Fall der British Petroleum (BP), die seit Anfang der neunziger Jahre die Ölvorkommen bei Cusiana in der ostkolumbianischen Provinz Casanare ausbeutet und dabei auf die massive Unterstützung der britischen Regierungen Major und Blair zählen konnte und kann. Die Paramilitärs tauchten just in jenem Moment in der Gegend um Cusiana auf, als die BP mit ihren Explorationen begann.

Die Aktionen der Todesschwadrone richteten sich vor allem gegen Ölgewerkschafter und die Bevölkerung der anliegenden Dörfer. Der britische Europa-Abgeordnete Richard Howitt legte Ende 1996 in der Tageszeitung The Observer eine ganze Liste mit Vorwürfen gegen den Erdölmulti vor. Howitt verwies auf Berichte von Einheimischen, wonach die Gewässer im Waldgebiet von La Tablona durch die Ölgewinnung verseucht worden seien. Außerdem habe die BP Fotos, Videos und andere Informationen von streikenden Arbeitern an die kolumbianische Armee weitergegeben, obwohl die von ihr verübten Menschenrechtsverletzungen kein Geheimnis seien. (EnviroNews Service, 2.12.1996)

Im Oktober 1998 veröffentlichte ein gemeinsames Recherche-Team der kolumbianischen Tageszeitung El Espectador und des Londoner The Guardian dann weitere Details über die Aktivitäten der BP. Offensichtlich beauftragte der Erdölmulti 1996 die kolumbianische Tochter des britischen Sicherheitsunternehmens Defence Systems Limited (DSL) mit dem Schutz der Erdölanlagen. Die Hauptsorge von BP und DSL galt der Ölpipeline Cusiana-Coveñas, einer Röhrenleitung, die von Ostkolumbien bis an die Karibikküste verlegt werden sollte, weil die Kapazitäten der bestehenden Pipeline Caño Limón-Coveñas für das Vorkommen nicht ausreichend waren. Während das Teilstück in den von Paramilitärs kontrollierten Gebieten, in den Departments Boyacá und Córdoba, als sicher galt, erklärte der Ölmulti einen 115 Kilometer langen Abschnitt bei Segovia im Nordosten Antioquias zum Sicherheitsproblem, weil dort mehrere ELN-Fronten aktiv seien.

Um das Problem in den Griff zu bekommen, schlug der paraguyaische Sicherheitsexperte Oscar Ricardo Zayas Marini dem britischen Militärexperten Roger Brown von Defence Systems Colombia (DSC) im Juni 1996 unter anderem ein Seminar zum Thema psychologische Operationen und Spionage vor. Zu diesem Zweck sollten der ehemalige Militärattaché Israels in Kolumbien, Asaf Nadel, sowie zwei weitere Fachleute eingeflogen werden.

Bemerkenswert ist nicht nur, daß die Überlegungen von Brown und Zayas Marini darauf abzielten, Kriegswaffen, darunter "Helikopter, spezielle Anti-Guerilla-Waffen, fliegende Spionage-Roboter (drones) und andere hochtechnologische Kriegsmaterialien" (El Espectador, 25.10. 1998) zum Schutz der Pipeline einzusetzen, sondern auch die Person Zayas Marinis selbst. Der Paraguayer war wegen Verbindungen zum Drogenhandel bereits drei Mal aus Kolumbien ausgewiesen worden und wurde mit Haftbefehl gesucht. Dennoch konnte Zayas im August 1997 im Präsidentenpalast und in mehreren Ministerien vorsprechen und dort seinen Plan zur psychologischen Kriegsführung gegen die Menschenrechtsorganisationen der Region Segovia (Antioquia) unterbreiten. Zayas äußerte die Ansicht, die Menschenrechtsorganisationen vor Ort seien nichts anderes als der politische Arm der Guerilla.

Es blieb nicht bei verbalen Angriffen. 1996/97 kam es über die DSC auch zu Geschäften zwischen BP und kolumbianischer Armee. Nach eigenen Angaben schenkte das Erdölunternehmen der XIV. Brigade 60 Nachtsichtgeräte, deren Übergabe vom US-State Department auf Initiative von BP autorisiert worden war. Die Zusammenarbeit war möglich, obwohl der XIV. Brigade schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden. Zwei Coronels der Einheit waren wegen des Massakers von 1988 rechtskräftig verurteilt, weitere Angehörige der Brigade wurden des Mordes an sechs Aktivisten des Menschenrechtskomitees von Segovia beschuldigt. Doch die BP brauchte die Kooperation der Armee für den Pipelinebau. Bewacht von der XIV. Brigade verlegte das von BP getragene Konsortium Ocensa die Ölleitung Cusiana-Coveñas unterirdisch durch das Gebiet von Segovia. Aus Furcht vor Guerillaangriffen wurden die Bauarbeiten in Form eines "wandernden Militärforts" (EnviroNews Service, 2.12.1996) durchgeführt.

Mit Unterstützung ihrer Majestät

>Zwar ist nirgends belegt, ob die "psychologischen Operationen", von denen Zayas und Brown gesprochen hatten, während der Bauarbeiten wirklich zur Anwendung kamen, doch fest steht, daß nach Jahren relativer Ruhe der paramilitärische Terror in die Region um Segovia zurückkehrte. So wurden bis August 1997 sämtliche Mitglieder des örtlichen Menschenrechtskomitees ermordet. Der Pfarrer der Gemeinde nannte vor der Presse die erschreckende Zahl von insgesamt 140 Opfern des Paramilitarismus während des Pipeline-Baus, und das in einer Stadt, die kaum 50.000 EinwohnerInnen zählt.

In den Unterlagen von BP und DSC findet sich über diese Verbrechen nichts. Die Berichte des von BP beauftragten Sicherheitsexperten Roger Brown erwähnen unter dem Stichpunkt "Sicherheitssituation" einzig und allein die Aktivitäten der ELN, die vorübergehend einen Mitarbeiter des Pipeline-Konsortiums entführt hatte.

Daß BP und das Sicherheitsunternehmen am Krieg beteiligt sind, legen auch andere Papiere nahe. So ermittelt die kolumbianische Staatsanwaltschaft seit einigen Monaten gegen die DSC wegen der Zahlung von 310.000 US-Dollar an die XVI. Brigade in Yopal (Casanare). Offensichtlich bezahlte der Erdölmulti die Armee für Patrouillengänge, Geheimdiensttätigkeiten und Straßenkontrollen in der Nähe der Erdölfelder.

Zwar hat BP die Zusammenarbeit mit Roger Brown inzwischen aufgekündigt, und der Sprecher des Ölmultis, John O'Reilly, zog sich gegenüber dem britischen The Guardian darauf zurück, mit "psychologischen Operationen" sei der Dialog mit den anliegenden Gemeinden gemeint gewesen, doch das britisch-kolumbianische Recherche-Team von El Espectador und The Guardian zitiert Quellen von DSL, die von weitergehenden Aktivitäten sprechen. So soll DSC in der Nähe der BP-Anlagen ein Spionagenetz aufgebaut haben, um mögliche Saboteure aufzuspüren. Das jedoch wäre unter den kolumbianischen Bedingungen faktisch nichts anderes als der Aufbau einer paramilitärischen Gruppe.

Der Hintergrund von DSC und DSL läßt derartige Behauptungen durchaus plausibel erscheinen. Die DSL entstand 1981 unter der Regierung Thatcher aus einer engen Zusammenarbeit zwischen Londoner Wirtschaftsgrößen und ehemaligen Agenten des berüchtigten britischen Geheimdienstes SAS, die sich durch ihre Nordirland-Aktivitäten einen zweifellosen Namen gemacht haben. DSC wirbt selbst mit den jahrelangen Erfahrungen der Mitarbeiter im Anti-Terrorkampf.

Zudem heuerte BP im Sommer 1996 aufgrund schwerer Sicherheitsmängel eine weitere Gruppe ehemaliger SAS-Agenten an, um kolumbianische Polizisten im Anti-Guerillakampf zu trainieren. Um dies zu vertuschen, trugen die SAS-Agenten nach Informationen der Weekly Mail & Guardian kolumbianische Uniformen, und reisten under cover ein und aus. Die einheimischen Polizisten erhielten von der BP eine monatliche Zulage von 245 US-Dollar.

Interessant ist auch, daß die BP-Privatterminals, über die das ausländische Personal des Multis nach Kolumbien einreist, vom Konsortium Laurel and Honor verwaltet werden, das wiederum unter Führung des ehemaligen Geheimdienstoffiziers Bill Nixon steht. Auch Nixon ist durch seine Aktivitäten in Nordirland bekannt geworden. Es scheint, als habe im Bereich sogenannter Sicherheitsdienste der halbe britische Geheimdienst ein neues Zuhause gefunden. Daß die betreffenden Regierungen von diesem Engagement nichts wissen, ist kaum anzunehmen. Die Kolumbien-Expertin von Amnesty International in London, Susan Lee, bekräftigte, daß die israelische Botschaft die Einreise "israelischer und britischer Söldner ins Land, die dort paramilitärische Gruppen unter Kontrolle der XIV. Brigade trainierten", unterstützt habe. (EnviroNews Service, 2.12.1996) In Großbritannien kritisierten linke Abgeordnete 1997 den Premierminister Tony Blair darüber hinaus wegen der Berufung des für die Kolumbienaktivitäten verantwortlichen BP-Chefs Lord Simon of Highbury zum Staatssekretär.

Raul Zelik

Anmerkungen:

1) Die Bauernproteste gegen die Aktivitäten der Corona Goldfields verhallten jedoch ungehört. Als im August 1998 einige Hundert Bauern in Bogotá die Kathedrale in der Innenstadt besetzten und vor der US-Botschaft Mahnwachen durchführten, antwortete man ihnen mit Gleichgültigkeit und repressiven Maßnahmen. Die Kirchenleitung der Diozöse von Bogotá ließ die BesetzerInnen räumen, die Pastrana-Regierung stellte sich taub, und die US-Botschaft wies die Vorwürfe lapidar zurück. Erst nachdem die ELN den ehemaligen Parlamentspräsidenten Espinosa Lince entführte und von der Regierung verlangte, auf die Vorwürfe der BäuerInnen einzugehen, kam es zu einigen Lippenbekenntnissen, die jedoch konsequenzlos blieben. Unmittelbar nach den Protesten verübten Armee und Paramilitärs in Tateinheit neue Massaker in der Serranía San Lucas.

2) Die wichtigste Devisenquelle Kolumbiens - mit etwa 2 Mrd. US-Dollar jährlich - ist nicht etwa Koka, sondern Erdöl. Im Osten und im Zentrum des Landes befinden sich mehrere große Vorkommen, die v. a. von europäischen Ölmultis erschlossen wurden.

Dieser leicht überarbeitete Vorabdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des ISP-Verlags, Köln. Zwischenüberschriften ak.
Raul Zelik: Kolumbien - Große Geschäfte, staatlicher Terror und Aufstandsbewegung, ca. 250 Seiten, ca. 30 DM, erscheint im Oktober 1999.