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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 430 / 23.9.1999

Schluß mit heimlich, still und leise

HamburgerInnen beobachten die Ausländerbehörde

Es passiert nicht oft, daß sich Abschiebe-Instanzen gezwungen sehen, ihr Tun gegenüber der Öffentlichkeit zu rechtfertigen. Solches geschah Anfang September in Hamburg. Ralph Bornhöft, Leiter der dortigen Ausländerbehörde, reagierte mit einer hochoffiziellen Pressemitteilung auf eine ungewöhnliche Kampagne: "BürgerInnen beobachten die Ausländerbehörde".

Bornhöft demonstrierte scheinbare Gelassenheit: "Wer sich von der schwierigen Arbeit meiner Mitarbeiter ein Bild machen möchte, ist willkommen. Allerdings werden wir uns durch Begleiter nicht von unserem gesetzlichen Auftrag abhalten lassen, ausreisepflichtige Ausländer in ihre Heimat zurückzuführen."

Hintergrund für die neuartigen und hektischen Medienaktivitäten der Ausländerbehörde in Hamburg ist die Kampagne "BürgerInnen beobachten die Ausländerbehörde", die am 2. September der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Auf Initiative von Sozialpädagogik-StudentInnen und mit Unterstützung antirassistischer und sozialpolitischer Initiativen richtet sich die Kampagne in erster Linie an Menschen, die bisher kaum einen Bezug oder gar Erfahrungen mit der Betreuung von Flüchtlingen und der alltäglichen Schikane der Ausländerbehörde haben. Sie sollen Flüchtlinge während ihres Spießrutenlaufs zur und in der Ausländerbehörde begleiten, moralische Hilfestellung bieten, als Zeugen fungieren und Demütigungen, Schikanen und Zwischenfälle jeder Art dokumentieren.

Zivilcourage und Öffentlichkeit

Die Kampagne ist zunächst auf einen Zeitraum von drei Monaten angelegt. Auf einer abschließenden Pressekonferenz sollen die Ergebnisse vorgestellt und ein erstes Fazit gezogen werden. Das Projekt richtet sich ausdrücklich an alle Bürgerinnen und Bürger und betont, daß für die Begleitung von Flüchtlingen keine nennenswerten Vorkenntnisse notwendig sind. Einzige Voraussetzung ist die Teilnahme an einem Einführungstreffen, das monatlich wiederholt wird. Dort werden die zukünftigen BegleiterInnen mit den Strukturen und Abläufen in der Ausländerbehörde vertraut gemacht. Gleichzeitig können bei dieser Gelegenheit Erfahrungen ausgetauscht werden.

Die BegleiterIn bekommt ein Infopapier und einen Vordruck an die Hand. Das Informationspapier weist noch einmal auf die Behördenabläufe und mögliche Ereignisse wie Aufforderungen zur Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht oder auch Festnahmen hin. Der Vordruck soll die Dokumentation eines Falles erleichtern, indem Gründe der Vorsprache, Dauer des bisherigen Aufenthaltes, Art der Aufenthaltspapiere, zuständige RechtsanwältInnen etc. festgehalten werden. Für eventuelle Zwischen- und Notfälle bekommen die BegleiterInnen eine Liste mit Telefonnummern von RechtsanwältInnen und Beratungsstellen.

Für die Dauer der Kampagne ist ein Büro eingerichtet worden, wo sich Interessierte melden können und von wo aus die Begleitungen koordiniert werden. Das Büro steht auch als Anlaufstelle für Gruppen oder Kirchengemeinden zur Verfügung, die eine/n ReferentIn einladen möchten, um sich über die Kampagne oder die Situation in der Ausländerbehörde zu informieren.

Die Kampagne zielt nicht zuletzt auch darauf, der Kritik an der Ausländerbehörde und der herrschenden Abschiebepraxis gegenüber der Medienöffentlichkeit eine neue und zusätzliche Legitimation zu verschaffen: In Zukunft sind es nicht mehr nur die üblichen "Querulanten" aus dem kleinen und isolierten Kreis der Antirassismus-Szene, sondern "ganz normale" Bürgerinnen und Bürger, die die unmenschliche Ausgrenzungs- und Abschiebemaschinerie anprangern.

Die InitiatorInnen selbst sind keine "alten Häsinnen" der Antirassismus-Arbeit. Die jüngsten skandalösen Verschärfungen der Hamburger Abschiebepraxis (vgl. ak 428) und Praktika bei Initiativen waren für sie selbst der Anlaß, Flüchtlinge zu begleiten. "Wir waren schockiert und empört über die Atmosphäre in der Ausländerbehörde und die Schikanen der SachbearbeiterInnen", berichteten sie auf einer Pressekonferenz. "Es wird gepöbelt und geschimpft, Akten verschwinden, Ermessensspielräume werden verleugnet." Die Kampagne "BürgerInnen beobachten die Ausländerbehörde" soll vor diesem Hintergrund nicht zuletzt auch dazu beitragen, "die SachbearbeiterInnen der Ausländerbehörde wieder einmal mit dem bürgerlichen Sinn für Gerechtigkeit und Menschenwürde zu konfrontieren."

Abschieber unter Druck

Der Start der Kampagne fällt in eine Zeit, in der die Hamburger Asylpolitik und ihre Exekution durch die Ausländerbehörde unter öffentlichen Druck geraten ist wie selten zuvor. Die Hamburger Pläne zur "Effizienzsteigerung" bei Abschiebungen wie die neuen Schnellverfahren im Eingabenausschuß oder die systematische Aushebelung (amts-)ärztlicher Gutachten, die etwa eine Reiseunfähigkeit attestieren (vgl. ak 428) sind auch in der etablierten Medienlandschaft heftig kritisiert worden. Diese Medienaufmerksamkeit speiste sich sicherlich auch aus dem Konflikt in der rot-grünen Regierungskoalition, den diese Pläne und ihre faktische Umsetzung ausgelöst hatten sowie dem schließlichen Wegtauchen der Grünen an diesem Thema. Vor diesem Hintergrund ist es den außerparlamentarischen Initiativen und den grünen DissidentInnen um die Bürgerschaftsgruppe "REGENBOGEN für eine neue Linke" erfolgreich gelungen, die Hamburger Praxis und vor allem die innere Struktur der Ausländerbehörde über Wochen und Monate hinweg immer wieder zu einem öffentlichen Thema zu machen.

Während die offizielle Berichterstattung bislang von "Asylmißbrauchern" und "kriminellen Asylanten" beherrscht worden ist, finden sich inzwischen regelmäßig behördenkritische Berichte über unmenschliche Abschiebefälle, auseinandergerissene Familien oder Verstöße gegen das ärztliche Berufsethos. Daß selbst Springer-Zeitungen wie das Hamburger Abendblatt ReporterInnen zur Recherche in die Ausländerbehörde schicken und dann von "Bürokraten-Dschungel", von langen Wartezeiten, von der "berüchtigten ersten Etage" und von "Wut, Trauer und Verzweifelung" berichten, ist ungewöhnlich. Entsprechend nervös reagiert die Behörde seit einigen Wochen mit einer Flut von rechtfertigenden Pressemitteilungen.

Mit der Kampagne "BürgerInnen beobachten die Ausländerbehörde" könnte es gelungen sein, diese öffentliche Stimmungslage über die Sommerpause hinweg zu retten. Die bisherige Berichterstattung war auf jeden Fall sehr breit und durchaus zustimmend. Die Kampagne könnte damit trotz einer kleinen und zunehmend isolierten antirassistischen Szene zu einem politischen Erfolg werden. Dabei haben die InitiatorInnen im Vorfeld der Kampagne durchaus mit heftigen Vorbehalten seitens einiger etablierten, linken Initiativen zu kämpfen gehabt. Das Engagement von Menschen, die in der Szene eher unbekannt waren und die sich in Form und Inhalt explizit über den Tellerrand der links-autonomen Antira-Nischen hinausbewegten, war manchen offenbar suspekt. Von daher könnte diese Kampagne noch einen weiteren, durchaus interessanten Nebeneffekt haben. Sie könnte die antirassistischen Initiativen in Hamburg dazu veranlassen, noch einmal über Bündnispolitik, den eigenen Tunnelblick, Kampagnenfähigkeit und nicht zuletzt über eine gewisse Professionalisierung der eigenen Arbeit nachzudenken.

dk

Die Kampagne "BürgerInnen beobachten die Ausländerbehörde" ist telefonisch erreichbar unter
040/3990-52 34 und 040/390 88 62.
Das Büro der Kampagne hat folgende Anschrift:
"BürgerInnen beobachten die Ausländerbehörde", c/o Sozialpolitische Opposition, Nernstweg 32-34, 22765 Hamburg.
Es ist an folgenden Tagen besetzt:
Montag von 12.00 bis 14.00 Uhr, Mittwoch von 15.00 bis 17.00 Uhr und Freitag von 11.00 bis 13.00 Uhr