Macht Zukunft Spaß?
BUKO vor neuen Herausforderungen
Ende Oktober tagte der 22. Bundeskongress entwicklungspolitischer Aktionsgruppen (BUKO) in Hannover. Die Debatten des BUKO drehten sich um die Widerstandsmöglichkeiten gegen die Weltausstellung EXPO 2000 und die Verortung des BUKO in der neuen Landschaft entwicklungspolitischer Nichtregierungsorganisationen (NGOs).
In den vergangenen Jahren waren die Debatten des BUKO stark von der Frage geprägt, wo und mit welchen Inhalten und Strukturen sich der BUKO in einem sich ausdifferenzierenden und von großen NGOs geprägtem "Dritte-Welt"-Spektrum verorten solle. Lange Zeit quälte den BUKO auch die Frage, warum überhaupt noch internationalistische Arbeit gemacht werden solle und begleitete unterschwellig und bedrohlich alle Diskussionen. Seit Frühjahr dieses Jahres mehren sich jedoch die Anzeichen dafür, dass die notwendigen Selbstverständnis- und Strukturdebatten in nicht allzu ferner Zukunft ein Ende finden und wieder von politischen Interventionen abgelöst werden können: So meldete sich im April dieses Jahres der 1998 gegründete BUKO-Arbeitsschwerpunkt Weltwirtschaft mit der Broschüre kölngehen zu Wort. Die ausführliche Broschüre hatte die Mobilisierung zum Kölner Doppelgipfel zum Ziel und sollte die neoliberale Globalisierung einer grundlegenden Kritik unterziehen.
Ein weiteres Anzeichen dafür, dass der BUKO seine Talsohle überwunden hat, dürfte auch der diesjährige Kongress gewesen sein. Am letzten Oktoberwochenende lockte der BUKO nach zweieinhalbjähriger Kongresspause 300 Interessierte nach Hannover - mehr als von den VeranstalterInnen erwartet. Unter dem Motto "Macht Zukunft Spaß" analysierten die TeilnehmerInnen des BUKO 22 die "schöne neue EXPO-Welt".
Die EXPO 2000 ist aus internationalistischer Perspektive gleich in zweifacher Hinsicht interessant. Zum einen symbolisiert sie ein neoliberales Entwicklungsmodell, das nicht nur weltweit alternativlos dasteht, sondern dessen technologischen Glücksversprechen Alternativen auch nicht länger wünschenswert erscheinen lassen.
Zum anderen übt die EXPO, eben weil sie eine universale Problemlösungskompetenz vorgaukelt, eine starke Anziehungskraft auf die umwelt- und entwicklungspolitische NGO-Community aus. Diese hat es sich zur Aufgabe gemacht, auf die Diskrepanz zwischen EXPO-Anspruch und EXPO-Wirklichkeit hinzuweisen und im Dialog mit den finanzstarken EXPO-MacherInnen die Beseitigung derselben zu fordern. "Nur so", heißt es im EXPO-Watch-Letter, "ist die ,Weltausstellung neuen Typs` vielleicht noch zu retten". Sowohl die EXPO selbst als auch die dominante Art und Weise der Auseinandersetzung über sie verlangen nach einer internationalistischen Kritik, die vor den Herrschaftsverhältnissen nicht die Augen verschließt.
In Hannover artikuliert diese sich seit Anfang der 90er Jahre wesentlich über die Anti-EXPO-AG, die den größten Teil der Vorbereitungsarbeit für den BUKO 22 leistete und auf selbigem ein Forum zum Thema "Kontrolltechniken der Zukunft - Nachhaltige Herrschaftssicherung" gestaltete. Diskutiert wurde dabei u.a. über die ideologische Funktion der EXPO, über das sich in ihr manifestierende gesellschaftliche Naturverhältnis, über Bevölkerungspolitik und über innere Sicherheit.
In drei weiteren Foren ging es um Themen, die nicht unbedingt mit der Weltausstellung im engeren Sinn, dafür aber umso mehr mit der von dieser propagierten schönen neuen Welt zu tun hatten: um Strategien, Institutionen und Diskurse der neoliberalen Globalisierung, um soziale Frage und soziale Kämpfe sowie um "Dialog-Kultur".
Die Debatten waren durchaus kontrovers. Im Vergleich zu früheren Kongressen hielten sich die aufreibenden BUKO-internen Grundsatzstreitigkeiten jedoch angenehm in Grenzen. Es überwog der Wunsch, sich gemeinsam aus einer herrschaftskritischen Perspektive mit den dominanten Entwicklungen und den sie begleitenden Diskursen auseinander zu setzen. Getrübt wurde der vielfach geäußerte positive Gesamteindruck nur durch das in bester BUKO-Tradition vermurkste Abschlussplenum.
Findet der BUKO also nach Jahren der Krise zu einer neuen Rolle? Skepsis bleibt angebracht. Da ist zum einen die ungeklärte finanzielle Situation. Der Ausschuss für entwicklungsbezogene Bildung und Publizistik (ABP) der evangelischen Kirche sieht sich als BUKO-Finanzier zunehmenden Rechtfertigungszwängen seitens konservativ-kirchlicher Kreise ausgesetzt. Die bevorstehende Integration des ABP in den geplanten "Evangelischen Entwicklungsdienst" dürfte sich auch auf die Finanzierung von BUKO-Geschäftsstelle und Bundeskongress auswirken. Finanzielle Alternativen sind nicht in Sicht: In der Konkurrenz um Gelder von Stiftungen und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) sowie um Mittel der Bundesländer graben Organisationen wie WEED, VENRO oder die entwicklungspolitischen Ländernetzwerke dem BUKO das Wasser ab. Und der Solifonds der Partei Bündnis 90/Die Grünen, der bislang immer wieder einzelne BUKO-Projekte bezuschusste, wird allem Anschein nach das Jahr 2000 nicht überleben: Nachdem der grüne Internationalismus nun endlich im Auswärtigen Amt angekommen ist, hat die Basis ausgedient. Ihre Anliegen sind auf ministerieller und Staatssekretärs-Ebene bestens aufgehoben und deshalb soll der Fonds in Zukunft nicht mehr den Basisinitiativen, sondern der Partei zugutekommen.
Neben der unsicheren finanziellen Zukunft plagt den BUKO auch noch ein anderes Problem. So steht das große Interesse am diesjährigen Kongress und am BUKO als internationalistischer Service-Einrichtung im umgekehrten Verhältnis zur Bereitschaft der Mitgliedsgruppen, sich auch selbst in den BUKO-Strukturen zu engagieren. Der BUKO 22 wäre ohne das Engagement einer Nicht-Mitgliedsgruppe, der Hannoveraner Anti-EXPO-AG, nicht möglich gewesen.
Gleichzeitig deuten sich mögliche Auswege aus den derzeitigen Dilemmata an. So wurde der SprecherInnen-Rat - das Gremium, das den BUKO nach außen hin in allen Fragen vertreten kann, die nicht durch dezentralisierte, bei Kampagnen, Arbeitsschwerpunkten oder einzelnen Mitgliedsgruppen angesiedelte politische Mandate abgedeckt werden - bei der Mitgliederversammlung in Hannover mühelos wiederbesetzt. Am Arbeitsschwerpunkt Weltwirtschaft zeigten sich bei einem Treffen am Rande des Kongresses rund 30 Gruppen-VertreterInnen und Einzelpersonen interessiert. Der thematische Schwerpunkt hier wird in nächster Zeit auf der WTO liegen, die auf ihre nord-süd-politischen Implikationen hin abgeklopft werden soll. Auch die Veränderung von Konzernstrategien und von Staatlichkeit wird im Vordergrund stehen. Zunehmend auf Interesse stößt auch der neue Arbeitsschwerpunkt Alternativer Handel. Hier könnte sich ein Forum für solche Läden und Gruppen herausbilden, denen der Transfair- und VENRO-Schmusekurs des jüngst aus dem BUKO ausgetretenen Weltladen-Dachverbands zu weit geht.
Bei allen noch verbleibenden und keinesfalls kleinzuredenden Schwierigkeiten scheint somit zumindest bei der politischen Konsolidierung ein Anfang gemacht zu sein: Die künftige Rolle des BUKO könnte darin liegen, all jenen Gruppen und Einzelpersonen ein Forum zu bieten, die über den Tellerrand der neoliberalen Diskurse über Zivilgesellschaft und Nachhaltigkeit und den Schmusekurs der großen entwicklungspolitischen NGOs hinausdenken wollen. Das ist zwar mühsam, aber auch spannend und vor allem dringend notwendig. Der für das nächste Jahr geplante WTO-Kongress könnte ein weiterer Schritt in diese Richtung sein.
Markus Wissen