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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 435 / 17.2.2000

Dürfen nur Männer Schweine sein?

Bundeswehr muss Frauen reinlassen

Neulich auf einer öffentlichen (Damen-)Toilette folgende Inschrift: "Glaubt ihr, Emanzipation heißt, die Klos genauso dreckig zu hinterlassen wie die Männer?", fünf Ausrufezeichen. Nein. Oder doch?

Kaum gehaltvollere Beiträge zur Frage von Gleichstellung und Gleichberechtigung lieferte die Berichterstattung um das Urteil des Europäischen Gerichtshofes, wonach Frauen in Zukunft auch in Deutschland der sogenannte Dienst an der Waffe möglich sein muss. Mitte Januar entschied das Gericht anlässlich der Klage der Elektronikerin Tanja Kreil, der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen sei auch für die Streitkräfte so weit wie möglich auszulegen, der Ausschluss für "spezifische Tätigkeiten" (z.B. U-Boot-Kommandos) sei allerdings möglich. Das Urteil bezieht sich ausschließlich auf den freiwilligen Dienst, die Frage der Wehrpflicht bleibt davon unberührt.

Wer glaubte, im Anschluss an das Urteil würde allerorten eine heiße Debatte entbrennen, irrte, und bereits das Wort "Debatte" ist eine saftige Übertreibung. Die wenigen Kommentare zu diesem Thema waren vor allem eins: lau. Erboste oder enthusiastische, politisch pointierte oder gar inhaltlich schwergewichtige Beiträge in der Tagespresse suchten Leserin und Leser vergebens.

Und vielleicht spiegelt die schlappe Diskussion auch nicht mehr und nicht weniger als die tatsächliche Bedeutung dieses Urteils wider: Es ist ebenso unvermeidlich (und deswegen richtig) und im Grunde folgenlos wie Frauenförderpläne für Behörden oder Unternehmen. Nichts wesentliches ändert sich dadurch. Weder wird die Bundeswehr böser, stärker oder gefährlicher, noch wird sie friedlicher, sanfter oder menschlicher. Entscheidender ist: Es gibt keine Argumentation gegen die Öffnung der Bundeswehr für Frauen, die nicht direkt oder indirekt über kurz oder lang auf sexistische Konstruktionen einer abweichenden weiblichen Natur zurückführt. Solche Annahmen liegen auch der Einschränkung der Gleichstellung in besagtem Urteil zu Grunde: So ganz richtig traut man den Frauen nicht zu, in jeder Hinsicht einsetzbar zu sein.

Leider sind auch linke Thesen diesbezüglich nicht frei von merkwürdigen Geschlechts-Konstruktionen. Besonders dann, wenn übersehen wird, dass der Kampf (sofern davon überhaupt die Rede sein kann) für die Abschaffung der Bundeswehr und/oder der Wehrpflicht durch dieses Urteil weder gestärkt noch geschwächt wird, weil er schlicht auf einer anderen Ebene abläuft. Sexismus wird in dem Moment manifest, in dem diese beiden Ebenen kurzerhand gleichgezogen werden. Wie zum Beispiel in der Modernisierungsargumention, die in dem Beitrag der Jungle World zum Thema den Ton angibt. Danach ist man zwar prinzipiell, selbstverständlich, selbstredend und fraglos für die Gleichstellung auf allen, allen Ebenen, leider aber kann man doch nicht umhin festzustellen, dass sich durch solcherlei Öffnung "die Männlichkeitsmaschine Militär" modernisiert und damit ja letztendlich stabilisiert. So wird "mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes die Entwicklung der Bundeswehr zur weltweit einsetzbaren Interventionsarmee weiter beschleunigt." Das wollen wir natürlich nicht.

Und wer ist verantwortlich für eine solche Entwicklung? "Frauen, die das Militär und seine Ziele befürworten", denn die, so erfahren wir weiter, ziehen mit dem Wort Gleichheit auf den Lippen fröhlich in die Kaserne und beschleunigen die Modernisierung. Abgesehen von dieser krassen politischen Fehleinschätzung (schließlich modernisiert sich die Bundeswehr mit Frauen oder ohne), handelt es sich hier um eine bestimmte Form von Sexismus (Frauen sind naiv, egoistisch, verantwortungslos), die sich interessanterweise in vielen Diskussionsbeiträgen wieder findet, meist in Form einer Abqualifizierung der Klägerin Tanja Kreil. So erfährt man, dass sie unpolitisch und unfeministisch ist, und dass es eigentlich ihr Freund war, der ihr den Floh mit der Bundeswehr ins Ohr gesetzt hat, als hätte das irgendeine Relevanz. Provozierend ist anscheinend nach wie vor, wenn eine Frau sich simpel für ihre (wie auch immer zu bewertenden) persönlichen Interessen einsetzt, ohne das Gemeinwohl dabei im Blick zu haben.

Noch heißer politisiert wird, wenn es heißt, schließlich gehe es um die Abschaffung von Bundeswehr und Wehrpflicht, erst damit könne wirkliche Gleichberechtigung erreicht werden. Das erklärt beispielsweise die DFG-VK (Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsgegnerInnen) auf einer ihrer Homepages. Abgesehen davon, dass hier ein signifikant eingeschränkter Begriff von Gleichberechtigung verhandelt wird (kein Wort von Reproduktionsarbeit, Rentenverteilung, struktureller Diskriminierung etc.) ist es nun mal leider Fakt, dass die Bundeswehr nicht abgeschafft ist. Und solange das so ist, werden hier nicht nur arme Männer terrorisiert und verblödet, sondern auch Privilegien abgesichert, Arbeitsplätze, Ausbildungsmöglichkeiten, aber auch - und nicht zuletzt - Know-how im Umgang mit Waffen.

Da Frauen eben nicht per se (es kann nicht oft genug wiederholt werden) friedfertiger, vernünftiger, kooperativer, humaner oder klüger als Männer sind, kann niemand ihnen mit vernünftigen Argumenten das Recht absprechen, an diesen Privilegien teilhaben zu wollen; selbst das infantile Bedürfnis, das eigene minderbemittelte Ego mit Hilfe einer Uniform aufzublasen, haben Männer nicht für sich gepachtet. Dies unabhängig davon, dass die meisten Frauen wohl auf diese Möglichkeit zur Teilhabe dankend verzichten werden.

"Wer sich aber dem Gleichstellungsargument anschließt, sollte sich wenigstens klarmachen, dass emanzipatorisch nicht ist, alles das zu tun, was Männer nicht lassen wollen", stellt Ulrike Gramann in der Jungle World fest. Ja, Frau Gramann, Emanzipation ist aber auch nicht, alles männlich-Böse nicht zu tun, sondern Emanzipation ist die Möglichkeit der freien Wahl zwischen diesen beiden und allen anderen denkbaren Alternativen, und ob man sich für oder gegen Bundeswehr, für oder gegen saubere Toiletten entscheidet, hat nichts mit dem Geschlecht zu tun, sondern damit, was eineR im Kopf hat.

Stefanie Gräfe