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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 436 / 16.3.2000

Der "Österreich-Effekt" bleibt aus

Die extreme Rechte sucht vergeblich nach Strategie und Einigkeit

Die CDU im Spendensumpf, die FPÖ an der Regierung - das sind auch für die extreme Rechte in Deutschland eigentlich ausgesprochen günstige Rahmenbedingungen. Worum sie dennoch kaum davon profitieren, zeigt Jean Cremet in seinem Artikel über das Treiben der rechten Vereinsmeier, Parteigründer und Möchtegern-Haiders.

Parteien ergeht es zuweilen nicht anders als realen Einzelwesen. Wenn gar nichts mehr klappt, wenn alle Pläne und Vorhaben schief gehen, wenn es immer weiter unaufhaltsam bergab geht, dann flüchten sich Menschen gerne in Tagträume und Fantasien; je beschränkter die realen Wirkungsmöglichkeiten sind, desto größer werden dann die Entwürfe. Alfred Dagenbach, Landtagsabgeordneter und stellvertretender Landesvorsitzender der REPublikaner in ihrer letzten verbliebenen Hochburg Baden-Württemberg, macht darin keine Ausnahme. Gleich um "die Rettung der christlich-abendländischen Kultur" ging es ihm in seinem Beitrag auf der Strategiekonferenz der REPublikaner am 19./20. Februar in Leipzig. "Die neuesten Vorfälle in Spanien" hätten gezeigt, dass diese Kultur "überall in Europa" in Gefahr sei. Gemeint waren freilich nicht die mehrtägigen rassistischen Pogrome gegen Nordafrikaner, sondern das Verbrechen, das als Auslöser herhalten musste.

Handgemenge
der Mini-Haiders

Dagenbach schwebt "die Bündelung aller wohlgesinnten Kräfte in Europa" vor, die sich zu einer "Freiheitlichen Partei Europas (FPE)" zusammenschließen sollten. Das Modell der FPÖ und ihres braun gebrannten (inzwischen ehemaligen) Vorsitzenden waberte also als Hoffnung über den Köpfen der REP-Funktionäre. Doch sogar die mit dem Schlierer-Kurs der REPs sympathisierende Junge Freiheit mochte sich den Hoffnungen nicht anschließen. "Dutzende kleiner Mini-Haiders im Handgemenge verkeilt" sieht sie hier zu Lande und stellt resigniert fest: "Der Österreich-Effekt will aber nicht so recht auf Deutschland übergreifen." Statt dessen habe es den Anschein, dass sich die Unionsparteien "auf wundersame Weise" von der Parteispendenaffäre erholten.

Noch Ende Januar hatte Parteichef Schlierer getönt, es gebe "schon die ersten Übertritte von langjährigen CDU-Mitgliedern". Die Nennung konkreter Zahlen vermied er allerdings tunlichst. Die Krise der CDU biete die Bestätigung für den Kurs seiner Partei. Unausgesprochen stand dahinter die Erwartung, Ergebnis der Umgestaltung der Führungsspitze der CDU werde ein "Linksruck" sein, der den rechten Parteiflügel politisch heimatlos mache und somit den alten Träumen von einer Art bundesweiter CSU neuen Realitätsgehalt verleihen könnte. Ein einziges tatsächliches Problem der REPs mochte Schlierer einräumen. Mit dem Image sei es nicht zum Besten bestellt. Die Wahlkampfdarstellung sei mangelhaft und als Haupthindernis bei der Mitgliederwerbung habe sich herausgestellt, "dass uns unablässig angehängt wird, wir seien die Partei der Skinheads und wären für Gewalt im politischen Bereich".

Die REP-Basis ärgert den Vorsitzenden

Noch nicht einmal gegenüber der Jungen Freiheit mochte Schlierer also einräumen, was er selbst Ende vergangenen Jahres in einem Brief an ausgewählte Funktionäre seiner Partei unverblümt festgestellt hatte: Das Projekt REPs in seiner gegenwärtigen Form ist gescheitert und bietet keine Zukunftsaussichten mehr. Sich selbst schloss Schlierer selbstverständlich in dieses harsche Urteil nicht mit ein.

Dabei können sich wachsende Teile seiner Partei offenkundig sehr gut eine Zukunft ohne Schlierer vorstellen. Dass der Vorsitzende durch Alleingänge der Basis verprellt wird, ist mittlerweile zur fast alltäglichen Erscheinung geworden. Bisheriger Höhepunkt dabei ist eine Veranstaltung der REP-Stadtratsfraktion in Wiesbaden Ende Januar. Die Landeshauptstadt Wiesbaden ist eine der Bastionen der REPs; bei der Kommunalwahl 1997 hatte man dort immerhin 9,9 Prozent der Stimmen erreicht. Mit dem ehemaligen stellvertretenden Bundesvorsitzenden Hans Hirzel und dem stellvertretenden Landesvorsitzenden Mark-Olaf Enderes stellt der Kreisverband zudem auch zwei überregional recht bekannte Funktionäre.

Für die Podiumsdiskussion "Vergangenheitsbewältigung nur auf deutsche Kosten" war ebenfalls Prominenz geladen worden. Allerdings niemand aus den Reihen der eigenen Partei, dagegen Schlierers Feind Franz Schönhuber, der keine Gelegenheit auslässt, kübelweise Häme über seinen Nachfolger zu schütten; ebenso Horst Mahler, dessen üble Antisemitismen und Verteidigungen von Negationisten inzwischen sogar Blättern der extremen Rechten zu weit gehen und zu Distanzierungen geführt haben. Dritter Diskutant schließlich war Prof. Klaus Sojka, ehedem Präsident der Welttierschutzgesellschaft und beim ökofaschistischen Weltbund zum Schutze des Lebens, der bis zum Zerwürfnis mit Gerhard Frey im vergangenen Herbst führender Funktionär des Polit-Unternehmens DVU war.

Aufgebracht sandte Schlierer Emissäre aus, um den 300 Teilnehmenden in Wiesbaden die Meinung der Parteiführung zu verkünden. Doch Schlierers Stellvertretern und Vertrauten Johann Gärtner und Uschi Winkelsett wurde der Zutritt verwehrt - eine Maßnahme, für die die Zeitung Nation + Europa (2/00) vollstes Verständnis zeigte: "Schon im Vorfeld waren beide wegen ihrer aggressiven, parteischädigenden Haltung mit einem Hausverbot belegt worden. Damit wollten die Wiesbadener REP-Abgeordneten eine Störung der Versammlung aus den Reihen des eigenen Parteipräsidiums verhindern."

In dieser verfahrenen Situation, da sich die Misserfolge häufen und dem Vorsitzenden die Partei zunehmend entgleitet, wird das Heil wieder einmal in Vereinigungsszenarien gesehen. Heiner Kappel, seit Ende April 1999 Parteivorsitzender des besitzbürgerlichen, neoliberalen Bundes Freier Bürger (BFB), hatte die Initiative ergriffen und im Herbst ähnlich ausgerichtete Formationen zu Gesprächen über mögliche Kooperationen geladen. Zwischen Oktober und Dezember kam es zu mehreren hochrangig besetzten Treffen in Frankfurt/Main und Fulda, an denen u.a. Funktionäre der REPublikaner, der Deutschen Sozialen Union (DSU), der Deutschen Partei (DP), der Freien Bürger Union des ehemaligen CSU-MdB Ortwin Lowack, der unvermeidliche Alfred Mechtersheimer für dessen Deutschland-Bewegung und selbstverständlich der Bund Freier Bürger selbst teilnahmen.

Als Heiner Kappel jetzt, vom Beifall umrauscht, als Gastreferent beim Strategiekongress der REPs in Leipzig auftrat, zu dem ansonsten nur handverlesene Funktionäre Zugang hatten, wähnten sich viele REPs am Ziel ihrer Vereinigungswünsche, zumal die Junge Freiheit (9/00) wenig später vermeldete, in Kappels Vortrag sei es nur noch um "die Form eines in Kürze umzusetzenden Zusammenschlusses mit den Republikanern" gegangen.

Alfred Mechtersheimer, ein weiterer selbst ernannter Sammler, reagierte aufgeregt in einem Fax an Baldur Springmann vom 23. Februar. Kappel, so Mechtersheimers Darstellung, "empfahl zwar eine Namensänderung, niemand aber hatte dort den Eindruck, dass er dies zur Bedingung mache. Er soll von Schlierer das Amt eines stellvertretenden Bundesvorsitzenden versprochen bekommen haben. (...) Damit hat Kappel den gemeinsamen Ansatz für eine neue Partei mit neuem Programm und neuen Leuten einseitig zu Gunsten eines Parteieintritts bei den Rep aufgegeben ... Wir waren bisher alle einig, dass für eine Umkehr des Negativtrends der nationalen Parteien mehr erforderlich ist als ein Parteibeitritt."

Zusätzlich fühlte sich Mechtersheimer von dem Duo Schlierer/Kappel düpiert. Als Konsequenz aus dem Scheitern der Vereinigungsszenarien hatte er nämlich eine "Deutsche Aufbau-Organisation (in Gründung)" ins Leben gerufen, die - selbstverständlich unter seiner eigenen Führung - den Kern einer noch zu gründenden gemeinsamen Partei der extremen Rechten darstellen sollte. Diese Bemühungen sieht er jetzt konterkariert, denn in einem Schreiben der REP-Bundesgeschäftsstelle an die Funktions- und Mandatsträger der Partei vom 21. Februar heißt es zu den Ergebnissen der Strategiekonferenz: "Ohne direkte Nennung der Initiatoren wurde aber den Bemühungen der sogenannten ,Deutschen Aufbau-Organisation (i.Gr.)` eine Absage erteilt. Sowohl Dr. Kappel als auch Dr. Schlierer betonten, dass eine Partei wie die Republikaner mit 15.000 Mitgliedern der Kristallisationspunkt sein müsse." Mechtersheimer wäre damit an den Rand gedrängt worden.

Kappel dementierte noch am gleichen Tag in einem Fax an den "lieben Herrn Mechtersheimer": "Von meinem - am Ende ja individuellen - Beitritt zu den Republikanern war zu keinem Zeitpunkt die Rede". Er verweist darauf, dass das weitere Vorgehen seiner Partei von "eine(r) wichtige(n) Sitzung am 26.2. mit anderen Parteien" abhängig sei.

Wie schon so manches mal zuvor, hatte Kappel tatsächlich auf zwei Plätzen gleichzeitig gespielt. Er hatte zwar dankbar die Gelegenheit zur Profilierung vor fremden Publikum in Leipzig genutzt, dachte aber gar nicht daran, seinen BFB von den erheblich stärkeren REPs schlucken zu lassen. Der ehemalige FDP-Landtagsabgeordnete weiß natürlich nur zu genau, dass ihm wichtige Teile der Partei bei einem solchen Schritt nicht folgen würden. Wenn es denn irgendwann zu einem Zusammenschluss mit den REPs kommen sollte, so wohl das Kalkül, dann muss dies von einer stärkeren Position aus geschehen, um die Ausgangslage zu verbessern.

So fanden denn die - eigentlich bereits gescheiterten - Konsensgespräche am 26. Februar in Petersberg bei Fulda ihre Fortsetzung, allerdings diesmal sowohl ohne Mechtersheimer als auch ohne die REPs. Das Ergebnis war die Bekanntgabe einer beabsichtigten Miniatur-Sammlungsbewegung. Die DP, die DSU und der BFB beschlossen eine Fusion, über die allerdings noch die jeweiligen Parteigremien beschließen müssen, unter dem neuen Namen "Deutsche Partei", den die beiden anderen beteiligten Parteien bereits jetzt als Zusatz in den eigenen Parteinamen aufnehmen wollen. Mit der Freien Bürger Union, so Kappel im Interview mit der Jungen Freiheit, bestehe "ein inhaltlicher Konsens". Daneben werde eine Einigung mit der Mittelstandspartei und ähnlichen Gruppierungen angestrebt. Bedeutung kann allerdings keine einzige dieser Formationen für sich reklamieren, höchstens - wie die Deutsche Soziale Partei - eine gewisse regionale Verankerung. Den REPs dagegen wurde zunächst einmal die Tür vor der Nase zugeschlagen. Man lässt sich allerdings das Hintertürchen offen, dass ein gleichberechtigtes Zusammenwirken zu einem späteren Zeitpunkt doch möglich wäre. Da die Fortsetzung des Zerfalls der REPs absehbar ist, kann man beruhigt auf Zeit spielen.

Fusion zur Deutschen Partei

Der Streit rechtsaußen dürfte durch die jüngsten, noch in der Zukunft liegenden Zusammenschlüsse und Koalitionen nicht beendet sein. Im Gegenteil. Der Krach geht jetzt erst richtig los. Er wird anhalten, da für keinen der Beteiligten ein Erfolg absehbar ist. Ein "deutscher Haider" ist nicht in Sicht, nur viele, die diese Rolle gern ausfüllen möchten. Der "Österreich-Effekt", der so sehr ersehnte, bleibt aus. Man muss kein Prophet sein, um diese Prognose zu wagen.

Jean Cremet