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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 437 / 13.4.2000

Angola im dritten Jahrzehnt des Krieges

Verkauf von Diamanten und Öl an den Norden finanziert den Krieg

Die zwischenzeitlich immer wieder aufflackernde Hoffnung auf Frieden wurde in Angola jeweils aufs Neue zerstört. Dabei zieht nicht nur das militärische Patt zwischen der MPLA und der UNITA den Krieg in die Länge, auch das Interesse der Transnationalen Konzernen an den Rohstoffen des Landes heizt das Kriegsgeschehen an: Während der Kriegsjahrzehnte hat sich in Angola eine profitable Kriegsökonomie herausgebildet, die mitverantwortlich für die "Friedensmüdigkeit" der Kriegsparteien ist. Der Export von Öl und Diamanten finanziert nicht nur die Waffenkäufe, sondern versorgt auch ein Geflecht von Geschäftsleuten, Söldnern, Sicherheitsdiensten, Ölfirmen, Diamantenverkäufern und Waffenhändlern mit satten Gewinnen.

In zahlreichen afrikanischen Ländern verlieren Regierungen und staatliche Institutionen die Kontrolle über Teile ihres Staatsgebietes und somit auch über die dort vorhandenen Rohstoffvorkommen. Rebellen, Oppositionsgruppierungen oder sogenannte warlords verkaufen vorhandene Rohstoffe, um damit eigene Interessen zu finanzieren. Im Zentrum der Konflikte stehen oftmals Transnationale Konzerne, die mit Unterstützung "ihrer" Regierungen aus dem Norden, in die Konflikte eingreifen, die Kriegssituation für ihre Zwecke ausnutzen und damit den Krieg anheizen und verlängern. Angola ist dafür nur ein Beispiel.

Der Krieg in Angola wird nicht mehr um Ideale oder um Unabhängigkeit geführt. Er ist auch kein Stellvertreterkrieg der großen Mächte. "Der Krieg in Angola ist ein Krieg ohne Moral, ohne Ideale. Es geht nur noch um Geld, persönliche Macht. Sowohl die gewählte Regierung als auch die Rebellen kämpfen gegen das eigene Volk", beschreibt der angolanische Intellektuelle Rafael Marques (1) den Krieg in dem südwestafrikanischen Land.

Beteiligt am Krieg sind nicht nur die angolanischen Fraktionen, sondern auch ausländische Regierungen, Ölkonzerne und Diamantenhändler. Ohne die Absatzmärkte im Norden wäre der Krieg nicht finanzierbar. Der Krieg in Angola ist ein hochprofitables und stabiles System, das wahrscheinlich nur nach Beendigung des Zustroms von Finanzmitteln in sich zusammenfallen würde (ähnlich wie in Mosambique).

Während sich die Regierungspartei MPLA in erster Linie über den Verkauf von Erdöl und nur zu einem kleineren Teil mit dem Erlös von Diamantenverkäufen finanziert, sind Diamanten die wichtigste Ressource der von Jonas Savimbi geführten UNITA. Mit den Diamantenverkäufen in Europa und Nordamerika erzielte die UNITA zwischen 1992 und 1998 Gewinne von mindestens 3,7 Milliarden US-Dollar.

Wichtiger Abnehmer der angolanischen Diamanten ist die Firma De Beers. Seit 60 Jahren dominiert das britisch-südafrikanische Unternehmen und seine Central Selling Organisation (CSO) die internationale Diamantenindustrie, indem sie über 70 Prozent der weltweiten Diamantenproduktion klassifizieren, bewerten und verkaufen. Durch dieses Kartell kann der Preis für Diamanten, die entgegen gängigen Vorstellungen gar nicht so selten vorkommen und an sich keinen hohen Wert besitzen, hochgehalten werden.

Sanktionen gegen die UNITA

1997 und 1998 verhängte der UN-Sicherheitsrat Sanktionen gegen die UNITA, da sie gegen Bestimmungen des Friedensabkommens (Lusaka-Protokoll von 1994) verstoßen hat. Die beiden Resolutionen haben zum Ziel, den direkten oder indirekten Export von UNITA-Diamanten zu unterbinden. Mittlerweile gab De Beers bekannt, dass sich die Firma aus Angola zurückziehen werde. Sie würden auch keine Diamanten mehr von der UNITA kaufen. Dies hieße jedoch entweder, dass die UNITA bald nicht mehr in der Lage wäre, ihre von Diamantenverkäufen erzielten Gewinne für Waffen auszugeben oder dass die UNITA ihre Diamantenproduktion außerhalb des Kartells - beispielsweise auf dem inoffiziellen russischen Markt - verkaufen wird. Das wiederum würde bedeuten, dass in absehbarer Zeit die Diamantenpreise verfallen. Man darf gespannt sein, welches Szenario eintritt.

Jedenfalls kommt der im März dieses Jahres veröffentlichte UN-Bericht über die Einhaltung der internationalen Sanktionen gegen den Diamantenhandel der UNITA zu dem Ergebnis, dass die Steine der Rebellenbewegung nach wie vor an die Börse von Antwerpen gelangen.

Die "ethische Bergbaupolitik" von De Beers bedeutet einen Strategiewandel: Der Konzern verliert zunehmend die Kontrolle über den Markt. Daher unternimmt De Beers den Versuch, konkurrierende Diamantenschürfer und -händler mit Hilfe von ethischen Standards, die die informellen Händler nicht erfüllen können, vom Markt zu drängen.

Die "neue Ethik" von De Beers entpuppt sich als geschickter Schachzug, den Markt wieder in den Griff zu bekommen. Oder wie es ein Vertreter des Hohen Diamantenrats unverblümt aussprach: "Wenn man die Entwicklung Angolas zu einem der größten Diamantenproduzenten der Welt aufhalten will, muss man es jetzt tun." (taz 13.03.00)

Bei der Kontrolle über Bodenschätze werden die Konzerne und warlords seit vielen Jahren von privaten Söldnern und Sicherheitsfirmen unterstützt. Schnell und ohne internationale Verhandlungen und Kontrolle können Söldnerheere jederzeit aufgestellt werden. Die südafrikanische Sicherheitsagentur Executive Outcomes (EO) war lange Zeit Marktführer der privaten Sicherheit. (2) Ursprünglich hatte EO auf der Seite der UNITA gegen die Regierung gekämpft. Das Motto von EO: "politische Offenheit nach allen Seiten als unternehmerische Initiative".

EO rekrutierte ihre Söldner größtenteils aus einer Spezialeinheit der südafrikanischen Armee. Die Angebotspalette umfasst sämtliche militärische Dienstleistungen, die für einen Bodenkrieg notwendig sind. 1992 hat EO für die in Angola operierenden Ölgesellschaften Gulf Chevron und Pentrangol Ölfelder an der Küste von Soyo geschützt. Dies mündete 1993 in das Angebot, die angolanischen Streitkräfte (FAA) umzustrukturieren und neu auszubilden. Zwei Jahre später eroberten die EO-Söldner die Diamantenzentren Saurimo und Cafunfo in der Provinz Lunda Norte zurück. Hauptgewinner dieser Operation war der Diamantenkonzern De Beers - der mit wachsendem Unmut die Kontrolle der UNITA über die Diamantengebiete beobachtete - sowie der mit EO assoziierte Konzern Diamond Works. Mittlerweile hat die amerikanische Military Professional Ressources, Inc. (MPRI) den Vertrag zur Sicherung der Soyo-Ölfelder übernommen.

Es hat sich ein Markt herausgebildet, in dem militärische Offensiven und wirtschaftliche Ambitionen ineinander greifen und mit dem Verweis auf Sicherheitsinteressen gerechtfertigt werden.

Während die Rebellenbewegung UNITA ihre Waffenkäufe weitgehend aus den Einnahmen der illegalen Diamantenausfuhr finanziert, ist die Regierung Angolas unter Präsident Jose Eduardo dos Santos auf den Ölexport angewiesen. Der Erdölexport beträgt etwa 94 Prozent der Exporterlöse Angolas. Auf Grund der kriegsbedingten Zerstörung fast aller anderen Wirtschaftsbereiche trägt die Erdölwirtschaft etwa 45 Prozent zum angolanischen Bruttoinlandsprodukt bei.

Angola gilt inzwischen als weltweit lukrativstes Explorationsgebiet. Experten schätzen, dass das südwestafrikanische Land in den nächsten Jahren Nigeria, den führenden Ölproduzenten auf dem afrikanischen Kontinent, überholen und zu Afrikas größtem Erdölexporteur aufsteigen könnte. Das Handelsblatt zählt schon jetzt Angolas Ölfirma, den Staatskonzern Sonangol, zu einer der mächtigsten Firmen auf dem afrikanischen Kontinent.

Geschickter Schachzug von De Beers

Die guten Rahmenbedingungen - die Ölfelder liegen überwiegend vor der Küste sowie in der Exklave Cabinda und sind weitgehend vom Krieg verschont geblieben - locken immer mehr Investoren ins Land: Chevron aus den USA, Amoco-BP, Mobil und ESSO aus Großbritannien, Statoil aus Norwegen und die britisch-niederländische Shell.

Die US-Regierung hat mittlerweile die Seiten gewechselt - nachdem sie 20 Jahre lang gemeinsam mit Apartheid-Südafrika die UNITA im Kampf gegen die damals sozialistische Regierungspartei MPLA unterstützte. Amerikanische Ölkonzerne haben acht Milliarden Mark in Angola investiert. Öl aus Angola deckt derzeit sieben Prozent des amerikanischen Bedarfs. Auf 16 Prozent soll dies bis zum Jahr 2005 gesteigert werden.

Die angolanische Regierung vertraut nach den jüngsten Funden und dem Anstieg des Ölpreises zunehmend auf den weiteren Anstieg ihrer Erdölproduktion. Damit kann sie weiterhin Waffen aus der Ukraine, Brasilien und Russland kaufen - zumal auch direkte Verbindungen zwischen Ölfirmen und Waffenhändlern bestehen. Beispielsweise verweist der Name der Ölfirma Falcon Oil & Gas , die in einem Förderungsblock Partner von Exxon ist, auf Pierre Falcone. Dieser besitzt enge Kontakte zu dem General und Waffenkäufer Manuel Helder Vieira Dias und hat eine "Transportlinie" für Waffen aus Osteuropa aufgebaut. Auch die Firma Pro-Dev aus der Schweiz, ebenso Anteilseignerin an einem Ölfeld, besitzt Kontakte zur südafrikanischen Rüstungsfirma Denel Corporation und soll bereits in größeren Waffengeschäften zwischen British Aerospace und verschiedenen Regierungen im Nahen Osten vermittelt haben.

Öl schmiert die Kriegsmaschinerie

Es liegt nahe, dass Pro-Dev der angolanischen Regierung ähnliche Dienste anbietet. Die Anteile an ihrem Fördergebiet könnte die Firma als Zahlungsgarantie erhalten haben. Da Regierungen, wie die von Angola, über keine Kapitalreserven verfügen, mit denen sie ihre Importe bezahlen können, sind die Waffenschieber genauso wie die Transnationalen Konzerne inzwischen dazu übergegangen, zukünftige Öleinnahmen als finanzielle Garantie zu akzeptieren. Verstärkt sind Ölfirmen, private Banken und Investment-Firmen als Geld- und Kreditgeber auf den Plan getreten. Mit sogenannten "signature bonuses" für Bohrrechte in den lukrativen Fördergebieten vor der Küste zahlten BP-AMOCO, Exxon und Elf-Aquitaine schätzungsweise 900 Millionen US-Dollar an die angolanische Staatsfirma Sonangol. Mittlerweile hat die angolanische Regierung die Einnahmen von mehr als drei Jahren Erdölproduktion bereits vorgemerkt, um internationale Schulden zurückzuzahlen. Diese belaufen sich nach Angaben des südafrikanischen Daily Mail &Guardian auf 11 Milliarden US-Dollar. Gleichzeitig soll die Aussicht auf eine erhöhte Ölförderung als Sicherheit für neue Kredite dienen.

Die Ursachen des langen Krieges in Angola eindeutig zu benennen, fällt schwer. Nur so viel ist sicher: Inzwischen geht es eher um ökonomische Fragen als um politische Gegensätze. Die Ideologie wird zu einem Instrument der Kriegsökonomie, wenn es darum geht, die Bevölkerung bei der Stange zu halten. Der lange Krieg bietet vielen Menschen, vor allem denen in der Armee, eine ökonomische Grundlage - und sei es nur die Möglichkeit, systematische Plünderungen vornehmen zu können. Junge Männer haben oft nichts anderes gelernt als zu kämpfen; eine zivile Berufstätigkeit ist meist unvorstellbar. Der Krieg schafft die Bedingungen dafür, dass keine der kriegsführenden Parteien gezwungen ist, sich mit den Folgen des Krieges für die Bevölkerung auseinander zu setzen. Stagnation und Armut wird mit den Ausgaben für den Krieg gerechtfertigt. Doch dass dieser Krieg in diesem Ausmaß und in dieser Länge überhaupt möglich ist, liegt am Interesse der Transnationalen Konzerne die Rohstoffvorkommen des Landes billig auszubeuten und Länder wie Angola weiterhin in Abhängigkeit zu halten.

as /Anne Jung, medico international

Anmerkungen:

1.) Zitiert nach Stefan Schaaf: Der Fluch des Reichtums. Südwestfunk 1999. Als einer der wenigen Intellektuellen in Angola kritisiert Marques sowohl die Regierungspolitik als auch die Rebellenbewegung UNITA. Seine Bücher sind in Angola nicht erhältlich, da seine Lyrik als subversiv gilt. Er ist Sprecher der angolanischen Friedensbewegung, die in einem Friedensappell beide Kriegsparteien zu Friedensverhandlungen auffordert. Marques wurde im März dieses Jahres zu 6 Monaten Haft und einer Geldstrafe von 14.000 US-Dollar wegen Verunglimpfung des Staates verurteilt. (Infos zur Soli-Kampagne gibt es bei medico international)

2.) EO hat sich offiziell im Januar 1999 aufgelöst. Angeblich operieren sie im Untergrund weiter. Derzeitiger Marktführer ist die britische Firma Sandline International, die EO auch schon in Papua-Neuguinea als Subunternehmen rekrutiert hatten.