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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 437 / 13.4.2000

Deportation.class

Kampagne gegen das Lufthansa-Geschäft mit der Abschiebung

Am 28. Mai 1999 starb der sudanesische Flüchtling Aamir Mohamed Ageeb an Bord einer Lufthansa-Maschine. Er sollte, durch BGS-Beamte begleitet, in den Sudan abgeschoben werden. Die Beamten hatten ihn gefesselt, ihm einen Motorradhelm aufgesetzt und ihn so lange auf den Sitz gedrückt, bis er erstickte.

Der Tod von Aamir Mohamed Ageeb war im letzten Jahr der Auslöser für das bundesweite Netzwerk kein mensch ist illegal, auf die Verantwortung der Lufthansa bei Abschiebungen hinzuweisen und gegen ihre Beteiligung zu protestieren. In diesem Zusammenhang fanden dann auch schon 1999 einzelne Aktionen bei Reisebüros, auf Flughäfen oder z.B. bei der Aktionärsversammlung der Lufthansa statt. Nun soll dieser Protest in einer bundesweiten Kampagne gebündelt und forciert und nach einer Anfangsphase auch auf internationaler Ebene angestoßen werden.

Die Kampagne will durch vielfältige Aktionen und Projekte eine breite Öffentlichkeit erreichen, um auf die Verantwortung der Lufthansa aufmerksam zu machen. Es handelt sich dabei nicht um eine Boykottkampagne. Die Kampagne zielt vielmehr darauf, dass Lufthansa angesichts eines drohenden Imageverlustes vom "Geschäft mit der Abschiebung" ablässt.

Etliche Kampagnen der letzten Jahre haben wiederholt gezeigt, dass international operierende Konzerne reagieren, wenn sie einen Ruf zu verlieren haben. Der befürchtete Imageverlust hatte auf die oberen Konzernetagen sowohl in der Kampagne gegen Shell als auch im Zusammenhang mit der Entschädigung ehemaliger ZwangsarbeiterInnen eine enorme Wirkung. Dass auch die großen Fluggesellschaften auf Proteste sensibel reagieren, belegen Beispiele aus den Niederlanden, Belgien und der Schweiz: Im vergangenen Jahr beschloss Swissair, bis auf weiteres die Mitnahme "renitenter Deportees" in ihren Maschinen zu verweigern. Die Dachbesetzung bei Martin Air und die Androhung einer massiven Kampagne durch niederländische AktivistInnen vom Autonoom Centrum führten dazu, dass der Konzern aus dem Geschäft mit den Sammelabschiebungen ausschied.

Sie haben einen guten Ruf zu verlieren

Der Lufthansa sind allerdings bislang größere Proteste selbst nach dem Tod von Aamir Mohamed Ageeb erspart geblieben. Das soll sich nun ändern: Das schmutzige Geschäft mit den Abschiebungen und die Verantwortung der Lufthansa sollen in eine breite Öffentlichkeit getragen werden. Die ebenso klare wie einfache Forderung an die Lufthansa lautet: Ausstieg aus diesem Geschäftsbereich!

Anstelle eines Boykottaufrufs setzt die Kampagne auf die breite Veröffentlichung der gewalttätigen Schattenseite des Luftverkehr-Business und die Aufforderung an Fluggäste wie Flugpersonal zur Zivilcourage und zum Handeln gegen Abschiebungen. "Und deswegen werden wir überall auftauchen, wo die Lufthansa präsent ist, im Internet, vor den Flugschaltern auf den Airports, bei den Niederlassungen der Lufthansa, in Reisebüros. Wir werden alle Mitarbeiter der Gesellschaft auffordern, den Transport von ,Schüblingen` abzulehnen, und sie und die Fluggäste über Möglichkeiten des Protestes gegen Abschiebungen aufklären. Denn nicht nur der Bundesgrenzschutz und die Geschäftsführungen der Luftfahrtgesellschaften tragen Verantwortung für Abgeschobene. Auch Piloten, Stewardessen, das Bodenpersonal und Polizisten können sich weigern, als willfährige Handlanger der staatlichen Abschiebepolitik zu fungieren, und damit womöglich das Leben von Flüchtlingen retten. Flugkapitäne sind nicht nur für die Sicherheit, sondern auch für das Leben und die körperliche Unversehrtheit an Bord verantwortlich. Um dem verzweifelten Protest von Flüchtlingen zum Erfolg zu verhelfen, bedarf es oft gar nicht viel. Manchmal genügen laute Worte oder die schlichte Weigerung von Passagieren, sich beim Start der Maschine hinzusetzen. Wir fordern deshalb auch die Fluggäste auf, gegen Abschiebungen zu protestieren." (Kampagnenzeitung deportation.class)

Dass das Eingreifen von Passagieren durchaus erfolgreich sein kann, bewiesen im letzten Jahr die Fluggäste eines Swissair-Fluges nach Kinshasa, sie befreiten einen gefesselten Asylbewerber. "Der Mann, der hinter einem Vorhang platziert worden war, hatte durch Schreien auf sich aufmerksam gemacht. Bei einer Zwischenlandung in Kamerun rissen rund 20 Passagiere den Vorhang weg, schlugen und traten auf die Schweizer Polizisten ein und befreiten den jungen Mann." (FR, 29.05.1999) Die Abschiebung wurde somit von den Fluggästen abgebrochen, der 23-jährige Kongolese kehrte in die Schweiz zurück. Als kurze Zeit später ein palästinensischer Flüchtling bei seiner Abschiebung eines gewaltsamen Todes stirbt, stellt Swissair den Transport von "renitenten Deportees" ganz ein.

Wesentlich unspektakulärer wurde die Abschiebung des Kurden Naci Assin noch vor dem Abflug verhindert: "Im Flugzeug sind der Freund und Naci aufgestanden und weigerten sich, sich anzuschnallen. Damit war der Flug blockiert. Irgendwann kam die Polizei rein und hat beide rausgeschleift ..." (junge welt, 13.3.1998)

Warum steht "nur" die Lufthansa im Zentrum der Kampagne, ist es doch so, dass die gesamte Abschiebepraxis und ihre Instrumente insgesamt ausgehebelt werden müssten? Die Lufthansa ist eben jener Konzern, der in der BRD eine ähnliche Funktion übernimmt wie KLM in den Niederlanden oder Swissair in der Schweiz.

Fasten your
seat belt ...

Er sorgt dafür, dass Abschiebungen quasi rund um die Uhr in fast jedes Land der Welt möglich sind. Somit spielt die Lufthansa im Abschiebesystem eine zentrale Rolle. Wenn hier eine Änderung der Konzernpolitik erreicht werden kann, müssen Alternativen überlegt werden, die vielleicht nicht so reibungslos über die Bühne gehen. So funktionieren bislang Einzelabschiebungen nicht ohne die regulären Linien- und Charterflüge. Bei Abschiebungen in verschiedene Länder ist die "Ausschaffungs"-Maschinerie auf diese Möglichkeit der Einzelabschiebungen angewiesen, da Sammelabschiebungen organisatorisch und finanziell nicht zu machen sind. Ein Ausstieg der Lufthansa aus dem Abschiebebusiness wäre ein großer Erfolg.

Die Lufthansa-Kampagne bietet sehr viele konkrete Ansatzpunkte, da der Konzern fast überall vertreten ist (z.B. durch Reisebüros) - und das in ganz Europa. Hieraus ergeben sich womöglich ungeahnte Aktions- und Kooperationsmöglichkeiten. Da auch in den Benelux-Ländern, Frankreich und Italien die Fluggesellschaften Thema für die Antirassismus-Bewegungen sind, ist eine Zusammenarbeit zumindest punktuell schon vorprogrammiert.

Doch erst einmal muss die Kampagne in der BRD anlaufen. Im April gibt es in einigen Städten Aktionen an Flughäfen. Zum Todestag von Aamir Mohamed Ageeb ist für den 26.-28. Mai verabredet, in vielen Städten Mahn- und Protestaktionen zu veranstalten. Im Juni sollen Aktionen bei der Lufthansa-Aktionärsversammlung in Berlin ein erster Höhepunkt der Kampagne sein. Dabei wird die Kampagne an die positive Zusammenarbeit mit den Kritischen AktionärInnen im Vorjahr anknüpfen. War die damalige Aktion recht spontan organisiert, könnte mit der jetzt noch verbleibenden Vorbereitungszeit die Lufthansa-Aktionärsversammlung dieses Mal zu einem Spektakel werden, an das sich die Lufthansa noch lange erinnern wird. So wird es der Konzernspitze und den vielen AktionärInnen vielleicht nicht mehr möglich sein, sich vor einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema zu drücken.

Neben der Abschiebepraxis soll die Lufthansa im Rahmen der Kampagne auch immer wieder an ihre Verantwortung gegenüber den ehemaligen ZwangsarbeiterInnen erinnert werden, die in den Lufthansa-Werken während des Nationalsozialismus schuften mussten. Allzu klammheimlich ist die Lufthansa dem "Entschädigungs"-Fonds beigetreten, mit dem Ziel, das Thema und eine Kritik erst gar nicht in der Öffentlichkeit aufkommen zu lassen. So billig soll sie nun doch nicht davonkommen.

Deshalb sollen die Forderungen nach Entschädigung und einer Aufarbeitung der Konzerngeschichte (Öffnung der Archive) immer wieder Thema in der Kampagne sein. So sind z.B. Veranstaltungen mit ehemaligen ZwangsarbeiterInnen geplant. Ein Teil der Wanderausstellung, die im Rahmen der Kampagne erstellt wurde, ist auch diesem Thema gewidmet. Daneben können sich die BesucherInnen der Ausstellung darüber informieren, wie sie sich am Flughafen und im Flugzeug bei Abschiebungen verhalten können. Plakate, die im Rahmen der Kampagnen-Vorbereitung entstanden sind, veranschaulichen verschiedene Aspekte, was Abschiebungen für die Flüchtlinge bedeuten und wie damit Geld gemacht wird. Texttafeln bieten Hintergrundinformationen zur Abschiebepolitik und der Rolle der Lufthansa. Die Ausstellung wird in verschiedenen Städten der BRD (und eventuell der Nachbarländer) zu sehen sein.

Gegen die Abschiebungen durch die Lufthansa sind noch viele andere Aktionen denk- und machbar: Alle Orte, an denen die Lufthansa in der Öffentlichkeit präsent ist, können für eine Gegenöffentlichkeit genutzt werden - Tourismusmessen, Flughäfen, Reisebüros, das Internet etc. So haben in Berlin ein gutes Dutzend Leute im März eine Aktion bei der Internationalen Tourismusbörse durchgeführt, bei der auf die Rolle der Lufthansa bei Abschiebungen aufmerksam gemacht wurde. (siehe: www.deportation-alliance.com)

Erklärtes Ziel bei allen Aktionen soll sein, das Image der "sauberen" Fluggesellschaft mit dem Makel der Beteiligung an Abschiebungen zu beflecken und der Lufthansa das Geschäft (damit) zu vermasseln. Damit die Kampagne gegen die Abschiebungen durch die Lufthansa erfolgreich wird, ist ihre Verbreiterung natürlich unabdingbar. Ansatzpunkte und Interventionsmöglichkeiten bietet die Lufthansa zur Genüge. Sollte es gelingen, das antirassistische Spektrum und andere Teile der Linken in der BRD für diese Kampagne zu gewinnen, dann wird sich die Lufthansa spätestens im Sommer sicher anschnallen müssen.

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