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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 438 / 11.5.2000

Manche lernen's nie

Sichtweisen realsozialistischer Friedenspolitik

Führen wir uns Auszüge eines Referats zu Gemüte, das der Bezirksvorsitzende der DKP Hamburg, Olaf Harms, auf der jüngsten Bezirkskonferenz der "konsequent antiimperialistischen und damit antimilitaristischen Kraft" gehalten hat: "Trotz bestehender Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der strategischen und inhaltlichen Orientierung der Friedens- bzw. Antikriegsbewegung in Hamburg werden wir weiter alles daran setzen, alle gesellschaftlichen Kräfte im Friedenskampf zu bündeln. Wie bisher werden wir deshalb aktiv dazu beitragen, dass wechselseitige Ausgrenzungen und künstlich herbeigeführte, kontraproduktive Abgrenzungen z.B. zwischen Pazifisten und Antimilitaristen oder auch z.B. zwischen Vertreterinnen von Regenbogen und Vertreterinnen des autonomen Spektrums solidarisch überwunden werden."

Gelogen, Genosse Harms! Der DKP und anderen Kräften des Hamburger Forums ist sehr wohl an einer Ausgrenzung bestimmter Positionen gelegen. Insbesondere der, die sich nicht an das einfache Erklärungs-, Deutungs- und Denkmuster hält: "Der Feind meines Feindes ist mein Freund."

Ein Erfolg, und von vielen Teilnehmenden des letztjährigen Ostermarsches in Hamburg als erfreulich empfunden, war die Meinungsvielfalt in den Redebeiträgen auf den diversen Kundgebungen. Die Stoßrichtung war klar: Gegen den Krieg der NATO in Jugoslawien. Aber es waren auch Verweise auf innerjugoslawische Widersprüche und die serbisch-nationalistische Unterdrückungspolitik im Kosovo zu hören.

In diesem Jahr kein Mucks davon. Fast könnte man meinen, den Apologeten der jugoslawischen Führung passt es in den Kram, dass die UCK im Kosovo unter dem Patronat der KFOR-Truppen eine Vertreibungspolitik gegen die serbische Bevölkerung, gegen Roma und Sinti betrieben hat. Gegen diese rassistische Politik wird, man muss es betonen, vollkommen zu Recht heftigst protestiert. Nur: Im vergangenen Jahr herrschte bei DKP, dem PDS-Landesverband Hamburg oder der jungen Welt großes Schweigen zur Unterdrückungs- und Vertreibungspolitik der jugoslawischen Führung im Kosovo. Das Bittere an den Aussagen der, nennen wir sie Traditionslinken, ist, dass sie noch nicht einmal ansatzweise eine leise Kritik an der jugoslawischen Politik in Erwägung ziehen. Den richtigen Ansatz, die Lügen der Scharpings, Walkers, Fischers usw. zu widerlegen, konterkarieren sie, indem sie die innerjugoslawischen Widersprüche ignorieren oder gar bestreiten.

Sie stehen für eine Linke, die aus der eigenen Geschichte und den eigenen Fehlern (und hier ist die Geschichte der staatssozialistischen Linken gemeint) nichts, aber rein gar nichts gelernt haben. Diese gedankliche Dumpfheit wird auch noch mit dem Gestus der unbeugsamen antiimperialistischen FriedenskämpferInnen vor sich her getragen.

Für diese Kräfte sind militärische Konflikte nur als "regionale bewaffnete Interventionen oder als von außen gesteuerte Bürgerkriege" denkbar, die "aber auch auf längere Sicht auch das Risiko eines Krieges zwischen den großen Mächten in sich bergen", meint der Vorsitzende Harms.

Die gleiche Denkrichtung schlägt der PDS-Landesverband Hamburg ein: "Um die Neuaufteilung der Welt, vor allem um die Kontrolle der sozialistischen Staaten, wird nicht nur in Jugoslawien Krieg geführt. Die sozialen Konflikte in diesen Ländern werden gezielt geschürt und reaktionäre, separatistische Gruppierungen unterstützt, um die Zersplitterung in vollständig abhängige Kleinststaaten zu erwirken." Entsprechend gab der Hamburger PDS-Landesverband in einem Flugblatt zum Hamburger Ostermarsch der linken Öffentlichkeit die "wahren Motive" der tschetschenischen Separatisten zur Kenntnis: "So kämpfen die tschetschenischen Warlords mit saudischem Geld nicht in erster Linie für die Einführung der Sharia, sondern vor allem dafür, dass US-amerikanische Ölkonzerne nicht nur die Ölvorkommen im kaspischen Meer, sondern ebenfalls die dazugehörigen Pipelines kontrollieren." Als Sprecher der "Warlords" fungiert im PDS-Flugblatt ein gewisser Zbigniew Brzezinski, ehemaliger US-Präsidentenberater.

Die absolute Spitzenleistung liefert Rüdiger Göbel in der Beilage der jungen Welt vom 24. März zum NATO-Krieg: ",Der Name Serbiens und seine Menschen werden in der ganzen Welt mit dem Kampf für Freiheit verbunden. Wir haben die Unterstützung und die Solidarität aller friedliebenden Menschen und Länder der Welt`, urteilte Jugoslawiens Präsident Milosevic im Februar dieses Jahres beim Parteikongress der SPS. Die mehr als 100 ausländischen Organisationen, Parteien und Bewegungen aus mehr als 65 Ländern - darunter das Who is who der US-amerikanischen Schurkenstaatenlisten und künftige Adepten dafür: unter anderem China, Russland, Indien, Nordkorea, Kuba, Irak, Libyen -, die vor vier Wochen in die Weiße Stadt an der Donau gekommen waren, untermauerten auf eindrucksvolle Weise diese Einschätzung der Belgrader Führung. Mit der Einberufung einer permanenten Konferenz friedliebender Staaten in der Welt und der Bildung einer ,multipolaren Front von Ländern` wurde für das antiimperialistische und friedenspolitische Engagement gegen die Willkürarroganz der USA und der NATO ein wichtiger Bezugspunkt geschaffen. Noch ist das ,Belgrader Forum für eine Welt der Gleichberechtigung` eine marginalisierte, von den NATO-Apologeten eher belächelte Zusammenkunft. Der neue antihegemoniale Pol könnte aber zum Hoffnungsträger für das kommende Jahrhundert werden - in nüchtern-realpolitischer wie utopisch-idealistischer Hinsicht. Er verdient alle Beachtung und Unterstützung. Ein kleines Licht am Ende des Tunnels auch für die leidgeprüften Menschen Jugoslawiens, die Solidarität so dringend brauchen." So der real nüchterne, ideal utopische Rüdiger Göbel.

Nach Lektüre dieser Zeilen war ich wirklich verunsichert, ob es sich vielleicht nicht doch um eine Satire handelt. Liest man aber den gesamten Artikel, muss man zu dem Schluss kommen: Der meint das ernst. Wohlgemerkt - es handelt sich um einen Autor, der als Jugoslawienspezialist gerne zu linken Veranstaltungen eingeladen wird und bei der jungen Welt als "stellv./kom. Chefredakteur" fungiert.

Es bleibt dabei: Im antimilitaristischen Kampf kann die Strategie, ausschließlich den Feind im eigenen Land zu benennen, ohne die Missstände im konkreten Fall in Jugoslawien zu kritisieren, keine emanzipatorische Politik hervorbringen. Dahinter verbirgt sich ein Sozialismusverständnis, das nur wenig mit Emanzipation, Freiheit und Vielfalt zu tun hat.

Und für die Friedensfreunde, die meinen, damit würde man die Seite wechseln, nochmal zur Kenntnis und Beruhigung: Vorrangiges Ziel im Antikriegskampf ist die Auflösung der NATO, der Bundeswehr und sonstiger militärischer Kampfgebilde.

gw.

"Der Feind meines Feindes ist mein Freund" Friedensbündnis mit Diktatoren?