Die Party muss noch warten
Mosambiques Gläubiger zeigen kein Erbarmen
In kapitalistischen Kreisen gilt Mosambique als Musterland. Ausländische Direktinvestitionen fließen ins Land und seit den letzten beiden Jahren liegt das wirtschaftliche Wachstum um etwa 10 Prozent bei einer ständig sinkenden Inflationsrate. Allerdings kommen diese Wirtschaftdaten in erster Linie deshalb zu Stande, weil der Korridor, der das südafrikanische Wirtschaftszentrum um Johannesburg mit dem Hafen in Maputo verbindet, für ausländische InvestorInnen lukrativ ist; - der Rest des Landes versinkt in Armut und selbst in dem Wirtschaftskorridor profitieren nur wenige vom derzeitigen Wirtschaftswachstum: Die Hälfte der Bevölkerung ist analphabetisch und hat kaum Zugang zu medizinischer Versorgung. In dem südostafrikanischen Land leben 70 Prozent der Menschen unter der Armutsgrenze.
1984 trat die Frelimo-Regierung (1) dem IWF und der Weltbank bei und erhielt 1987, nachdem das Land einer "Strukturanpassung" unterzogen wurde, erstmals einen IWF-Kredit von 37,3 Millionen US-Dollar. Mittlerweile belaufen sich Mosambiques Auslandsschulden nach Angaben von Jubilee 2000 auf über 8 Milliarden US-Dollar. Das zweitärmste Land der Welt ist nun eines der ersten, das auf eine "Schuldenerleichterung" der reichen Geberländer hoffen kann. Im Rahmen der HIPC-Initiative (Heavily Indebted Poor Countries) erlässt die Weltbank Mosambiques einen Teil seiner multilateralen Schulden. Der IWF und die Weltbank gehen davon aus, dass Mosambique nach der Schuldenerleichterung in den Jahren 1999 bis 2005 durchschnittlich 73 Millionen US-Dollar zurückzahlt. In den Jahren 1995 bis 1998 lag der jährliche Durchschnitt bei 114 Millionen US-Dollar.
Mosambiques Schulden gegenüber IWF und Weltbank machen aber nur ein Viertel seiner gesamten Schulden aus. Gut die Hälfte der Auslandsschulden entfällt auf die reichen Staaten des Nordens. Entgegen ihren Ankündigungen, die bilateralen Schulden weitgehend zu streichen, haben sie es auf ihrer Gläubigersitzung (Pariser Club) im März dieses Jahres nicht geschafft, sich auf eine Schuldenstreichung für Mosambique zu einigen. Sie konnten sich gerade noch durchringen, die Schulden für dieses Jahr zu stunden. Und die privaten Banken des Nordens, denen Mosambique ein Viertel seiner Auslandsverpflichtungen schuldet, haben noch nicht einmal die Absicht, diese in absehbarer Zeit zu streichen.
Gegenüber der Mosambique News Agency (AIM-Reports) sagte Jubilee 2000, dass Mosambique auch nach der Schuldenerleichterung in diesem Frühjahr jede Woche 1,1 Millionen US-Dollar an IWF, Weltbank und Länder des Nordens zahlen muss. Die Schuldenerleichterung beträgt demnach nur schlappe 15% der ursprünglichen Gesamtschulden.
Mäßige Schulden- erleichterung
Aber nicht einmal diese mäßige Schuldenerleichterung ist umsonst zu haben: Mosambique muss dafür weitere Strukturanpassungsmaßnahmen durchführen. Mit der HIPC-Initiative des IWF und der Weltbank kann ein Land nur dann eine Schuldenerleichterung erhalten, wenn es zwei Hürden nimmt: Es muss erstens sechs Jahre lang ein Strukturanpassungsprogramm im Rahmen des ESAF (Enhanced Structural Adjustment Facility) durchgeführt haben, um sich überhaupt für eine Schuldenerleichterung qualifizieren zu können. Zudem ist die Schuldenerleichterung selbst ein zweistufiger Prozess. Zunächst muss die Entscheidung für die Schuldenerleichterung fallen, an diese teilweise Schuldenstreichung werden jedoch noch zusätzliche Bedingungen geknüpft und erst wenn auch diese erfüllt sind, werden die Schulden tatsächlich teilweise gestrichen.
Der erste "decision point" für Mosambique war der 8. April 1998 und der "completion point" der 30. Juni 1999. Zu den Bedingungen, die Mosambique bis zum Stichtag zu erfüllen hatte gehörte u.a. die Einführung einer Mehrwertsteuer, die Entlassung von Staatbediensteten und die Senkung von Importtarifen.
Zucker, Cashewnüsse und Wasser
Mittlerweile hat sich der IWF noch etwas Neues einfallen lassen. Das ESAF-Programm heißt nicht mehr ESAF, sondern PRGF (Poverty Reduction and Growth Facility), zu dessen Kernstück ein Poverty Reduction Strategy Paper (PRSF) gehört. Die Initiative für Strukturreformen soll nun von den betroffenen Ländern selbst ausgehen; die "Armutsstrategiepapiere" sollen unter umfassender Beteiligung der Regierungen und ihrer "Zivilgesellschaft" entworfen werden. Was sich zunächst nett anhört, ist aber nichts anderes als eine PR-Strategie und ein weiteres Hineinregieren in die Politik der HIPC-Länder. Außerdem ist bislang ungeklärt, wie im Konfliktfall zwischen Konditionalität und Partizipation entschieden wird. Aber es ist kaum anzunehmen, dass die HIPC-Länder von den Kernelementen der klassischen IWF-Politik (Privatisiering, Liberalisierung, Deflationspolitik und Ausgabenkürzung) abweichen dürfen. Schließlich behalten sich IWF und Weltbank das Recht vor, die geplanten Schuldenerleichterungen zu erlauben oder zu verweigern bzw. zukünftige Kredite von "sound policies" und "good governance" abhängig zu machen.
Die HIPC-Initiative bleibt, was sie war: ein Instrument zur Durchsetzung von Strukturanpassungen und zur Machterhaltung der Finanzinstitutionen des Nordens. Die tief greifenden Reformen werden mit dem Schlagwort "Armutsbekämpfung" legitimiert und sind nichts anderes als die Zurichtung benachteiligter Gesellschaften und deren Menschen auf die "Erfordernisse des Marktes".
Bezogen auf Mosambique benutzte der IWF die geplante Schuldenerleichterung insbesondere dazu, zwei neue Bedingungen aufzustellen. Zum einen gestattet er der Regierung nicht, die ärmsten Menschen in den ländlichen Regionen mit sauberem Trinkwasser zu versorgen und zum anderen will er Mosambique davon abhalten, die Cashewnuss-Industrie zu retten.
Das "ESAF Policy Framework Paper for April 1999 -March 2002" hält fest, dass die Regierung bis 2002 die Trinkwasserversorgung von einem bedürfnisorientierten Versorgungsmodell auf ein Modell umstellen muss, dass eine Kostendeckung, kommunales Wassermanagement und die Privatisierung der Wasserversorgung vorsieht. Übersetzt bedeutet dieser IWF-Jargon, dass die Regierung aufhören muss, Wasser an die Menschen zu geben, die es brauchen, sondern nur an diejenigen, die es sich leisten können.
Die Cashewnuss-Industrie sorgte bis vor kurzem für den Löwenanteil an den mosambiquanischen Exporten. Die Cashew-Kerne liegen in einer harten Schale, die in Mosambiques größten Fabriken entfernt werden. 1994 wurden diese Fabriken privatisiert; die Regierung behielt aber weiterhin einen Ausfuhrzoll für unbearbeitete Nüsse aufrecht, damit die neuen Besitzer Zeit hätten, ihre Fabriken zu modernisieren. Ein Jahr später zwang der IWF im Rahmen des ESAF die mosambikanische Regierung, diesen Ausfuhrzoll zurückzunehmen. Damit wurde der Export von unverarbeiteten Nüssen nach Indien erleichtert. Dort ist die Nussverarbeitende Industrie stark subventioniert und ein Großteil der Arbeit wird von Kinderhänden verrichtet. Zahlreiche Fabriken in Mosambique mussten daraufhin schließen. Mosambique produzierte früher 150.000 Tonnen Cashewnüsse, heute ist die Produktion auf 20.000 Tonnen jährlich gefallen. Die meisten der Entlassenen sind Frauen.
Mittlerweile hat die Regierung wieder einen Zoll und weitere Ausfuhrrestriktionen eingeführt, damit die Fabriken wieder öffnen können. Dies ist jedoch eine klare Verletzung des "Letter of Intent" im Rahmen des ESAF-Programms der Regierung. Auch Protektionen für die Zuckerindustrie sind dem IWF ein Dorn im Auge. Bislang gibt es einen Extrapreis für importierten Zucker, der höher liegt als der Weltmarktpreis und des im Land produzierten Zuckers. Sollte die Besserstellung des heimischen Zuckers wegfallen, sei dies für die mosambiquanische Zuckerindustrie ruinös, so die Mosambique News Ageny. Fraglich ist, wie lange sich Mosambique in diesen Fragen noch über den IWF hinwegsetzen kann.
Abgesehen davon, dass mit der HIPC-Initiative nur weitere Demütigungen und Almosen anstehen, so sind die Bedingungen, die Mosambique erfüllen muss, um sich für die HIPC-Initiative zu qualifizieren, äußerst hart. Sie mögen zur weiteren Kapitalisierung der mosambiquanischen Gesellschaft und einem freieren Welthandel beitragen - die Armut verringern werden sie ganz sicher nicht. Der Bericht zur Situation in Afrika "Economic Commission for Africa" (ECA) der UNO von 1999 zeigt, dass sich die Versorgung von Grundbedürfnissen in zahlreichen Ländern, die ein ESAF-Programm durchlaufen haben, dramatisch verschlechtert hat. In 12 von 28 afrikanischen Ländern lag die Einschulungsrate nach Beendigung eines "Strukturanpassungsprogramms" unter der vor Beginn des Programms. In Tansania hatten die Menschen in absoluter Armut 1991 niedrigere Einkommen als 1983. Die Pro-Kopf Ausgaben für Gesundheit lagen in Simbabwe nach 1994 34 Prozent niedriger als vor der Unterzeichnung eines ESAF-Programms 1991. Und die Zahl der Frauen, die während der Geburt starben, verdoppelte sich im gleichen Zeitraum. Die Verteilung von Kondomen nahm um 43 Prozent ab, nachdem auch hierfür Gebühren erhoben wurden.
HIPC-Initiative zementiert Machtverhältnisse
Immer wieder fordern die mosambiquanische Regierung unter Präsident Joaquim Chissano, sowie NGOs (z.B. die Grupo Mocambicano para a Divida (GMD)) und Gewerkschaften die vollständige Streichung aller Schulden. Am Rande klingt dabei auch an, dass die Staaten und Banken, die jetzt Geld fordern, den Terrorkrieg der Renamo maßgeblich unterstützt haben. Doch ernsthafte Forderungen nach Entschädigung werden nicht erhoben. "Das Land wird weder jemals die Kapazität haben, alle Schulden zurückzuzahlen, noch die neuen Schulden, die bei internationalen Finanzinstitutionen aufgenommen werden", so Mosambiques Gewerkschaftsdachverband OTM. Und die mosambiquanische Tageszeitung metical schreibt: "Bislang gibt es nichts zu feiern. Heben wir die Party auf für den Tag, an dem alle Schulden gestrichen sind - und für den Tag, an dem über neue Kredite von uns selbst entschieden wird und die intelligent verwendet werden für die Entwicklung und das Wohlergehen hier. Zur Zeit versinken wir immer tiefer in Schulden, um internationale Bürokraten zu bereichern, ebenso weitgehend parasitäre Industrien wie die Beraterfirmen und transnationale Konzerne und um Kosten zu schaffen, die wieder neue Kredite erforderlich machen."
Der "Fall" Mosambique zeigt nicht nur die Unzulänglichkeit der HIPC-Initiative und die Zementierung der Machtverhältnisse durch diese Maßnahmen. Er verdeutlicht auch die Begrenztheit der Strategien, gegen die weitere Verschuldung vorzugehen. Der Bock kann nicht zum Gärtner gemacht werden - von den mächtigen Institutionen kann nicht ernsthaft erwartet werden, dass sie zu einer nachhaltigen Lösung des Armut- und Verschuldungsproblems beitragen können und wollen. Zudem erschwert die nationale Vorgehensweise der Schuldnerländer ein offensives Auftreten gegenüber IWF, Pariser und Londoner Club.
Dot Keet (2) sieht eine mögliche Lösung darin, dass alle Drittwelt-Schuldnerländer ausdrücklich und gemeinsam ihre Schulden zurückweisen: Aber sie müssten dann ebenfalls bereit sein, sich gemeinsam gegen Strafmaßnahmen der herrschenden finanziellen Institutionen und der politisch hegemonialen Mächte zu wehren. Diese Strategie verlangt sowohl politische Entschiedenheit auf der Seite der Regierenden des Südens als auch Bestrebungen, diese Lösungsmöglichkeit zum Bestandteil der internationalen Debatte zu machen. Beides ist aber bislang nicht in Sicht.
Anke Schwarzer
Anmerkungen:
1) Nachdem 1975 der portugiesische Kolonialismus auch in Mosambique seine Fahne einziehen musste, hatte die Befreiungsbewegung Frente da Libertacao de Mosambique (FRELIMO) nicht nur mit der Hinterlassenschaft der kolonialen Vergesellschaftung und dem Verlust von Subventionen, die Südafrika dem portugiesischen Regime gewährt hatte, zu kämpfen. Der rhodesische Geheimdienst baute aus heimatlosen Söldnern, Mitgliedern der Spezialeinheiten der portugiesischen Kolonialarmee und einigen FRELIMO-Dissidenten die Terrororganisation Resistencia Nacional Mosambiquana (Renamo) auf. Diese hatte die innere Zersetzung des Landes zum Ziel. Nachdem Rhodesien befreit war, übernahm 1980 der südafrikanische Sicherheitsapparat die Anleitung der Renamo. Das Apartheid-Regime hatte ebenfalls Interesse an einer Schwächung Mosambiques, da es dem südafrikanischen ANC Unterstützung gewährte.
2) Dot Keet ist Aktivistin aus dem Süden und arbeitet mit dem "Alternative Information & Development Centre" (AIDC) in Kapstadt, Südafrika zusammen. Vgl. Widerspruch 38/99, S.123-138