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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 440 / 6.7.2000

Botschaften in totgesagten Wortschätzen

Freundeskreis mit Esperanto auf Tournee

Esperanto heißt die aktuelle CD vom Stuttgarter Freundeskreis. Das ganze läuft unter dem Titel von Hip-Hop. Nicht das ich davon irgendetwas verstehe. Genau genommen überraschte mich sogar, dass das, was ich hörte, tatsächlich zu diesem Genre zählen sollte. Aber das kam mir in diesem Fall sehr entgegen. Leg dein Ohr an die Schiene der Geschichte. Diesen Titel von der ersten CD empfahl mir jüngst ein Antifa-Genosse, als wir über ak, Rio Reiser und die Welt sprachen.

Bereits 1997 veröffentlichte der Freundeskreis die Quadratur des Kreises mit dem besagten Titel. Und für einen alten Kader-Linken mit überfülltem Terminkalender war das schon klasse überraschend. Mit dem Putsch in Chile beginnt Max "Maximilian" Herre seinen Raper-Ausflug in die Geschichte, vom CIA über Kambodscha, von Intifada, dem ersten Balkan-Krieg, Tschernobyl und bis Tracy Chapman schlägt der Freundeskreis den Bogen zum eigenen Leben (Geburt, Kinderjahre), zum eigenen Umfeld (antifa).

Doch Vorsicht. Mit dem Titel Polit-Band, jedenfalls innerhalb der Kategorien, die unsereins üblicherweise anlegen würde, hat diese Band eigentlich nichts zu tun. Im Zentrum der Musik und des Schaffens stehen ihre eigenen, sehr persönlichen Erfahrungen, ihr Verhältnis zur Gegenwart, zu Menschen, Freunden. Immer wieder reflektiert der Freundeskreis seine eigene Entwicklung, seinen Standort als Gruppe von Musikern, die es mit A.N.N.A. (Immer wenn es regnet) zu echten Hitparaden-Gassenhauern gebracht hat und sicher auch in Zukunft da noch einige Mal anzutreffen sein werden.

Esperanto als Synonym
für Hip-Hop

Die steile Karriere läuft unter dem Dach des Labels Fourmusic, das wiederum zu Sony gehört. Auch damit setzten sie sich vernehmlich auseinander: "auch plattenfirmen sind multinationale monopole, musik ist nur ne ware, sie akkumuliern kohle, auch wir sind teil jener gesellschaft mit begrenzter haftung, kein Mensch ist mehr wert als sein mehrwert, ham wir nur noch vor profit achtung" heißt es in dem Track Sternstunde / Die Revolution der Bärte. Andererseits aber bietet die Firma auch die Möglichkeit, die eigenen Projekte durchzuziehen. Solche und viele andere Reflexionen machen die ganze Sache des Freundeskreis interessant. Das hat viel mit einer Offenheit zu tun, damit, sich und das Umfeld transparent zu machen. Ebenso geht die Band auch damit um, wenn es um ihre Interessen und die der Plattenfirma geht. In verschiedenen Interviews mit dem Freundeskreis wird ganz offen berichtet, welche Single die Firma will und welche die Band bringen will. So balanciert die Band zwischen den kommerziellen Anforderungen ihrer Firma und den eigenen Projekten.

Freundeskreis vermeidet alles, was mit schwarz-weiß Bildern zu tun hat und praktiziert differenziertes Nachdenken. Sie rufen nicht auf zur Revolution, aber fordern, den eigenen Kopf zu benutzen, die eigene Meinung zu sagen und Verantwortung für die Dinge um sich herum zu übernehmen. Die Art und Weise dies zu tun bringt ihnen wohl hin und wieder auch die Kritik ein, mit erhobenem Zeigefinger zu predigen. Doch angesichts höchst interessanter Texte und einer unglaublich harmonischen Musik spielt das eher eine untergeordnete Rolle.

Die aktuelle CD Esperanto hat ihren Titel von der in den 20er Jahren entstandenen Sprache: "Die Idee von Esperanto war, dass die Leute ihre kulturelle Eigenständigkeit behalten, und jeder diese Sprache lernen muss. Es hat also nicht jemand von vornherein bessere Voraussetzungen, weil es zufällig seine Muttersprache ist," erklärt Max in einem Interview. "Für uns ist Esperanto einfach das Synonym für Hip Hop. Wir haben eine afroamerikanische Kultur adaptiert und haben was eigenes draus gemacht. Musik generell ist ja schon ein Weltsprachending, und der Lingo, den wir benutzen, ist ja auch nicht mehr nur deutsch. Dadurch, dass Hip-Hop ursprünglich amerikanisch ist, werden viele Worte übernommen. Ganz Deutschland ist auch ein Einwanderungsland, und Stuttgart ist eine Einwanderungsstadt, und so wächst man natürlich mit Leuten aus den unterschiedlichsten Kulturen auf. Alles sind Deutsche, haben aber andere Roots. Bei uns wars so, dass da tausend Jugos, Türken, Griechen waren, und wir in der vierten Klasse auf vier Sprachen perfekt fluchen konnten." Passenderweise werden die HörerInnen der CD dann auch in Esperanto begrüßt.

Wenn auch nur am Rande bemerkenswert, aber verkneifen kann man es sich ja nicht: Auch ein Udo Lindenberg beteiligt sich ganz gern am Freundeskreis. Der Titel Nebelschwadenbilder (siehe nebenstehenden Text), in dem es um die Vision eines friedlichen Landes geht, ist Lindenberg an Text und Musik beteiligt und singt sogar. Sicher ist auch: Freundeskreis ist eine Einladung an den Kopf und an die Ohren.

DSe

Tourneedaten:

15.07.2000 Stuttgart, Hip-Hop Open; 16.07.2000 CH - Bern, Gurtenfestival; 21.07.2000 Saarbrücken, Com.Pop; 22.07.2000 Chemnitz, Splash Festival; 05.08.2000 Potsdam, Waschhaus;

06.08.2000 Hamburg, Stadtpark;

19.08.2000 Erfurt, Highfield Festival