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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 442 / 28.9.2000

Eine weniger

IG Medien steigt aus dem "Bündnis für Arbeit" aus

Als erste DGB-Gewerkschaft hat die IG Medien ihre Mitarbeit im "Bündnis für Arbeit und Wettbewerbsfähigkeit" aufgekündigt. Für die im Herbst anstehenden Gewerkschaftstage von HBV und ÖTV hat die Kleine bei ver.di damit ein bemerkenswertes Signal gesetzt.

Mit überwältigender Mehrheit haben die Delegierten des außerordentlichen Gewerkschaftstages der IG Medien am 9. September in Bielefeld folgenden Beschluss gefasst: "Die IG Medien wird im DGB, in ver.di., in den Einzelgewerkschaften des DGB und in der Öffentlichkeit für einen sofortigen Ausstieg der Gewerkschaften aus dem ,Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit` eintreten. Die IG Medien wird sich an Veranstaltungen und Arbeitsgruppen des ,Bündnisses` nicht weiter beteiligen."

Bereits auf dem außerordentlichen Gewerkschaftstag 1999 in Kassel war es zur Diskussion über einen Ausstieg aus dem "Bündnis" gekommen. Ein klar formulierter Antrag des Ortsvereins Dortmund, der schon damals viel Zustimmung gefunden hatte, war durch die geschickte Kongress-Regie so umgewandelt worden, dass noch einmal versucht werden sollte, innerhalb des Bündnisses und ver.di mit eigenen Initiativen aktiv zu werden. Sollten diese Initiativen nicht erfolgreich sein, so der damalige Beschluss, wäre aus dem "Bündnis" auszusteigen.

Ein Jahr später ließen sich die Antragsteller auf keine Verschiebungen mehr ein. Antragsteller war der Landesbezirksvorstand Baden-Württemberg, ein weiterer Antrag, von dem hessischen Landesvorsitzenden Berthold Balzer gestellt, spitzte den baden-württembergischen Antrag noch zu.

Sybille Stamm, Landesvorsitzende von Baden-Württemberg, sprach für den sofortigen Ausstieg aus dem "Bündnis", indem sie u.a. auf die Erfahrungen der letzten Tarifrunde hinwies. In den Tarifrunden von Chemie und Metall und schließlich der Druckindustrie hätten sich die Vorgaben aus dem "Bündnis" haargenau niedergeschlagen. Wie schon in Kassel 1999 gefordert, sei nun ein Zeichen notwendig, damit endlich mit der Logik des "Bündnisses für Arbeit" gebrochen werde.

Daran schloss Martin Dieckmann, Delegierter aus dem Landesbezirk Nord, an. Er verwies auf die sehr grundsätzliche und umfassende Kritik am "Bündnis für Arbeit", wie sie nicht nur in der Gewerkschaftslinken geäußert würde. Das "Bündnis" sei Herzstück der Architektur von "New Labour" in Deutschland und der Sozialpolitik der "neuen Mitte" - die am Tag zuvor von Detlef Hensche scharf angegriffen worden war.

Dieckmann wies zudem auch auf die Rolle der Bertelsmann-Stiftung und der Böckler-Stiftung im Aufbau des "Bündnisses" hin. Die gewerkschaftliche Böckler-Stiftung sei mittlerweile so etwas wie eine "Frontorganisation" der Bertelsmänner geworden. Dieckmanns Vorschlag: Durchführung von Konferenzen der IG Medien mit anderen Gewerkschaften und GewerkschafterInnen, auf denen die sozial- und arbeitsmarktpolitischen Konzepte, wie sie im "Bündnis" und auch in Teilen der Gewerkschaften vertreten würden, breit diskutiert werden sollten.

Frank Werneke vom Geschäftsführenden Hauptvorstand der IG Medien warb für einen Verbleib im "Bündnis". Durch einen Ausstieg sei nichts gewonnen, zudem nehme man sich die Möglichkeit, auf die Absprachen zwischen den Gewerkschaften einzuwirken. Und es gäbe schließlich auch Beispiele dafür, dass die Mitarbeit von Gewerkschaften wie der IG Medien zumindest dazu beigetragen hätte, Schlimmeres abzuwenden.

Eine Delegierte aus Nordrhein-Westfalen wandte sich sehr persönlich an Frank Werneke. Auf dem letzten außerordentlichen Gewerkschaftstag habe er genau so für einen Verbleib im "Bündnis" argumentiert. Damals hätte sie ihn in der Abstimmung unterstützt, aber jetzt sehe sie nicht, dass sich irgend etwas substanziell geändert hätte. Deshalb würde sie jetzt auch für den sofortigen Ausstieg stimmen.

Berthold Balzer, hessischer Landesvorsitzender, betonte, es dürfe nicht nur darum gehen, das "Bündnis" als Institution zu verlassen, sondern auch mit dem "Bündnis" im eigenen Kopf fertig zu werden.

Axel Becker aus dem Landesbezirk Hessen war der letzte Redner. Er hatte in Kassel 1999 noch die Verschiebung des Ausstiegs aus dem "Bündnis" wesentlich mit herbeigeführt. Jetzt verwies er auf die Beschlusslage von 1999: Wenn sich Initiativen der IG Medien in ver.di als nicht erfolgreich erweisen sollten, dann wäre aus dem "Bündnis" auszusteigen. Daraus, so Becker, gäbe es jetzt, im September 2000, nur eine Konsequenz zu ziehen: den sofortigen Ausstieg.

Ein Anfang
ist gemacht

Der Beifall für die RednerInnen hatte das Ergebnis schon vermuten lassen: Fast alle Delegierten stimmten für den sofortigen Ausstieg aus dem "Bündnis". Bei der Gegenprobe zählte man lediglich eine Hand voll Stimmkarten, die meisten davon auf der Bühne des Geschäftsführenden Hauptvorstandes. Damit endete die Mitarbeit der IG Medien im "Bündnis für Arbeit" am 9. September 2000.

Allerdings: Dieser Austritt aus dem "Bündnis" ist zunächst nicht viel mehr als eine symbolische Aktion. Zwar werden die Vertreter der IG Medien ihre Mitarbeit zunächst einstellen müssen, aber die Beschlusslage der IG Medien wird sich kaum in ver.di durchsetzen lassen. Dennoch ist der Bielefelder Beschluss ein Signal, das gerade für die Linke in den ver.di-Gewerkschaften wichtig werden kann. Und für die Gewerkschaftslinke insgesamt ist damit wohl auch eine Streitfrage endgültig vom Tisch: ob man das "Bündnis" nicht doch für alternative Strategien nutzen könnte.

Erneut und noch stärker als sonst wurde bei dieser Gelegenheit die Böckler-Stiftung kritisiert. So lautete der Vorschlag eines Antrages, man solle ein Sperrkonto einrichten, auf das alle gewerkschaftlichen Aufsichtsratsmitglieder denjenigen Teil ihrer Tantiemen überweisen sollten, der sonst an die Böckler-Stiftung geht. Zumindest so lange, wie nicht endlich die Rolle der Böckler-Stiftung im gewerkschaftspolitischen Zusammenhang offen und kontrovers zur Diskussion gestellt würde. Bis dahin könnte dann die Devise gelten: "Sperrt Böckler!"

Ausstiegsanträge mit ähnlichem Tenor wie der IG Medien-Beschluss stehen auch bei den nächsten Gewerkschaftstagen von HBV und ÖTV zur Debatte und Abstimmung. Dass jetzt die IG Medien offiziell aus dem "Bündnis" ausgestiegen ist, kann die Stimmung für einen Ausstieg auf diesen Gewerkschaftstagen nur verbessern. Eine ganz andere Frage ist, ob mit diesem Ausstieg per Resolution auch ein Einstieg in eine "andere Politik" verbunden ist. Das wird dann aber nicht mehr in den Einzelgewerkschaften entschieden werden, sondern wird Sache der Gewerkschaftslinken sein, die sich mittlerweile übergreifend als Netzwerk konstituiert hat.

Innerhalb dieser Gewerkschaftslinken war es bislang überhaupt nicht selbstverständlich, den Ausstieg aus dem "Bündnis" zu fordern. Der Beschluss der IG Medien und die Debatten auf den Gewerkschaftstagen von HBV und ÖTV können hier die Klärung beschleunigen. Wenn die Gewerkschaftslinke auch nicht immer klar zum Ausdruck bringt, was sie eigentlich (tun) will, kann sie ja wenigstens sagen, was sie nicht will. Wenn schon fast alle ehrenamtlichen Mitglieder des Hauptvorstandes der IG Medien für den sofortigen Ausstieg aus dem "Bündnis" stimmen, werden ja wohl die Gewerkschaftslinken, auch wenn sie Hauptamtliche sind, folgen können.

dk