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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 442 / 28.9.2000

Castor - Jetzt geht's los

Jetzt geht's los! Nachdem sich in den letzten Wochen und Tagen die Anzeichen immer mehr verdichteten, dass es ab Oktober zur Wiederaufnahme von Atomtransporten kommen kann, macht die Anti-AKW-Bewegung jetzt mobil. Der Castoralarm ist ausgerufen und in vielen Orten läuft die Mobilisierung an. Auch bei der Polizei. In der Umgebung von Niederndorf trainierten am 12. September schon mal 350 PolizistInnen den Einsatz, um Castorblockaden verhindern zu können.

Als heißer Kandidat für einen Castortransport zeichnet sich das aus zwei Reaktorblöcken bestehende AKW Philippsburg ab. Da die internen Lagerbecken voll sind, wollten die Betreiber zunächst im Rahmen einer sogenannten Transportbereitstellung den Atommüll in Lagerbehälter vom Typ Castor V verpacken. Das scheiterte jedoch kläglich, weil sie es nicht fertigbrachten, die für eine längere Zwischenlagerung erforderlichen Sicherheitsbestimmungen einzuhalten und die Behälter dichtzubekommen. Daher kann Philippsburg derzeit weder eine Lagerung auf dem eigenen Gelände betreiben noch die ebenfalls seit Januar vorliegende Genehmigung für den Transport in das Zwischenlager Ahaus in Angriff nehmen. Einziger Ausweg für die Betreiber ist nun der Abtransport der Brennelemente in die WAA nach La Hague. Hier kommen andere Behälter zum Einsatz. Außerdem sind für Transporte in die WAA, wo der Strahlenmüll zügig aus den Behältern entladen wird, die Sicherheitsvorschriften deutlich geringer. Aber auch hier gibt es Probleme: Für den Abtransport aus dem Block 2, in dem der Lagerplatz besonders knapp ist, steht lediglich ein einziger Transportbehälter vom Typ TN 13 zur Verfügung. Der müsste im Mehrweg-Verfahren zwischen Philippsburg und La Hague hin- und herpendeln. Weil aber die einzelnen Umläufe relativ lange dauern (schätzungsweise sechs bis zehn Wochen), ist es nötig, den ersten Transport rechtzeitig loszuschicken, damit auch der letzte noch auf Reisen geht, bevor im kommenden Frühjahr neue Brennelemente eingesetzt werden können. Im Falle Philippsburg 2 bedeutet "rechtzeitig" die zweite Oktoberhälfte.

Der Behälter TN 13 steht bereits unbeladen auf dem Philippsburger Kraftwerksgelände bereit. Er hat auch die notwendige verkehrsrechtliche Zulassung. Was bisher noch fehlt, ist die Transportgenehmigung des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS).

Die Anti-Atom-Gruppen gehen davon aus, dass es nun ernst wird. Bundesweit finden derzeit Treffen statt, auf denen Aktionen und vor allem auch eine bundesweite Anreise nach Philippsburg vorbereitet werden. Für den 8. Oktober rufen die örtlichen Gruppen zu einem ersten Sonntagsspaziergang an den Reaktor auf. Bei der Gelegenheit sollen die Aktionen weiter geplant werden.

Der erste Castor kommt aus Philippsburg?!

Schon seit einigen Wochen gibt es Anzeichen (vgl. ak 441), dass ein Atomtransport in das Zwischenlager Ahaus für November geplant wird. Nach Informationen der BI in Ahaus seien für die Bundeswehrkasernen in Rheine Befehle für die Einrichtung von Gefangenensammelstellen und Unterkünfte für BGS-Personal von der 45. Kalenderwoche an, also ab 6. November ergangen. Auch die Bahnpolizei im Münsterland habe dann Urlaubssperre. Allerdings hat die BI Ahaus keine Informationen, woher die Castortransporte kommen sollen. Das Innenministerium in Nordrhein-Westfalen dementiert bislang noch ebenso wie die Polizeiführung in Münster, dass es Transportvorbereitungen gibt. Die schließen einen Transport nach Ahaus für dieses Jahr aus. Hartmut Liebermann von der BI Ahaus traut derartigen Äußerungen jedoch nicht: "Das erinnert mich an das Vorgehen der Polizei beim letzten Castortransport im März 1998, als der Transport früher stattfand als angekündigt."

Für das Aktionsbündnis Castorwiderstand Neckarwestheim spricht vieles dafür, dass die Transporte nach Ahaus aus Neckarwestheim kommen werden, denn dort stehen sechs Atommüllcontainer abfahrbereit auf dem Gelände. Das Aktionsbündnis kündigte "massive Proteste und Blockaden" am Abfahrtsort an und ruft zu einer Demonstration am 1. Oktober nach Neckarwestheim auf.

Deckel nicht dicht bekommen

Außerdem verfügen die Neckarwestheim-Betreiber bereits seit Januar über eine Genehmigung für den Transport von sechs Castorbehältern nach Ahaus. Zusätzlich haben die GKN 10 Transporte in die WAA ins englische Sellafield beantragt, für die eine Genehmigung des Bundesamtes für Strahlenschutz allerdings noch aussteht.

Doch nicht nur Richtung Ahaus kann es im kommenden Herbst heiß werden. Die Atomwirtschaft fordert für mindestens noch drei AKWs die Wiederaufnahme von Atomtransporten in diesem Jahr. Neben Neckarwestheim verlangen die Betreiber auch für die AKWs Stade und Biblis entsprechende Genehmigungen. Insgesamt 30 Transporte sollen genehmigt werden. Spätestens im kommenden Frühjahr soll dann auch das AKW Brunsbüttel eine Transporterlaubnis erhalten. In der Bild wird ein Sprecher der Energieversorger zitiert: "Wir vertrauen auf das Wort des Kanzlers, dass kein Kernkraftwerk durch die Hintertür stillgelegt wird." Falls kein Atommüll ins Zwischenlager Ahaus beziehungsweise in die Wiederaufarbeitungsanlagen La Hague in Frankreich oder Sellafield in England gebracht werden könne, müssten die ersten Kernkraftwerke zwangsabgeschaltet werden, heißt es weiter.

Die e.on als Stade-Betreiber hatte am 12. September angekündigt, nach dem Ende der Expo in Hannover (31.10.) eine Serie von sieben Transporten nach La Hague durchführen zu wollen. In Stade steht auch schon der entsprechende Behälter vom Typ TN 17 bereit, ist allerdings noch nicht verkehrsrechtlich zugelassen. Transportgenehmigungen fehlen (noch!) für alle Transporte nach La Hague.

Ahaus, Biblis, Stade

Petra Uhlmann, Sprecherin der e.on, die das AKW Stade betreibt: "Die Lagerkapazitäten sind erschöpft. Wir müssen im Herbst mit Transporten beginnen." 49 abgebrannte Brennelemente sollen nach Angaben von e.on bei der bevorstehenden Revision im Februar 2001 in Stade gegen neue ausgetauscht werden. Ohne Abtransport aus dem fast vollen internen Lagerbecken kann dieser Wechsel nicht durchgeführt werden. Zusätzlich zu den Transporten nach La Hague hat e.on Transporte in das Zwischenlager Gorleben beantragt. Dieser Antrag ist nach Angaben des BfS am 1. September bei der Behörde eingegangen. Ein so genanntes Interimslager, in dem die abgebrannten Brennstäbe bis zur Fertigstellung eines dezentralen Zwischenlagers in Castorbehältern auf dem Kraftwerksgelände abgestellt werden, ist in Stade nicht geplant.

Auch für den Block B des AKW Biblis ist mit Transporten zur WAA zu rechnen. Wie Philippsburg und Neckarwestheim verfügt das AKW über eine Genehmigung für Transporte nach Ahaus. Allerdings sind auch hier die Betreiber bislang nicht in der Lage, die Lagerbehälter dicht zu bekommen, so dass sowohl der Abtransport nach Ahaus als auch das Lagern auf dem Gelände nicht in Frage kommen. Um bis zur Revision im kommenden Frühjahr Platz zu schaffen, müssen die bestrahlten Brennelemente also notfalls zur WAA gebracht werden.

Einen Bündnispartner gegen die Wiederaufnahme von Castortransporten zumindest Richtung Ahaus hat die Anti-AKW-Bewegung in der Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, Vizechef der Polizeigewerkschaft bekräftige Mitte September, dass es innerhalb der Polizei noch immer große Bedenken an der Sicherheit der Castortransporte nach Ahaus gäbe. Laut dpa wolle die Gewerkschaft auf politischem Wege alles tun, um Transporte erst dann zu ermöglichen, wenn der Beweis der Sicherheit angetreten ist. Die Polizei habe weniger Furcht vor Übergriffen der Demonstranten als vor unkalkulierbaren Risiken durch den Austritt von Strahlung, so Wendt.

Polizei fürchtet Castor-Strahlen

Seitens der Bundesregierung ist bislang nicht viel Konkretes zu hören. Mit Blick auf die beantragten Transporte in die Wiederaufarbeitung erklärte Bundesumweltminister Jürgen Trittin, dass es bisher keine Genehmigung für Atomtransporte zur Wiederaufarbeitung gäbe. Allerdings wies er ausdrücklich darauf hin, dass nach dem mit den Energieversorgern vereinbarten Atomkonsens für WAA-Transporte der Nachweis der schadlosen Verwertung erforderlich sei. Dieser Hinweis auf die schadlose Verwertung ist interessant. Denn sollte Trittin das ernst meinen, dann könnte das fatale Folgen für Transporte nach Sellafield und La Hague haben, weil dieser Nachweis so ohne weiteres nicht zu erbringen sein dürfte. Die radiologischen Auswirkungen der WAAs sind katastrophal. Ihre extrem hohen Emissionen sind seit Jahren im Ärmelkanal und in der Irischen See mühelos nachzuweisen. Tauben aus der Umgebung von Sellafield sind beispielsweise derart verstrahlt, dass sie nach bundesdeutschem Recht als Atommüll endgelagert werden müssten. An den Stränden von Sellafield und La Hague sind hohe Konzentrationen von Plutonium nachgewiesen worden. Die schadlose Verwertung, wie sie im derzeit noch geltenden Atomgesetz vorgeschrieben ist, würde aber auch den Nachweis erfordern, was denn mit dem bei der WAA anfallenden Plutonium und Uran anschließend geschieht. Meint Trittin das ernst und fordert das unter seiner Zuständigkeit stehende Bundesamt für Strahlenschutz tatsächlichen einen solchen Nachweis, dann dürften Atomtransporte in die Wiederaufarbeitungsanlagen allerdings Zukunftsmusik sein. Wahrscheinlicher ist aber, dass Jürgen mal wieder nicht ganz auf der Höhe ist. Denn die Bundesregierung hat im soeben vereinbarten Atomkonsens weiteren WAA-Transporten bis ins Jahr 2005 ohne weitere Bedingungen zugestimmt. Wollte er dies nun an die Bedingung knüpfen, das geltende Recht anzuwenden, und den Nachweis der schadlosen Verwertung ernsthaft einfordern, dann dürfte es mit der SPD vermutlich (mit der Atomwirtschaft sowieso) einen Riesenkrach geben, da dies praktisch doch auf eine Verstopfung (Ausstieg durch die Hintertür) hinausliefe. Das wäre zwar extrem zu begrüßen, aber dieser Regierung eben doch nicht zuzutrauen.

Dann nehmen wir doch lieber Trittins Sprecher Michael Schroeren ernst, der mitteilte, dass am 8. September die zweite Sitzung einer Arbeitsgruppe stattgefunden habe, in der es um den Bedarf an Transporten ging. Die Unternehmen würden in Kürze darüber unterrichtet, wie die Bundesregierung den Bedarf an Atommüll-Transporten einschätze, so Schroeren. Bleibt die Bundesregierung bei ihrem Kurs, dass Bedarf vorhanden ist, wenn die Atomwirtschaft des sagt, dann dürfte es zu einem heißen Herbst kommen.

DSe

Aktionen: Sonntagsspaziergang Philippsburg: 8. Oktober, Treffpunkt: 14.30 Uhr, Marktplatz Philippsburg (nicht weit vom Bahnhof), Kontakt: Arbeitskreis gegen das AKW Philippsburg: c/o Matthias Mauser, Ludwig-Wilhelm-Str. 19, 76131 Karlsruhe, Telefon/Fax 0721-607 647,
http://home.t-online.de/home/anti-atom/,
E-Mail anti-atom@t-online.de

Sonntagsspaziergang in Ahaus! 15. Oktober 2000, 14 Uhr treffen vor dem BZA. Kontakt: BI Ahaus: Bahnhofstr. 51 - 48683 Ahaus - Postfach 1165 - 48661 Ahaus - Vorwahl: 02561 - Tel.: 961791 - Fax: 961792 - Infolinie: 961799, http://www.bi-ahaus.de, E-Mail: mairl@ bi-ahaus.de

X-1000 mal quer: www.x1000malquer.de/castoralarm.html

Für das in Neckarwestheim geplante Interimslager für 24 CastorBehälter beginnt der Erörterungstermin am Donnerstag, den 5. Oktober um 11 Uhr in der Reblandhalle, Reblandstr. 31, Neckarwestheim. Der Erörterungstermin wird an den folgenden Tagen jeweils um 10 Uhr fortgesetzt, auch am Samstag.