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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 442 / 28.9.2000

Wenn schlampen zum Verhängnis wird

Beugehaft gegen Werner R. ist nicht rechtmäßig

Werner R., Künstler, Mitglied der IG Medien und der KünstlerInnen-Kooperative K., geriet buchstäblich über Nacht ins Blickfeld des Bundeskriminalamtes (BKA). Ausgangspunkt war die Festnahme der beiden mutmaßlichen RZ-Mitglieder Sonja S. und Christian G. am 16. Januar in Paris. Christian G. wurde dabei mit einem schweizer Pass festgenommen, der auf den Namen von Werner R. ausgestellt war. Am nächsten Tag fand sich Werner R. nach einer Durchsuchung seiner WG und Atelierräume zu einer Vernehmung auf dem Polizeirevier wieder. (vgl. ak 439)

Werner R. besitzt einen deutschen und einen schweizer Pass, da seine Mutter Schweizerin ist. Bei der Hausdurchsuchung konnte der Pass tatsächlich nicht gefunden werden. Werner R. war der Verlust allerdings nicht aufgefallen, weil er den Pass seit Jahren schon nicht mehr benutzt hatte. Wie der Pass abhanden gekommen ist, weiß er nicht. Theoretisch hätte jeder, der in den vergangenen Jahren in den verschiedenen WGs, in denen er lebte, aus- und einging, den Pass an sich nehmen können.

Für den Staatschutz keine glaubhafte Begründung. Mehrfach wurde Werner R. von der Frankfurter Staatsanwaltschaft vorgeladen und nach Kontakten zur "terroristischen Szene" befragt. Werner R. verweigerte schließlich die Aussage, da offensichtlich war, dass er von einem normalen Zeugen zu einem "tatverdächtigen Zeugen" geworden war. Zuvor war ihm bei einer Vernehmung durch BKA-Beamte offen gedroht worden, dass er zwar jetzt noch Zeuge sei, aber dass sich dies schnell ändern könnte. Ein deutlicher Hinweis, dass die Ermittlungsbehörden Werner R. keinen Glauben schenken. Offensichtlich besteht gegen ihn der Verdacht der Strafvereitlung bzw. der "Unterstützung einer terroristischen Organisation" nach §129a.

Nachdem er für sich das Recht der Aussageverweigerung in Anspruch genommen hatte, verhängte die Staatsanwaltschaft ein Ordnungsgeld von 1.000 DM, das Werner R. auch zahlte. Daraufhin drohte sie mit Beugehaft, die bis zu sechs Monate dauern kann. Vor dem Amtsgericht kam die Staatsanwaltschaft mit ihrem Antrag allerdings nicht durch. Der zuständige Ermittlungsrichter lehnte ihn als "unverhältnismäßig" ab. Das Landgericht jedoch hob diesen Beschluss auf und verhängte die Beugehaft. Nun rief die Anwältin von Werner R., Anne Mayer, das Bundesverfassungsgericht an. Dieses hob schließlich - unanfechtbar - den Beschluss des Landgericht auf, da er gegen Art. 2 (Die Freiheit der Person ist unverletzlich) und Art. 104 GG (Die Freiheit einer Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden) verstieß. Damit gestand das Bundesverfassunggericht Werner R. ein Schweigerecht zu.

So erfreulich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes auch ist, sie ist kein Grund zur Entwarnung. Das Schweigerecht wurde Werner R. ja nur deshalb zuerkannt, weil das Bundesverfassungsgericht in Kenntnis der Verdächtigungen, die die Staatsschutzbehörden gegen Werner R. vorbringen, ihm den Status als "tatverdächtigen Zeugen" zuerkannte. Wie und ob die Ermittlungen gegen Werner R. von BKA und Staatsanwaltschaft weiter verfolgt werden, muss nun abgewartet werden.

mb.