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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 442 / 28.9.2000

Wutwelle gegen Ökosteuer

Hektische Betriebsamkeit herrscht auf Deutschlands Straßen; Autofreie Tage finden vor allem medial statt. Zeitweise bestimmen LKW- und Taxifahrer die Geschwindigkeit in den Städten - wenn auch nicht im gleichen Ausmaß wie in Frankreich oder in England. Da ist hier zu Lande der Nötigungsparagraf vor, und Gesetzesüberschreitungen mag der deutsche Brummifahrer nicht so gerne; also wird ausnahmsweise mal der Fuß vom Gaspedal genommen, um kilometerlange Staus zu produzieren. Zum Ausgleich darf die Hupe als Spielzeug intensiver genutzt werden. Die Parole heißt: Weg mit dieser (Ö.)K.O.Steuer! Vorgegeben hat sie die CDU, die in den letzten Jahren schon reichlich Erfahrungen mit populistischen Kampagnen angehäuft hat. Nun testen die Jungs mit dem Bleifuß Tempo 60 auf Autobahnen und Tempo 30 in Innenstädten. Man möchte ihnen zurufen: Weiter so, es geht doch! Aber Vorsicht: Wer so den Volkszorn entfacht, läuft Gefahr, was auf die Fresse zu kriegen.

Es ist schon verwunderlich, dass ausgerechnet die popeligen sechs Pfennig Ökosteuer diesen Aktivitätsschub ausgelöst haben. Sie werden verantwortlich gemacht für den Anstieg der Spritpreise um 50 Pfennige in den letzten 20 Monaten. Tatsächlich liegen die Dinge so: Die Rohölpreise waren auf einem Tiefpunkt angelangt; die OPEC-Staaten steuerten gegen, drosselten die Produktionsmengen, um den Preis für das flüssige Gold wieder in für sie angemessene Sphären zu bringen. Niedrige Rohölpreise ließen die Mineralölkonzerne horrende Gewinne einfahren. Der Autoindividualist erfreute sich an den niedrigen Spritpreisen und konnte seinem liebsten Hobby in aller Ausgiebigkeit frönen - Ozonloch hin, Klimaveränderungen her.

Für Rot-Grün bot sich also zu Beginn der Amtszeit die Chance, ohne allzu großen Imageschaden bei der Autolobby zu nehmen, eine Steuer einzuführen, die ökologische Betriebsamkeit signalisieren und dem Juniorpartner und seiner WählerInnenschaft ein Zuckerchen hinwerfen sollte. Dass das Ganze eine Farce ist, zeigt sich nicht nur an den vielen von der Ökosteuer ausgenommenen Branchen (Kohle, Atomenergie, Großindustrie etc.) Vor allem fließen die staatlichen Mehreinnahmen nicht in ökologische Umbauprojekte, sondern dienen der vorübergehenden Schließung von Löchern in der Rentenkasse - alles in allem ein übliches rot-grünes "Reform"projekt.

Insofern ist die Verwunderung der Bundesregierung, dass sie nun als Zielscheibe der "Wutwelle" über die hohen Energiepreise dient, schon fast nachvollziehbar. Alle ihre Versuche, die Verantwortung für die gestiegenen Preise auf die OPEC bzw. die "Scheichs" oder die Mineralölkonzerne zu schieben, sind gescheitert. Im Gegensatz zur Ölpreiskrise 1973 steht dieses Mal - von einigen Ausreißern abgesehen - der rassistische Diskurs gegen die Scheichs, die "uns" den Ölhahn zudrehen, nicht im Vordergrund. Zielscheibe ist einzig und allein die Bundesregierung mit ihrer Ökosteuer.

Die Proteste haben erste Ergebnisse gebracht: Die Kilometerpauschale wird um 10 Pfennige erhöht und in eine Entfernungspauschale umgewandelt, für sozial Schwache wird es einen Heizkostenzuschuss geben. Das wird die Brummibranche zwar nicht zufrieden stellen, wohl aber die Pendler freuen und einige Wohngeldbezieher besänftigen.

Eine Kampagne der CDU und der Bleifußfraktion

Das Signal ist deutlich: Eine ökologische Lenkungswirkung sollte und soll die Ökosteuer nicht haben; durch die Erhöhung der Entfernungspauschale auch für Autofahrer werden kaum Umstiegsanreize erzielt. Gespannt darf man sein, welche weiteren Ausgleichsmechanismen folgen werden. Ein verkehrspolitisches "Umsteuern" ist nicht einmal in Ansätzen zu erkennen - im Gegenteil: Mit der Just-in-Time-Produktion und der Verlagerung der Lagerhallen haben die Konzerne eine Armada an Brummis entstehen lassen. Damit wurden nicht nur ökologische Kosten auf die Allgemeinheit verlagert, sondern auch die Speditionen unter einen enormen Preisdruck gestellt. Dass Speditionen, insbesondere Kleinunternehmen, bei steigenden Energiekosten unter größeren Druck geraten, liegt auf der Hand. Nur: Die Preispolitik der OPEC ist schlicht eine nachholende Entwicklung und war voraussehbar.

Vielleicht wird nun wieder ab und an über die Nutzung alternativer Energiequellen nachgedacht und in sie investiert. Es wäre zusätzlich mal wieder an der Zeit, auch über die ökologischen Folgewirkungen der kapitalistischen Produktionsweise zu reden. Und nebenbei auch über die ökologischen Folgen des individuellen Konsums. Wahrscheinlich werden die Helden der Landstraße in diesen Fragen nicht die vorrangigen Bündnispartner sein.

Ein Gutes hat die "Wutwelle": Sie zeigt, dass diese Bundesregierung durchaus druckanfällig ist. Vielleicht dient das ja als Anreiz für andere - und sinnvolle - oppositionelle Projekte.

gw.