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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 444 / 23.11.2000

Schwarzes Gift des Dschungels

Ölverschmutzung verseucht Urwalddörfer in Guatemala

In Guatemala galten Umweltfragen bis vor wenigen Jahren als nachgeordnetes Thema. Nach 36 Jahren Bürgerkrieg hatte man andere Sorgen. Doch seit einiger Zeit werden vor allem die Erdölbohrungen im tropischen Regenwald zunehmend kontrovers diskutiert, fördern Journalisten und Umweltaktivisten Beweise über illegale Förderpraktiken und ökologischen Katastrophen zu Tage. Im Oktober recherchierte ak-Autor Andreas Boueke in eigener Regie umfangreiches Material über die Aktivitäten der US-Firma Basic Resources in den guatemaltekischen Urwaldregionen Peten und Alta Verapaz. Nun ist der Erdölkonzern stark um sein Image besorgt. Es mehren sich obskure Zwischenfälle. Kürzlich wurde die Leiche eines Kontrolleurs des Energieministeriums am Ufer des Flusses Chixoy (Alta Verapaz) gefunden worden. Boueke fürchtet seitdem um seine eigene Sicherheit und die seiner Informanten. Die folgende Reportage entstand während Bouekes Recherchearbeiten.

Das Flugzeug landet auf einer Rasenpiste mitten im Urwald. Neben mir in der Maschine sitzen mehrere Mitarbeiter des Energiekonzerns Basic Resources, ein Subunternehmen des US-amerikanischen Multis Union Pacific Resources. Basic ist eines der einflussreichsten Unternehmen in Guatemala.

Endlich kann ich die Ölförderstation Xan betreten. Es hat mehrere Wochen gedauert, bevor der Präsident von Basic, Rodolfo Sosa, meinem Ersuchen nach einem Interview stattgegeben hat. Schließlich bot er eine Reise in den Urwald an: "Sie sollen selbst sehen, welches unsere vorrangigen Ziele sind. Zuerst kommt die Sicherheit des Personals und der Gemeinden in der Umgebung. Die höchste Priorität hat jedoch der Umweltschutz."

Wir betreten die Büroräume der Förderstation. Der Verantwortliche für industrielle Sicherheit, Italo Maroquin, kommt auf mich zu und führt mich auf einen Gang über die Anlage. Was ich nicht zu sehen bekomme, ist Öl. Die schwarze Flüssigkeit verbirgt sich in sauberen Silos. Lächelnd erklärt mir Maroquin: "Basic muss internationale Gesetze befolgen, die von uns sehr streng gehandhabt werden. Außerdem begutachten uns mehrere Institutionen. Doch bisher hatten wir noch keine Probleme."

Auf dem Weg zurück in die Büroräume treffen wir Aroldo Ortiz, einen Kontrolleur des Energieministeriums. Ihm gefällt die Arbeit im Regenwald: "Wir vom Ministerium achten darauf, dass die Umwelt nicht geschädigt wird. Außerdem hat das Unternehmen ein sehr gutes Naturschutzprogramm durchgesetzt."

Am nächsten Tag besuchen wir die Bohrlöcher. Italo Maroquin zeigt mir mehrere Stellen, an denen bis zu sechshundert Meter tief gebohrt wurde, um das Öl aus der Erde zu pumpen. Während der Bohrphase mussten zahlreiche Wege geschlagen und Bäume gefällt werden. Das Bemühen des Unternehmens um Wiederaufforstung ist offensichtlich. Mireya Achila, die Verantwortliche für das Umweltprogramm von Basic und ehemalige Direktorin der staatlichen Umweltbehörde CONAMA ist zufrieden mit der geleisteten Arbeit: "Ich trage meinen Teil dazu bei, dass sich diese Industrie im Rahmen von Umweltschutzauflagen entwickelt, die von der Gesellschaft akzeptiert werden."

Nach zwei Tagen verlasse ich die Bohrstation Xan. Ich entscheide mich jedoch, eine weitere Förderanlage zu besuchen, diesmal ohne Begleitung der Basic-Leute. Die Station Rubelsanto im Norden des guatemaltekischen Bundesstaats Alta Verapaz ist älter als die in Xan und schwierig zu erreichen. Ich fahre viele Kilometer über schlammige Wege, entlang der Ölpipeline von Basic, die zumeist oberirdisch durch den Dschungel führt. Ich erreiche Rubelsanto im Dunkeln. Die von Scheinwerfern hell erleuchtete Station von Basic aber ist schon von weitem zu sehen.

Die einzige Herberge in dem Gebiet befindet sich in Playitas, einem Dorf wenige Kilometer entfernt von Rubelsanto. Am Morgen suche ich nach Interviewpartnern: der Gemeindevorsteher, Mitglieder des Dorfrats, Personen auf der Straße. Offenbar spricht niemand gern mit Fremden über "la compania" - so nennen sie den Konzern Basic Resources.

Vor dem Eingang zum Wohnblock der Angestellten von Basic sitzen zwei Männer auf einer einfachen Holzbank. Als ich sie anspreche, bieten sie mir einen Platz an. Sie warten darauf, von dem Unternehmen als Tagelöhner angeheuert zu werden. Als ich von meinen Beobachtungen berichte, wie sehr sich der Konzern um den Umweltschutz bemüht, reagiert einer der beiden Männer, Cristobal Perez, verärgert: "In der Nähe vom Bohrloch 102 gibt es einen überschwemmten Brunnen. Er liegt versteckt im Wald. Die Chefs aus der Hauptstadt kommen nie dorthin. Während der Regenzeit wird das Öl überall hingespült und das Flusswasser verseucht. Leute, die flussabwärts wohnen, trinken dieses Wasser. Aber die vom Umweltschutzprogramm kümmern sich nicht darum." Ich bin überrascht: "Sie sagen, hier in der Nähe sei eine ölverschmutzte Stelle?" Cristobal Perez bestätigt: "Ja, keine zwei Kilometer entfernt. Aber der Zugang ist schwierig."

Ein Pfad führt von der Straße bis zu dem Bohrloch 102. Es gibt dort weder einen Zaun, noch ein Schild, das den Zugang verbietet. Der Platz sieht genauso aus wie die Bohrlöcher in Xan: alles sauber, viele kleine Bäumchen. Man muss bis zum Ende des Parks gehen, wo der Weg aufhört. Danach geht es weiter durch den dichten Dschungel. Doch plötzlich tauchen schwarze Flecken auf dem Waldboden auf. Schilfblätter voller Öl ragen meterhoch. Das Wasser der vier Tümpel und des kleinen Sees ist schwarz. Mindestens zwei Hektar sind bedeckt mit schwarzem Gift.

Ich mache Fotos von einer ölverschmierten Bucht, von scheußlichen Flecken auf den Bäumen und von schwarzem Gras. Ich entscheide mich, sofort in die Hauptstadt zurückzukehren, um die Fotos in Sicherheit zu bringen. Zwei Tage später bin ich wieder in Rubelsanto. Die Stimmung hat sich verändert. Die Verwalter der Förderstation haben von meinen Recherchen erfahren. Ein Wachposten steht am Eingang des Bohrlochs 102. Autos fahren hin und her. Offenbar haben sie begonnen, die Verschmutzung zu säubern. Das wird einige Tage lang dauern. Jedenfalls kann ich nicht mehr zurück zu den Tümpeln.

Mir ist schwindelig, ein wenig Fieber. Ich gehe zur Gesundheitsstation. Ein Arzt mit grimmigem Blick öffnet mir. Wir sprechen über die Krankheiten in der Region. Er will seinen Namen nicht sagen und schon gar kein Interview vor der Kamera geben. Stattdessen beginnt er, mich auszufragen: "Wie heißen Sie?" "Für wen arbeiten Sie?" Ich nenne ihm meinen Namen und sage, dass ich ein selbstständiger Journalist aus Deutschland bin. Plötzlich tauchen zwei Herrn von der Unternehmensverwaltung auf. Auch sie möchten ihre Namen nicht nennen. Aber sie bieten mir ihre Unterstützung an, weil es besser sei, wenn ich mit ihnen direkt spreche, anstatt "dritte Personen" zu interviewen. Wir vereinbaren, dass ich sie am nächsten Morgen aufsuchen werde.

Die Leute in der Siedlung wissen inzwischen, dass mir Cristobal Perez von der Verschmutzung berichtet hat. Einer seiner besten Freunde ist wütend, weil Cristobal seiner Meinung nach "la compania" verraten habe. Die Verantwortlichen von Basic haben mehreren Personen Arbeit gegeben, mit der Auflage, dass sie mit niemandem über die Säuberungsaktion sprechen.

Ich bin auf dem Weg zur Herberge in Playitas. Plötzlich überholt mich ein Wagen von Basic und versperrt mir den Weg. Ein Mann steigt aus. Er lacht mich an: "Ein Freund möchte mit Ihnen sprechen." Er reicht mir ein Telefon. Am anderen Ende der Leitung spricht Rodolfo Sosa, der Präsident von Basic Resources selbst. Das letzte Mal musste ich rund zwanzig Mal anrufen, um ein Interview mit ihm zu bekommen. Diesmal scheint er nervös zu ein. Er möchte mir "einige Dinge erklären". Er sagt, die Station von Rubelsanto sei älter als die von Xan. Früher hätten andere Unternehmen hier gearbeitet. Jetzt bemüht sich seine Firma darum, die Verschmutzung zu säubern, die die anderen zurückgelassen haben.

Der Mitarbeiter von Basic bietet mir eine Unterkunft in den Wohnblöcken der Förderstation an. Ich willige ein, aber zuerst fahre ich nach Playitas. An den Holzwänden der Hütten ist deutlich zu sehen, dass das Hochwasser während der Regenzeit das ganze Dorf versenkt hat. Das Wasser ist bis zu den Dächern gestiegen. Jedes Jahr müssen die Bewohner ein paar Tage lang anderswo unterkommen, während sich das Öl der verschmutzten Bohrlöcher über ein riesiges Gebiet ausbreitet.

Es wird dunkel. Ich besuche das schäbige Bordell vor den Wohntrakten von Basic. Die Frauen wissen bereits, wer ich bin. Wir sprechen über das Unternehmen. Sie sagen, sie seien in den Urwald gekommen, weil sie in ihrem Gewerbe gut an den Männern von Basic verdienen. Der Doktor kontrolliert die Tür. Er stellt sicher, dass an diesem Abend keiner der Angestellten des Konzerns in die Spelunke kommt. Niemand soll mit mir sprechen.

Ein kleiner Junge kommt zu mir an die Bar. Er sagt, dass vor der Tür ein Mann auf mich wartet. In der Dunkelheit erkenne ich eine dunkelhäutige, muskulöse Gestalt - Typ Leibwächter. Er nennt keinen Namen, sagt mir aber, dass er in Rubelsanto lebt. Er erwähnt weitere verschmutzte Stellen und erklärt, er sei froh über meinen Besuch. Wir verlassen die Straße und unterhalten uns an einem geschützten Ort. Jetzt berichtet er: "Es hat Sitzungen gegeben, in denen über sie gesprochen wurde. Man will mit ihnen reden, um zu sehen, ob sich eine Lösung finden lässt. Das ist immer so. Wenn jemand kommt und eine Untersuchung macht, dann kaufen sie ihn." Er erklärt mir den Weg zu einer anderen verschmutzten Stelle.

Am nächsten Morgen stehe ich vor Morgengrauen auf. Der Wachposten am Eingangstor lässt mich hinaus. Ich fahre den beschriebenen Weg bis in die Nähe vom Bohrloch 101. Der verseuchte Tümpel befindet sich nicht weit entfernt von der Straße. Der Waldboden in der Umgebung ist bedeckt von einer dicken schwarzen Schicht. Es stinkt nach Benzin. Nur wenige Meter entfernt führt eine Pipeline an dem Tümpel vorbei. Nach einigen Minuten habe ich genug gesehen. Ich gehe zu dem Haus des dunkelhäutigen Mannes, um ihm zu danken. Danach möchte ich sofort abfahren. Er besteht darauf, mich zu begleiten: "Die Chefs sind wütend. Sie sind sehr böse darüber, dass du das Öl gesehen hast. Du musst auf dich aufpassen. Es ist gefährlich."

Die Leute im Ort haben erfahren, dass er mit mir gesprochen hat. Er möchte, dass ich seinen Namen in meinem Artikel nenne, damit ihm die Öffentlichkeit einen gewissen Schutz bietet. Alfredo Ramirez fährt mit mir mit, bis wir das Gebiet verlassen haben, das von "la compania" kontrolliert wird. Dann verabschieden wir uns.

Auf der Fahrt in die Hauptstadt denke ich über das Geschehene nach. Ich habe die Verschmutzung nahe der Bohrlöcher 101 und 102 von Rubelsanto gesehen. Offenbar gibt es noch mehr. Des weiteren habe ich erfahren, dass Basic in einigen alten Bohrlöchern einen zweiten Brunnen gebohrt haben soll. Die Rohre sind unterirdisch umgeleitet worden, so dass es schwierig ist, den zweiten Brunnen zu entdecken. So kann der Konzern Öl fördern, für das er keine Steuern zahlt.

Ich bin besorgt um das Wohlergehen meiner Informanten und ihrer Familien und auch um meine eigene Sicherheit, nicht zuletzt, weil im vergangenen Jahr ein befreundeter Journalist in der Wohnung direkt unter mir ermordet wurde. Der Fall wurde ebenso wenig wie der des Mitarbeiters des Energieministeriums bisher noch nicht aufgeklärt.

Andreas Boueke, Guatemala-Stadt