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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 445 / 21.12.2000

Die Nahostpolitiker von Altona

konkret, der Fundamentalismus und das anti-israelische Komplott

Hermann L. Gremliza hatte in konkret 11/2000 die Linie vorgegeben: Schulterschluss mit Israels politischer Klasse, Scharon eingeschlossen, weil die Weltmächte den jüdischen Staat "beim Tanz um die heiligen Quellen des Islam" opfern und an die arabischen Nachbarn "verkaufen" würden; gleichzeitig schroffe, teilweise offen rassistische Abgrenzung von den palästinensischen "Horden". (vgl. ak 444).

Eine Nummer später darf die zweite Reihe auf dieser politischen Plattform ein Schwerpunktheft gestalten: "Wir sind alle Palästinenser", steht auf dem Cover, das in einer Fotomontage die grinsenden Gesichter von Arafat und Schröder zeigt. Horst Pankows Leitartikel mit derselben Überschrift behauptet "eine große Einigkeit deutscher Medien bei der Beurteilung der ,Al-Aksa-Intifada`" und führt diese angebliche Einigkeit zurück auf den tief verwurzelten Antisemitismus. So erscheint die Anklage, israelische Soldaten würden palästinensische Kinder ermorden, dem Autor als Variation "christlicher Ritualmordlegenden"; und in der Feststellung, dass israelisches Militär auch schon von Palästinensern bewohnte Dörfer zerstört hat, sieht Pankow eine Neuauflage uralter "Erzählungen über jüdische Brunnenvergiftung".

Auf Tatsachen lässt sich der Autor gar nicht erst ein. Den Tod des 13-jährigen Mohammed, der an der Seite seines Vaters erschossen wurde, kann er auch so im Handumdrehen "aufklären": "... israelische Zeitungen berichten, dass der Einschusswinkel der tödlichen Verletzungen des Jungen auf einen palästinensischen Todesschützen schließen lasse". Der deutsche Kriegsberichterstatter übernimmt einfach diese Version und spricht schon im nächsten Satz von "den palästinensischen Schützen" und ihrer "zynischen Märtyrerproduktion". Dass die auf derselben Seite dokumentierte Skizze einen solchen Tathergang als so gut wie ausgeschlossen erscheinen lässt, stört ihn nicht weiter.

Dass konkret seiner Leserschaft derlei überhaupt zumuten kann, beruht auf einem simplen Trick: der Behauptung, man stehe allein gegen den pro-palästinensischen (und antisemitischen) Mainstream. Die konkret-Position ist zweifellos exzentrisch - den Beweis, dass die deutschen Medien einseitig pro-palästinensisch wären, kann die Zeitung aber nicht erbringen. Unbestreitbar ist, dass sich in der Berichterstattung und Kommentierung der Medien antisemitische Stereotypen finden; dieser Tatbestand wird aber durch die suggestive "Medienanalyse" von konkret eher vernebelt.

Die Selbststilisierung als Fels in der Brandung ist im übrigen ein Trick, den konkret schon während des zweiten Golfkrieges mit gewissem Erfolg angewendet hat. Damals befürwortete die konkret-Redaktion den Krieg gegen den Irak - Seite an Seite mit der erdrückenden Mehrheit der BRD-Bevölkerung. Gleichzeitig schlug man wild auf die Antikriegsbewegung ein; diese sei überzeugt, "der Angriff der verbündeten Streitkräfte auf den Irak gelte in Wahrheit den Deutschen und in ihm wiederhole sich die nationale Schmach der Niederlage von 1945"; in der deutschen Kritik am Krieg gegen den Irak äußere sich ein "trübes Gemisch von schlechtem Gewissen, Selbstmitleid und dem Verlangen nach Revanche, von Schuldgefühlen, Angst und Rachebedürfnissen" und so weiter und so fort.

War es 1991 die Kritik am Krieg, die konkret geißelte, so ist es heute die deutsche Einmischung. Glaubt man konkret, dann ist die BRD kurz davor, zur dominierenden Macht im Nahen Osten aufzusteigen. Als Indizien nennt Pankow: die Eröffnung eines bundesrepublikanischen Vertretungsbüros in den Autonomiegebieten; die Aufbauhilfe in Höhe von mehreren Hundert Mio. DM; Schröders Treffen mit Arafat - incl. Ordensverleihung an den Kanzler; palästinensische Pässe und Briefmarken aus der Bundesdruckerei; schließlich "der erste Schritt zur militärischen Zusammenarbeit" - gemeint ist "die medizinische Versorgung verwundeter Streetfighter in Deutschland"! Wenn die deutsche Großmacht sich weltweit auf diese Art von Einmischung beschränkte, könnten wir alle ruhiger schlafen.

Allein, die genannten Aktivitäten sind nur der Anfang, belehrt uns Jürgen Elsässer, und sie sind auch mit den übrigen Führungsmächten der "neuen Weltordnung" abgestimmt. Deren gemeinsames ideologisches Projekt sei die Förderung des "Fundamentalismus": "Gleich dem Faschismus in den 20er und 30er Jahren ist er nun zum Rammbock einer neuen Weltordnung geworden. Gotteskrieger und Selbstmordattentäter sind die Sturmtruppen, die für das westliche Big Business die modernen Staaten, die im Unterhalt viel zu teuer sind, schleifen sollen. Bei Jugoslawien hat das schon geklappt. Nun ist Israel dran. Aber Massada wird, Gott sei Dank, besser verteidigt als das Kosovo." Damit endet der Artikel.

Wie die schurkischen Drahtzieher des "Big Business" heißen und wie sie es schaffen, sich die islamistischen Gotteskrieger dienstbar zu machen, wird wohl auf immer im Dunkel bleiben. Dass sie an der Heimatfront noch viel Arbeit zu leisten haben, macht ein Blick gerade in die auflagenstärksten deutschen Gazetten deutlich: Dort erfreut sich das Feindbild "islamischer Fundamentalismus" bleibender Beliebtheit. Sympathien mit Muslimen werden - zeitlich begrenzt - vor allem dann geäußert, wenn es aus übergeordneten politischen Erwägungen geboten scheint; so in den Fällen Bosnien und Kosovo. Im Fall Israel/Palästina wäre es eine lohnende Aufgabe, die Kommentierung der Medien wirklich zu untersuchen und die rassistischen, die antisemitischen und die anti-islamischen Anteile herauszuarbeiten. Die konkret-Leserschaft allerdings wird auf eine solche Medienanalyse, die diesen Namen auch verdient, wohl vergeblich warten.

Js.