Auf nach Davos!
Internationale Gegenmobilisierung gegen das Weltwirtschaftsforum
Im Januar 2001 trifft sich das Weltwirtschaftsforum (WEF) zum 31. Mal im verschneiten Davos. Rund 2.000 TopmanagerInnen aus Großunternehmen, prominente PolitikerInnen, WissenschaftlerInnen, Medien- und Kulturschaffende (alles mehrheitlich Männer) wollen zusammentreffen. Ihr Ziel ist es, die Zukunft der Welt nach ihren Interessen zu planen.
Zu den Gesprächen zugelassen sind nur Auserwählte. Dazu gehören die 1.000 weltweit führenden Unternehmen, die einen Jahresumsatz in Milliardenhöhe ausweisen und Mitglied beim WEF sind. Der Großteil dieser Unternehmen hat seinen Hauptsitz in den reichen Industrieländern, und die USA stellen mit 231 Unternehmen sogar fast ein Viertel der WEF-Mitglieder. Nach Davos eingeladen sind außerdem EntscheidungsträgerInnen aus Politik, Wissenschaft und Medien. Die Kontakte zwischen den vertretenen Firmen und politischer Prominenz sollen helfen, wirtschaftsfreundlichere Bedingungen zu schaffen.
Ins Leben gerufen wurde das Weltwirtschaftsforum vom deutschen Wirtschaftsprofessor Klaus Schwab. 1971 berief er ein Treffen von Topmanagern - die weibliche Form lassen wir bewusst weg - in Davos ein, um "eine kohärente Strategie fürs europäische Business zu diskutieren". Wenige Jahre später, nach dem ersten Erdölschock und der Flexibilisierung des Wechselkurssystems, orientierte sich das New Management Forum neu: Diskutiert wurden jetzt nebst Managementfragen auch politische, wirtschaftliche und soziale Themen. Zudem entstanden die so genannten Länderforen, die die Kontakte zwischen der internationalen Geschäftswelt und wirtschaftlichen sowie politischen Führern einzelner Länder verstärken sollten. Vermehrt wurden nun informelle Treffen von Wirtschaftsleuten, PolitikerInnen der größten Länder und EntscheidungsträgerInnen internationaler Organisationen, beispielsweise der Weltbank oder des Internationalen Währungsfonds, abgehalten. 1987 schließlich wurde das Forum umgetauft und bekam seinen bis heute gültigen Namen World Economic Forum, der seine globale Ausrichtung und Einflussnahme ausdrückte.
Face-Lifting für das WEF...
Das WEF porträtiert sich selbst als "führende globale Partnerschaft aus business, politischen und anderen Führern der Gesellschaft, engagiert in der Verbesserung der Welt." Ein exklusiver, elitärer Kreis also, mit der Mission, die Welt zu verbessern. Was die selbst ernannten "globalen Führer" mit "Verbesserung der Welt" meinen, wird klar, wenn man das Betätigungsfeld des WEF betrachtet: Beim Treffen des Weltwirtschaftsforums in Davos begannen die Verhandlungen zur Liberalisierung der Finanztransaktionen. Ebenfalls bereitete das WEF die Uruguay-Runde vor, die zur Gründung der Welthandelsorganisation (WTO) führte. Diese Organisation hat, anders als das WEF, Entscheidungsbefugnisse und spielt eine wichtige Rolle in der Durchsetzung der neoliberalen Politik. Zudem werden im Umfeld des WEF-Treffens in Davos, in der entspannten Atmosphäre an der Hotelbar, im Hinterzimmer oder am Gala-Büffet, zahlreiche Geld bringende Geschäfte abgeschlossen, wie zum Beispiel 1984 dasjenige zwischen Sulzer und der Türkei über den Bau des Atatürkstaudamms oder 1998 das zwischen Nestlé und Mexiko über Fabrikanlagen in Chiapas.
Noch 1996 wurde kaum verheimlicht, dass die von den "globalen Führern" anvisierte Zukunft eine neoliberale Zukunft ist. So hielt das Weltwirtschaftsforum sein Jahrestreffen unter dem Motto "Sustaining Globalisation" ab, womit die Globalisierung der Wirtschaft gemeint war. In den letzten Jahren hat sich jedoch die Rhetorik des WEF erheblich geändert, ist es doch, ebenso wie die Welthandelsorganisation, der Internationale Währungsfonds oder die Weltbank unter immer stärkeren Legitimationsdruck geraten. Die Proteste gegen die neoliberale, Menschen verachtende Politik dieser Institutionen und der multinationalen Konzerne haben weltweit zugenommen und sind spätestens seit den riesigen Demonstrationen und Blockadeaktionen gegen das WTO-Treffen in Seattle im November 1999 nicht mehr zu übersehen. Das WEF versucht denn auch, sich in ein günstigeres Licht zu rücken: Das nächste Treffen ist mit dem Titel "Gegensätze überbrücken" überschrieben, und der WEF-Gründer Schwab versucht, mit dem Schlagwort "soziales Unternehmertum" dem Kapitalismus nicht nur ein menschliches Gesicht, sondern sogar ein menschliches Herz zu verleihen. Zudem will er vermehrt Kunstschaffende und Schriftsteller wie Umberto Eco oder Paulo Coelho einladen, die an die Menschlichkeit der "globalen Führer" appellieren, oder kritische Stimmen wie amnesty international oder Greenpeace. Damit stellt sich das WEF als Dialog suchend, als offen und versöhnlich dar und deponiert die kritischeren Stimmen auf einem unbedeutenden Nebenschauplatz des Treffens, wo sie dem eigentlichen Treffen nicht in die Quere kommen. Ein Face-Lifting als PR-Maßnahme.
... und Kriminalisierung der GegnerInnen
Dass Kritik innerhalb des WEF auf taube Ohren stößt, mussten letztes Jahr NGOs wie die Erklärung von Bern oder Friends of the Earth und Gruppen wie ATTAC Schweiz merken, die das Gegenforum "Public Eye on Davos" organisierten. Dieses Jahr wollen sie denn das "öffentliche Auge" gleich von Anfang an von außen auf das Weltwirtschaftsforum richten. Schwierigkeiten bereitet dem WEF allerdings eher derjenige Protest, der nicht institutionalisiert ist und sich nicht integrieren lässt. So wie die linksradikalen, feministischen und zapatistischen Gruppen, die 1994 erstmals gegen das WEF in Davos demonstrierten und seit 1996 jährlich zu einer Demo in den verschneiten Davoser Straßen aufgerufen haben.
Auch dieses Jahr wollen sich die WEF-GegnerInnen nicht von den tiefen Temperaturen abhalten lassen: Das internationale Bündnis WOW! (Wipe Out WEF!) hat eine Demonstration für Samstag, den 27. Januar, angekündigt und zu Blockade-Aktionen vom 24. bis 30. Januar aufgerufen. Ziel ist, die WEF-Teilnehmenden, die nach Davos reisen wollen, zu blockieren oder zu behindern, so dass die Eröffnungsfeier nicht oder mit erheblicher Verspätung abgehalten werden kann.
Nicht nur dem Weltwirtschaftsforum bereiten die angekündigten Aktionen Kopfschmerzen. Die Davoser Behörden haben eine Demobewilligung - die von der Anti-WTO-Koordination gemeinsam mit rund 50 Organisationen, unter anderem Gewerkschaften, grünen Nationalräten und Nationalrätinnen sowie diversen Soligruppen beantragt worden war - abgelehnt. Als Grund gaben sie an, dass es in Davos keinen Platz dafür gebe und dass die Sicherheit der WEF-Teilnehmenden nicht gewährleistet sei. Die Kantonspolizei Graubünden hat ihrerseits die Bevölkerung aufgefordert, DemonstrantInnen keine Unterkunft zu gewähren, sondern umgehend die Polizei zu benachrichtigen, falls sie von solchen angefragt würde. Zudem bezeichnete sie die kommende Demonstration als größte Herausforderung seit ihrer Gründung 1804.
Die Anti-WTO-Koordination akzeptiert den negativen Entscheid nicht und hat Widerspruch dagegen eingelegt. Die Demonstration wird trotz allem am Samstag, dem 27. Januar 2001, um 13 Uhr 30 in Davos durchgeführt. Anschließend wird es ein Fest geben.
Anti-WTO-Koordination
Infos zu den Aktionstage 24.1.-30.1.01 unter www.reitschule.ch, zur Demo 27.1.01, 13.30 Uhr, unter www.reitschule.ch