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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 447 / 22.2.2001

Bündnis für Arbeit am Ziel?

Gewerkschaften füllen die Rolle als Co-Manager aus

Die Kabinettsvorlage zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes liegt auf dem Tisch. Ein nächtelanges ministerielles Ringen um Freistellungsansprüche von Betriebsräten und Wahlmodalitäten in Kleinbetrieben soll stattgefunden haben. Von einem schröderschen "Basta" war nichts zu hören. Trotz aller Aufgeregtheiten aus dem Unternehmerlager, ein Fortschritt hin zu Formen erweiterter Mitbestimmung ist nicht festzustellen. Vielmehr werden den Gewerkschaften kleinere Brosamen hingeworfen, denn als nächste Integrationsleistung wird von ihnen erwartet, dass sie nach der "Rentenreform" ihrer Klientel Umstrukturierungen in der Krankenversicherung als Erfolg verkaufen.

Der DGB forderte 1998 in einem Gesetzentwurf eine Ausweitung der Mitbestimmung auf alle sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten, sofern diese nicht bereits über ein Gesetz geregelt sind. Zu nennen sind hier die Planung von und Änderung in Arbeitsabläufen, die Festlegung von Arbeitsinhalt und -umfang, die Einführung von Tele(heim)arbeit, die Erstellung von Arbeitschutzprogrammen oder die Einleitung von Maßnahmen bei Mobbing. Bis auf Aspekte bei der Einführung von Gruppenarbeit und den Möglichkeiten im Bereich der Weiterbildung wurden diese Vorschläge von der Bundesregierung ignoriert.

Wer aber dachte, dies würde zum Widerstand der Gewerkschaften führen, sah sich getäuscht. Nach dem rotgrünen Wahlsieg änderte der DGB seine Position: Der eigene Vorschlag wurde kaum noch offensiv vertreten. Öffentlich wurden nur noch "pragmatische" Vorschläge gemacht. Man hoffte, in Hintergrundgesprächen mit dem ehemaligen IG-Metall-Vize Riester Veränderungen im Sinne der Beschäftigten durchsetzen zu können. Die Hoffnung, durch geschicktes Taktieren unter Ausschluss der eigenen Mitglieder, Veränderungen im Interesse der abhängig Beschäftigten zu erreichen, wurde enttäuscht. Ohne Zweifel ist es schwieriger, die Menschen in den Betrieben für abstrakte Rechte der Betriebsräte zu mobilisieren als beispielsweise für konkrete Lohnerhöhungen. Es lässt aber Rückschlüsse auf das Rollenverständnis der Gewerkschaften zu, dass eine Thematisierung oder gar Mobilisierung noch nicht einmal versucht wurde.

Die Rollen sind klar verteilt: Die Arbeitgeberverbände drohen mit dem Gang zum Bundesverfassunggericht. Der DGB und die Einzelgewerkschaften präsentieren sich als Verteidiger des Riester-Entwurf. Aussagen dass es sich bei der Riestervorlage keinesfalls um eine Reform des BetrVG handelt, sondern lediglich um kleine Modernisierungsschritte, kommen nur am Rande vor. Dies geht so weit, dass der DGB den Unternehmen die Veränderungen mit Kostenspargründen schmackhaft macht: ein vereinfachtes Wahlverfahren für Betriebsräte spare den Unternehmern 50 Mio. DM wird argumentiert. Und zu den verbesserten Freistellungsmöglichkeiten schreibt der DGB-eigene Informationsdienst einblick am 5. Februar: "Die Kosten würden im übrigen wettgemacht durch die effektive Arbeit der Betriebsräte, die kostenträchtige Konflikte vermeiden helfen."

Trotz aller Kritik soll nicht verschwiegen werden, dass der jetzt vorliegende Entwurf zur "grundlegenden Novelle des Betriebsverfassungsgesetzes" (so formulierte es der rotgrüne Koalitionsvertrag), einige wenige positive Veränderungen enthält. Von der ursprünglich angestrebten Ausweitung der Mitbestimmung bleiben nunmehr noch verbesserte Freistellungsmöglichkeiten und vereinfachtere Verfahren bei der Betriebsratsgründung übrig.

Geblieben sind formelle Protestnoten.

Massivst waren die Protestgebärden des DGB auch in der Rentenfrage. Wer die Riester-Rentenpläne ablehnt, bekommt es "mit den Gewerkschaften zu tun", ließ DGB-Vorstandsmitglied Putzhammer nach einem Gespräch zwischen Gewerkschaften und Bundesregierung noch im Dezember verkünden. Die jetzt verabschiedete Rentenregelung wird von DGB und IG Metall gelobt und mitgetragen. Insbesondere, dass das Rentenniveau nicht unter 67 % sinkt, wird als Erfolg verkauft. Es wird aber verschwiegen, dass bei einem Rentenniveau von 67% im Jahr 2030 die Grundlage ein Nettolohn ist, bei dem bereits die für die Privatvorsorge zu leistenden 4 % abgezogen wurden. Verglichen mit heute entspricht dies einem Rentenniveau von knapp über 64 %. Ein Wert, den auch die Blüm-Reform vorsah und den Kanzlerkandidat Schröder - im Wahlkampf - als "unanständig" bezeichnete.

DGB genügsamer Gehilfe der Bundesregierung

Neben dieser leichten Änderung am Gesetzentwurf - die in der Substanz ohne Bedeutung ist - bleiben die bisherigen Eckpunkte und ihre Folgen unverändert bestehen: Ausstieg aus der paritätischen Rentenversicherung; Einführung der Pflicht zur Privatrente; erhöhtes Altersarmutsrisiko insbesondere für Frauen, Arbeitslose und im Invaliditätsfall. Diese zunächst heftig kritisierten Punkte werden nun von den Gewerkschaften mitgetragen. Vorschläge der IG BAU, die Einnahmeseite der Rentenversicherung durch Einbezug aller Mitglieder der Gesellschaft - auch bei Immobilien- und Aktienbesitz- zu verbessern, spielten keine Rolle mehr.

Bei diesen Fakten ist es schon eine rhetorische Meisterleistung der Gewerkschaftsspitze, die Änderungen an der Riester-Reform als "Erfolg der Gewerkschaften" (IG-Metall-Vorsitzender Zwickel) darzustellen. Betriebliche Stimmungen, die durchaus vorhanden waren, wurden nicht aufgenommen und verliefen so wieder im Sande. Der DGB war schlussendlich Erfüllungsgehilfe für die Bundesregierung. Ob insgeheim die gewerkschaftliche Hoffnung besteht, durch tarifvertragliche Altersvorsorge Ausgleich zu schaffen und sich so profilieren zu können, sei dahingestellt. Auch der IG Metall dürfte klar sein: Derartige Lösungen sind nicht flächendeckend zu erreichen und eher eine Lösung für Großbetriebe. Und sie werden in den nächsten Tarifverhandlungen Lohnprozente kosten. Ein Erfolg ist diese "Reform" lediglich für die Arbeitgeber, denen ein Rentenhöchstbeitrag von maximal 11 % für die nächsten Jahrzehnte garantiert wird, und die Versicherungsbranche, der Milliardeneinnahmen durch Rentenfonds gesichert sind.

Protest in seiner symbolischen Form

Größere von Gewerkschaften koordinierte betriebliche Protestaktionen scheinen völlig "unmodern" zu sein. Bisherige Erfolge von Gewerkschaften wurden allerdings nur auf dem Wege der Mobilisierung der Mitglieder erreicht. Sei es bei der Montanmitbestimmung, dem BetrVG von 1976, der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, der 35-Stundenwoche in der Metallindustrie. Der Mut, Forderungen zu stellen, die gegen den Mainstream der Medien stehen, und für diese auch zu streiten und zu streiken, scheint völlig verloren gegangen zu sein. Das nächste "Reformprojekt" von SPD und Grünen und der Ansatzpunkt für gewerkschaftliche Interessenvertretung wird die Krankenversicherung sein. Auch hier ist ein Ausstieg aus der paritätischen Finanzierung nicht mehr auszuschließen.

Ob die Politik an Seiten der "Schwester" SPD im Sinne der Mitglieder ist, interessiert die gewerkschaftlichen Berufsfunktionäre nicht primär. Stattdessen sieht sich der DGB als Co-Manager einer Bundesregierung, um diesen Prozess, der zu Lasten der abhängig Beschäftigten und Arbeitslosen geht, zu begleiten und öffentliche Proteste - wie etwa in Frankreich - zu vermeiden.

Ein putziger Lösungsansatz kommt aus dem Süden der Republik. Fritz Schösser, bayerischer DGB-Vorsitzender, gab gemeinsam mit 43 weiteren SPD-Bundestagsabgeordneten eine persönliche Erklärung ab. Die Unterzeichner lehnen einen Ausstieg aus der paritätischen Finanzierung der Rentenversicherung ab. Im Parlament werden sie dem Gesetz jedoch zustimmen. Protest "light" also. Völlig unverbindlich - und immer die nächsten Wahlen im Blick. Schröder und die Kapitalvertreter wird's freuen.

Marcus Schwarzbach