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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 448 / 15.3.2001

Metamorphosen einer Bundestruppe

50 Jahre BGS: Von der Grenztruppe zur Bundespolizei

Der Bundesgrenzschutz (BGS) feiert am 12. Mai 2001 in Berlin in einer "zentralen Bürgerveranstaltung" sein 50-jähriges Bestehen. An diesem Tag wird sich der BGS als Sicherheitsapparat des Bundes präsentieren können, dessen Aufgaben und Einsätze mehr
und mehr den Polizeien auf
Länderebene gleichen.

Auftrag und Aufgabe des BGS waren jedoch ursprünglich andere. In der Anfangsphase der Bundesrepublik Ende der 40er Jahre stand die Struktur der polizeilichen Organisation noch nicht fest. Die Rahmenbedingungen ergaben sich aber aus dem "Polizeibrief der Alliierten" vom April 1949, sowie aus dem Grundgesetz vom Mai 1949. Fest stand lediglich das föderale Prinzip und das Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten, das aus den Erfahrungen mit der Geheimen Staatspolizei (GeStaPo) im deutschen Faschismus herrührte.

Schrittweise Verpolizeilichung des BGS

Ende des Jahres 1950 wurden sowohl auf Länderebene als auch auf Bundesebene die Polizei-, Kriminalpolizei- und Geheimdienststruktur konkreter. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) wurde am 7. November 1950 auf der Grundlage des Bundesverfassungsschutzgesetzes (BVerfSchG) errichtet. Die Länderpolizeien erhielten im Zeitraum bis 1951 ebenfalls Verfassungsschutzämter, sowie Schutzpolizeien, Kriminalpolizei und kasernierte Polizeieinheiten, die sogenannte Bereitschaftspolizei.

Am 8. März wurde das Gesetz über die Errichtung eines Bundeskriminalamtes (BKAG) erlassen, das am 15. März in Kraft trat. Einen Tag später, am 16. März trat mit seiner Verkündung das Gesetz über den Bundesgrenzschutz und die Errichtung von Bundesgrenzschutzbehörden (BGSG) in Kraft.

Die BRD verfügte nun über eine Bundespolizei, die dem Bundesinnenministerium unterstellt ist und deren Rechtsgrundlage sich in ganzen vier Paragrafen niederschlug. Dies sollte jedoch nicht lange so bleiben. Bereits im Juli 1951 legte die Fraktion der Bayernpartei im Bundestag einen Gesetzesentwurf zur Änderung des BGSG vor. In ihm war vorgesehen, die Sollstärke des BGS auf 10.000 Mann festzulegen. Erst wenige Wochen zuvor, im Mai 1951 hatten die ersten Bundesgrenzschützer ihren Dienst in Lübeck angetreten. Zu Beginn bestand der BGS aus 1.800 Mann. Frauen stießen erst ab 1987 zum BGS. An eine westdeutsche Armee war 1951 noch nicht zu denken, weshalb nicht wenige Wehrmachtsoffiziere in Ermangelung einer tatsächlichen Armee ihren Dienst beim BGS versahen. Ein Umstand, der sich bis in die Gegenwart beim BGS auswirkt. Der BGS ist im Vergleich zu den Länderpolizeien seit jeher hierarchischer und militärischer strukturiert. Dies änderte sich auch nicht, als 1956 die Bundeswehr als tatsächliche Armee geschaffen wurde. Nach dem Arbeiteraufstand in der DDR im Juni 1953 wurde beschlossen, den BGS auf 20.000 Mann zu erhöhen. Von den rund 17.000 BGS-Offizieren war im Jahr 1956 knapp über die Hälfte in die Bundeswehr übergewechselt, weshalb der BGS reorganisiert und personell neu aufgebaut werden musste.

Ebenso wie die Bundeswehr war der BGS streng antikommunistisch ausgerichtet. Zwar versahen seit September 1952 rund 5% der BGS-Beamten ihren Dienst im gesamten Grenzgebiet bei der "Bundespasskontrolle", allein jedoch die massive Präsenz des BGS an den Ostgrenzen der BRD zeigte, woher gefährdende Störungen für die Sicherheit der Grenzen erwartet wurden. Die antikommunistische Ausrichtung lässt sich aber auch anhand anderer Beispiele in der Geschichte des BGS belegen. So "bekämpften" anlässlich eines Herbstmanövers des Grenzschutzkommandos Nord im Jahr 1956 die "Blauen" (BGS) zur Übung die "Roten" (aufständische Arbeiter) in einem Industriegelände bei Wolfsburg/Salzgitter. Noch im Jahr 1984 führte das Grenzschutzkommando Mitte ein fünftägiges Manöver mit weit über 1.000 Mann durch. Die vorgegebenen Szenarien waren "lang anhaltende Arbeitskämpfe" und "Umstürzversuche" seitens extremer Gruppen. Zur Übung benutzte der BGS schweres Gerät mit Maschinengewehren, Kanonen und Granatwerfern.

Bundespolizei mit Grenzabteilung

Die enge Anlehnung des BGS an das Militärische lässt sich neben den militärischen Diensträngen bis zum Jahr 1976 unter anderem an dem 1965 eingerichteten Kombattantenstatus des BGS ablesen. Bis zum Jahr 1994 war vorgesehen, den BGS im Kriegsfall als Teil der kämpfenden Truppe einzusetzen.

Eine schrittweise Verpolizeilichung des paramilitärischen BGS zeichnete sich 1961 und 1976 ab. 1961 wurde das "Gesetz über den unmittelbaren Zwang (UZwG) verkündet. Es enthält die Vorschriften über die Ausübung unmittelbaren Zwangs bei Vollzugsbeamten des Bundes.

Durch die Notstandsgesetzgebung im Juni 1968 wird die Möglichkeit im Grundgesetz geschaffen, die Bundeswehr unter bestimmten Voraussetzungen auch im Innern einzusetzen. Dies bedeutete eine funktionale Grenzziehung zwischen Polizei und Militär, die den Weg für den BGS in Richtung Bundespolizei weiter ebnete.

Das Jahr 1976 war geprägt von dem Bemühen, die elf Länderpolizeien zu vereinheitlichen. Ein Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes (ME POLG) wurde geschaffen, dessen Regelungen weitestgehend in geltendes Polizeirecht der jeweiligen Länder umgesetzt wurden. Auch der BGS war einer Umstrukturierung unterworfen. Die Diskrepanzen in der Laufbahnstruktur zwischen den Länderpolizeien und dem BGS wurden beseitigt. Die militärischen Dienstränge wurden in polizeiliche Dienstgrade geändert. Ein neues Ausbildungskonzept wurde erarbeitet. Das schwere militärische Gerät wie Schützenpanzer, Granatwerfer und schwere Maschinengewehre wurden durch polizeitypische Waffen wie Schlagstöcke, Wasserwerfer, etc. ersetzt. Der BGS erhielt Anschluss an das polizeiliche Datenaustauschsystem INPOL.

1977 war ein Ruhmesjahr für den BGS. Seine 1972 geschaffene Sondereinheit Grenzschutzgruppe 9 (GSG 9) kehrte als "Helden von Mogadischu" von der geglückten Erstürmung der entführten Lufthansamaschine "Landshut" aus Somalia zurück.

Seit 1977 wurden die BGS-Truppenpolizeien aber auch verstärkt zur Unterstützung der Länderpolizeien im Demonstrationsgeschehen eingesetzt. Dies geschah und geschieht nicht immer mit Wohlwollen der beteiligten Länderpolizeien. Der BGS ist in Teilen der Länderpolizeien für sein unnötig martialisches Auftreten bei geschlossenen Einsätzen verrufen. Aber auch das Verhalten im Einsatzgeschehen selbst wurde schon mehrfach von Beamten der Länderpolizei kritisiert. Fordere man den BGS an, so ein Beamter im höheren Dienst einer Länderpolizei Anfang der 90er, komme er - ohne weitere Rückfragen - im Regelfall gleich als komplette Abteilung, einschließlich Wasserwerfer, Sonderwagen und eigener Verpflegung. Meist würde ein selbstständiger Einsatzabschnitt gefordert, was deeskalative Konzepte eher behindere als fördere. Komme es aber zur Bereinigung problematischer Lagen, also zu harten Auseinandersetzungen, verstehe der BGS sein Handwerk, das dann im BGS-Jargon als "abferkeln", bezeichnet werde. Das geschlossene und harte Vorgehen der BGS-Truppenpolizeien bei sogenannten polizeilichen Großlagen wie Anti-Atom- und Antifa-Demos hat schon mehrfach zu untragbaren Konkurrenzsituationen der Länderpolizeien mit dem BGS geführt. Beim Castortransport 1997 nach Gorleben zum Beispiel hatten sich die Berliner Polizeieinheiten anlässlich der Räumung von X-tausendmal quer vorgenommen, dem BGS und den Magdeburger Einheiten "mal so richtig zu zeigen, wie das schneller geht". Das Ergebnis der Räumung waren dutzende, teils schwer verletzte DemonstrantInnen.

Der Bereich des Demonstrationsgeschehens ist jedoch nicht das einzige Feld, in dem es der BGS geschafft hat, sich als ständig verfügbare und handelnde Polizei zu etablieren. Große Veränderungen und neue Legitimationsgründe brachten dem BGS die 90er Jahre. In den fünf östlichen Bundesländern gab es nicht sofort voll einsatzfähige Bereitschaftspolizeien. Der BGS aber hatte genügend Personal und Technik zur Verfügung, um den Bedarf der Innenministerien und Gefahrenabwehrbehörden vor Ort zu decken. Mehrere Gesetzesänderungen in den 90er Jahren sorgten für eine strukturelle Ausdehnung und für Befugniserweiterungen des BGS.

Zu erinnern wäre da nur an die Eingliederung der Luftsicherheit und der Bahnpolizei ab April 1992, das Bundesgrenzschutzneuregelungsgesetz von 1994, die Einführung der ereignis-und anlassunabhängigen Kontrollen 1998, oder die Unterstützung des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Bundesnachrichtendienstes auf dem Gebiet der Funktechnik seit 1997, worin viele KritikerInnen einen Verstoß gegen das verfassungsgemäße Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten sehen. Darüber hinaus wird der BGS seit 1989 auch im Ausland eingesetzt. Im Auftrag der UNO waren Polizeivollzugsbeamte des BGS nach Namibia abkommandiert.

Der BGS ist geographisch gesehen im Jahr 2001 omnipräsent. Egal ob Objektschutz, Personenschutz, Abschiebungen, Luftsicherheit, Bahnpolizei, Demonstrationsgeschehen, Schleierfahndungen, etc. Werden als Maßstab die Einsatzgebiete des BGS im Einzeldienst oder als Truppenpolizei 50 Jahre nach seiner Errichtung angelegt, so lässt sich feststellen, dass der BGS zu einer allgemeinen Bundespolizei mit präventivem und repressivem Charakter geworden ist. Lediglich an der Akzeptanz und Legitimation mangelt es noch manchmal. Dem wurde bisher seitens der Dienstherren im Bundesinnenministeriums mit diversen Einsatzangeboten begegnet.

Paramilitärs
im Kalten Krieg

Stützte sich der vorherige Innenminister Manfred Kanther (CDU) noch auf die Verbrechensbekämpfung in Innenstädten - Stichworte "Sicherheitsnetz" und "Sicherheitspartnerschaft", so versteht es der jetzige Amtsinhaber Otto Schily (SPD), die derzeitige Stimmung gegen den extremsten rechten Rand zu nutzen, um Einsatzmöglichkeiten für den BGS im Landesinnern zu schaffen. Jüngstes Beispiel hierzu ist die medienwirksame Ankündigung des Innenministers mit Helm und Schlagstock vom 19. Februar 2001, eine 80-köpfige "BGS-Verstärkungseinheit" in der Niederlausitz gegen rechte Gewalt einzusetzen.

Relevant werden solche Überlegungen, Aufgabenfelder im Landesinneren zu suchen, vor allem in Hinblick auf die in absehbarer Zeit bevorstehende EU-Osterweiterung. Durch die Verschiebung der östlichen EU-Außengrenze wird gut ein Viertel der knapp 40.000 BGS-BeamtInnen und -Angestellte ohne Tätigkeitsbereich sein. Es gibt aber, wie der FAZ vom 11. Oktober 2000 zu entnehmen war Überlegungen, wonach die späteren EU-Außengrenzen von GrenzschützerInnen mehrerer EU-Mitgliedsländer überwacht werden könnten, der BGS also außerhalb des Staatsgebietes der BRD grenzsichernd zum Einsatz kommen würde.

Dies wäre in den nächsten Jahren eine weitere Metamorphose, die der BGS vermutlich unbeschadet überstehen würde in seiner dann fast 60-jährigen Existenz, von einer paramilitärischen Truppe der jungen Bundesrepublik über die Grenzsicherung hin zu einer Bundespolizei des EU-Mitgliedstaates Bundesrepublik Deutschland.

Timo Nagel