Titelseite ak
Linksnet.de
ak und Fantômas sind Partner von Linksnet.de

ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 449 / 12.4.2001

Der Extremismus der Mitte

Einsichten eines grünen Ministers

Grüne Gegner und Unterstützer Jürgen Trittins sind sich in einem Punkt einig: Er darf auf keinen Fall noch weiter "polarisieren". Dabei hat er mit seiner "Beleidigung" des CDU-Generalsekretärs Meyer nur auf den Punkt gebracht, was vor Jahren noch grüner Konsens war: Dass der rechte Terror seinen "geistig moralischen Nährboden in der Mitte der offiziellen Politik" hat, wie Ludger Volmer, seinerzeit Bundesvorstandssprecher, es 1993 formulierte. Zur selben Zeit schrieb Trittin, damals schon Landesminister in Niedersachsen, sein Buch über die "Gefahr aus der Mitte" (in dem er die SPD weitgehend schonte, der CDU aber kräftig einheizte). Wir dokumentieren Worte des grünen Ministers:

"Bald nach der ,geistig-moralischen Wende` 1983 wurden in Deutschland Fahne und Hymne aus der Mottenkiste der Geschichte geholt. Mal gescholten, oft genug belächelt, setzte der heutige Kanzler (gemeint ist Helmut Kohl; Anm. ak) beharrlich über Jahre hinweg - ob beim TV-Programmschluss oder auf dem Parteitag - das Nationale in Szene, jene falsche Gemeinschaftsideologie, die - zumal in ihrer völkischen Variante - behauptet, dass alle deutschen Staatsbürger ohnehin Brüder gleicher Abstammung oder Kultur seien. Die Arbeiterbewegung hatte hingegen immer behauptet, dass es noch erheblicher gesellschaftlicher Anstrengungen bedürfe, damit aus den Menschen Brüder und Schwestern würden."

"Nicht jeder, der heutzutage von ,Nationaler Identität` spricht, ist gleich ein Rassist im neuen Gewande. Entscheidend ist, in welchem Sinne und Zusammenhang solcherlei Begriffe gebraucht werden. Wer nämlich vorhandene kulturelle Differenzen zwischen verschiedenen Nationen oder Menschengruppen für unbedingt erhaltenswert und letztlich unaufhebbar erklärt, weil eine ,multikulturelle` Verwischung dieser Grenzen schädlich sei, hat sich nur in der Terminologie vom plump biologistischen Rassismus entfernt. An die Stelle angeblich ererbter Differenzen treten kulturelle, die aber genauso unveränderbar, weil quasi mit der Muttermilch eingesogen sein sollen."

"Heiner Geißler hat sehr zutreffend bemerkt, dass in der Union von ,Ewiggestrigen`, ,germanisch orientierten Foren` und ,konservativen Zirkeln` durch ihre Agitation gegenüber Flüchtlingen eine ,Ermunterung von Rechtsradikalen` betrieben worden sei. Geißler hat nicht übertrieben. Das Hoffähigwerden von rassistischer Ideologie in dieser Gesellschaft wurde tatsächlich aus der Mitte des politischen Spektrums, aus der CDU heraus, initiiert und organisiert."

Jürgen Trittin

Zitate aus Jürgen Trittin: "Gefahr aus der Mitte. Die Republik rutscht nach rechts"; Göttingen (Verlag Die Werkstatt) 1993

Das Zitat unter dem Bild entnahmen wir dem von Bündnis 90/Die Grünen herausgegebenen Buch "Rechte Gewalt und der Extremismus der Mitte", impulse Band 3