Titelseite ak
Linksnet.de
ak und Fantômas sind Partner von Linksnet.de

ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 453 / 30.8.2001

Gentechnik oder Hunger

UNDP-Bericht: Neue Technologien im Dienste der menschlichen Entwicklung

Zum 12. Mal ist im Juni der Report des UNDP, United Nations Development Programm, zur menschlichen Entwicklung erschienen. Dieser jährlich einem anderen Schwerpunktthema gewidmete Bericht, war in den letzten Jahren, trotz eines Mainstreamverständnisses von Entwicklung in weiten Teilen eine Bestätigung der KritikerInnen der herrschenden Wirtschaftsordnung und Politik. In diesem Jahr ist die Kehrtwende vollzogen, die andere UN-Organisationen schon vorgelebt haben. Das UNDP folgt der Marschroute Kofi Annans auf dem Weg zur Förderung der Privatwirtschaft, Privatisierung von Weltpolitik und einer absoluten Technikbegeisterung.

Die Verantwortlichen im öffentlichen und privaten Sektor und in gemeinnützigen Organisationen stehen vor der großen Herausforderung, sich über Mittel und Wege zu einigen, um den globalen Markt so zu segmentieren, dass Produkte der Spitzentechnologie in den Entwicklungsländern zu niedrigen Preisen verkauft werden können, ohne in den Industrieländern die Märkte und die Anreize für die Industrie zu zerstören." (1) Sätze wie dieser durchziehen wie ein roter Faden den neuen UNDP-Report für die menschliche Entwicklung. Im Namen der Armutsbekämpfung und Entwicklung werden für die weltweit agierenden Konzerne Werbung und Marketingstrategien entwickelt. Neben der Propagierung privatwirtschaftlicher Entwicklung werden "die neuen Technologien in den Dienst der menschlichen Entwicklung" gestellt. Gen- und Biotechnologie sowie Informations- und Kommunikationstechnologien sollen helfen, Armut und Hunger zu beseitigen und eine gerechte Welt zu schaffen.

Gentechnik im Sinne der Armen?

Der Bericht, der die Menschen im "Süden" nur als Empfänger von Technologien zur Lösung ihrer Probleme ansieht, hat weltweit Kritik ausgelöst. Einen ursachenorientierten Ansatz oder die Einsicht, dass neue Techniken neue Probleme schaffen, wo die alten noch nicht gelöst sind, gibt es im Vokabular des UNDP nicht. Folge dieser Strategie des UNDP ist, dass eine Minderheit der mächtigen Eliten noch viel reicher werden und noch mehr Macht erhalten wird, so die Kritik von indischen AktivistInnen, die sich lokal in ihren Gemeinschaften für ein besseres Leben einsetzen.

Eine an mehreren Stellen des Berichts auftauchende Formulierung ist, "dass sie (die Entwicklungsländer, ak) davon profitieren können, dass sie nicht zu den führenden Ländern gehören", da sie Fehler vermeiden und von den Industriestaaten lernen können. Die Entwicklungsländer sollen also ihrer Armut dankbar sein, dass die Industrieländer ihnen die Entwicklungskosten abgenommen und Fehler vorexerziert haben und sie jetzt die fertigen Produkte und Technologien überreicht bekommen. Entwicklung wird nur in eine Richtung betrachtet - von Nord nach Süd. Der alte Mythos der nachholenden Entwicklung wird neu aufgewärmt, die Traditionen und angepassten Techniken der Menschen des Südens und deren Nutzung in den reichen Ländern (chinesische Medizin, Nutzung indigenen Wissens) werden negiert. Die verfehlten Politik-, Wirtschafts- und Lebensstile des Nordens geraten so immer mehr aus dem Blickfeld regierungsamtlicher Politik und der Bevölkerung. Technologischer Determinismus par excellence: Das UNDP sieht Technologien als politisch neutral und technischen Wandel als grundsätzlich positiv - überkommen gedachte Entwicklungsparadigmen erleben eine Renaissance. Die Externalisierung sozialer und ökologischer Kosten der Großtechnologien wird verschwiegen.

Auch die Werbung des UNDP für PPP, Public Private Partnerships, ist nicht zu überlesen. Diese werden pauschal als win-win-Projekte verkauft, die keine Nachteile haben: "Das betroffene Land erhält Zugang zu lebenswichtigen neuen Technologien, das betreffende Unternehmen verbessert sein Image in der Öffentlichkeit und erhält häufig auch Steuervorteile". Schöne heile Welt und Linderung der Armut? Richtiger müsste man wohl sagen: Subventionierung von Nord-Unternehmen auf Kosten des "Südens" mit mindestens fragwürdigen Privatisierungsansätzen der Politik. Beispiele dafür sind die 1-Milliarde-Dollar-Spende von Ted Turner an die UN mit der Verpflichtung, diese nur für Gesundheitspolitik auszugeben; die Global-Compact-Initiative von Kofi Annan, die es Unternehmen erlaubt, mit dem Logo der UN Werbung zu betreiben oder auch auf nationaler Ebene das Aids-Projekt zwischen DaimlerChrysler und der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, GTZ. Dass Aids in Sub-Saharaafrika eine schnell um sich greifende Krankheit mit extremen gesellschaftlichen Auswirkungen ist, ist spätestens seit der Kampagne aus dem Frühsommer zur verbilligten Einführung von Medikamenten in Südafrika weltweit bekannt. In Südafrika beschäftigt auch DaimlerChrysler 4.200 MitarbeiterInnen, unter denen eine steigende Anzahl die Symptome der Krankheit zeigt. Um die wirtschaftlichen Kosten von Ausfällen durch Krankheit und Tod zu senken und die Verwertung des Humankapitals zu steigern, möchte DaimlerChrysler Südafrika (DCSA) "seine Belegschaft systematisch und kontinuierlich mit Aufklärung und Information gegen die HIV-Infektion ,impfen`". (2) Auf Grund mangelnder Erfahrung in diesem Bereich suchte das Unternehmen einen Partner mit Erfahrung in der Aids-Prävention und wurde mit der GTZ fündig. "Im Rahmen einer Public Private Partnership erarbeiten GTZ und DCSA nun gemeinsam eine Unternehmensstrategie für den Umgang mit Aids am Arbeitsplatz sowie für die Information und Gesundheitserziehung (...)".Warum ein Großunternehmen wie DaimlerChrysler (Umsatz 2000: 162,4 Mrd Euro, Operating Profit 9,75 Mrd. Euro, Jahresüberschuss 7,87 Mrd. Euro) mit Unterstützung öffentlicher Mittel ein Projekt durchführen kann, das in erster Linie der Profitmaximierung der Aktionäre und dem Imagegewinn des Unternehmens dient, ist beim besten Willen nicht einleuchtend. Die Vorteile für Daimler liegen auf der Hand, für die Entwicklungszusammenarbeit jedoch ist dieses Projekt ein Rückschritt - oder aber Strategie, das Entwicklungsmodell des Nordens weltweit zu implementieren, ohne Rücksicht auf Verluste.

Akzeptanz für
die Gen- und Biotechnologie

Die Aufforderung an die Regierenden, mit den Global Players zusammen zu arbeiten, ist besonders dann gefährlich, wenn grundlegende öffentliche Dienste, z.B. die Gesundheitsversorgung betroffen sind. Der Zugang der Armen zur Basisgesundheitsversorgung ist heute schon nicht ausreichend. Findet jedoch eine noch weitergehende Privatisierung statt, bedeutet dies: ohne Geld keine Behandlung. Gefordert ist daher nicht die kostenintensive Einführung neuer Technologien, sondern breit gefächerte Sozial- und Entwicklungsprogramme, die die Armut bekämpfen.

Im dritten Kapitel, welches unverfänglich "Risikomanagement des technischen Wandels" betitelt ist, aber im Grunde "Akzeptanzbeschaffung für die Gen- und Biotechnologie" heißen müsste, wird behauptet: "Westliche Konsumenten, die nicht unter Lebensmittelknappheit oder Ernährungsdefiziten leiden (...), werden sich viel eher auf die Unbedenklichkeit von Lebensmitteln und den potenziellen Verlust von biologischer Vielfalt konzentrieren, während bäuerliche Gemeinschaften in Entwicklungsländern sicher eher an potenziell höheren Erträgen und höherem Nährwert interessiert sind." Der Report nimmt für sich in Anspruch im Namen der Armen und Hungernden zu sprechen und puscht, um dieses Ziel zu erreichen, Gen- und Informationstechnologien. Er versucht, die Bevölkerung des "Nordens" gegen die des "Südens" auszuspielen und negiert völlig, dass auch in den so genannten Entwicklungsländern die Menschen gegen genmanipulierte Organismen (GMO) vorgehen. Bäuerinnen und Bauern, WissenschaftlerInnen, KonsumentInnengruppen und Indigenas äußern seit Jahren ihre Befürchtungen und Opposition gegenüber GMO.

Bericht als Auftragsarbeit

Die Einführung von GMO in der Landwirtschaft kreiert Märkte für transnationale Unternehmen und zerstört die Lebensbedingungen der Bäuerinnen und Bauern. Neben vielen der Gentechnik eigenen und bekannten Gefahren - Resistenzentwicklung bei Schädlingen, Auskreuzung auf Wildpflanzen, unbeabsichtigte Auswirkungen auf "Nichtzielorganismen" - sind es v.a. die indirekt mit ihr verbundenen kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Gefahren, die bedeutend sind. Der Besitz von Geld wird Voraussetzung um Nahrung zu beschaffen, wenn eine marktorientierte Großtechnologie wie die Gentechnik als Lösung aller Probleme verkauft wird - und somit ist sie für arme Bauern, die bisher kein üppiges, aber ein gesichertes Leben führten, auch keine Alternative, da die Kosten der Produktion noch weiter gesteigert werden. GMO können auf Grund ihrer hohen Entwicklungskosten nur großflächig angebaut werden, was riesige Monokulturen zur Folge hat. Diese Felder sind genetisch relativ einheitlich und können von einem einzigen Schädling komplett vernichtet werden. Für die Bäuerinnen und Bauern ist eine mögliche Folge, dass die ganze Ernte eines Jahres vernichtet ist - somit wird ihnen ihre Lebensgrundlage entzogen, und hohe Kreditschulden beschleunigen den Teufelskreis der Armut und des Hungers. Zusätzlich werden die Bäuerinnen und Bauern durch die Verwendung patentgeschützten Saatgutes in Unfreiheit gezwungen. Sie dürfen es nicht wieder aussäen, nicht tauschen und müssen gleich das Herbizid der Saatgutfirma mitkaufen. Sie sind den Konzernen, deren Preispolitik und dem Konkurrenzkampf ausgeliefert.

Die Fortschritts- und Technikgläubigkeit des UNDP ist kaum zu überbieten. Je weiter man liest, desto stärker drängt sich der Verdacht auf, es handele sich bei diesem Report um eine Auftragsarbeit von Monsanto, Bayer, Merck etc.. Wie sonst lassen sich folgende Sätze erklären: "Die Gentechnologie kann die Pflanzenzucht beschleunigen und die Entwicklung neuer Kulturpflanzen vorantreiben, die trocken- und krankheitsresistenter sind, die Umwelt weniger belasten und einen höheren Nährwert haben." "Mit wissenschaftlichen Methoden lassen sich technologische Risiken unter Kontrolle halten." Viele wissenschaftliche Studien haben jedoch gezeigt, dass genau das Gegenteil der Fall sein wird. In einem im Mai 2001 veröffentlichen Artikel in dem Journal BioScience wird berichtet, dass der Anbau von Bt-Mais (3) weder signifikant höhere Erträge noch einen geringern Verbrauch an Insektiziden zur Folge hatte. (4) In einer Studie der Research Foundation of Science, Technology and Ecology wird geschätzt, dass die Kosten für die BäuerInnen um das neunfache steigen, wenn sie von herkömmlicher auf gentechnisch veränderte Baumwollpflanzungen umsteigen. (5)

Nachahmung erwünscht

Durch die Einführung von GMO in den armen Ländern werden die Menschen und Ökosysteme dort zu Versuchsobjekten der Gentechnikindustrie degradiert, um über den Umweg der sich angeblich nicht Wehrenden die Technologie und somit die Märkte in den Industrieländern durchzusetzen. Arme Länder brauchen keine GMO, sie müssen ihre traditionelle, den Gegebenheiten angepasste Nahrungsmittelproduktion erhalten bzw. dort, wo diese bereits zerstört ist, wiedererlangen und brauchen eine gerechte Nahrungsmittelverteilung weltweit.

Gregor Kaiser

Bonner Arbeitskreis
gegen Gentechnologie

Anmerkungen:

1) UNDP, Bericht über die menschliche Entwicklung. Neue Technologien im Dienste der menschlichen Entwicklung. Deutsche Ausgabe, Bonn 2001.

2) vgl.: Kampagne gegen ein Tabu. DaimlerChrysler Südafrika im Kampf gegen Aids. In: GTZ (Hrsg.) PPPreport 2/März 2001, S. 4.

3) Bei dem Bt-Mais handelt es sich um eine gentechnisch veränderte Maissorte, deren DNA um drei Gensequenzen erweitert wurde: Zum einen produziert die veränderte Pflanze ein Gift, welches die Raupen des Maiszünglers (eine Schmetterlingsart) töten soll, da diese als Fraßfeinde gelten. Zum zweiten sind die Pflanzen resistent gegen das Totalherbizid Basta, so dass großflächig gespritzt werden kann und nur die Maispflanzen überleben. Bei der dritten Gensequenz handelt es sich um eine Resistenz gegen ein Antibiotikum.

4) Zitiert in: Erklärung des Pesticide Action Network Asia and the Pacific (PAN AP): The UNDP exploits the Poor and Hungry to Push Genetic Engineering, Juli 2001. siehe auch: http://www.gene.ch/genet/2001/Jul/msg00052.html

5) Srinand Jha; Seeds of Death - Farmers in India Are Fighting to Ban Monsanto's GM Cotton http://www.tompaine.com/opinion/2001/05/18/index.html