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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 454 / 27.9.2001

Gegen Krieg, Rassismus und Repression!

Die USA und ihre Verbündeten sind zum Krieg entschlossen. Der Kriegsgegner ist zwar nicht genau definiert, aber jederzeit ist mit dem Einsatz von Bomben und dem Einmarsch von Truppen zu rechnen. Als Rache für die Anschläge in Washington und New York am 11.9. wurde in den USA die Kriegsmaschinerie in Gang gesetzt. Flugzeugträger und Kampfflugzeuge sind in den Persischen Golf verlegt. Der Tod von Osama Bin Laden und das Ausschalten vermuteter Terrornetzwerke ist das vorgebliche Ziel. Ein Ziel, bei dem die NATO-Staaten willentlich unzählige Tote und die Zerstörung von Ländern und Regionen einkalkulieren.

Die Terroranschläge gegen das World Trade Center in New York und gegen das Pentagon in Washington galten Symbolen der US-Herrschaft - zivilen wie militärischen, die in einer koordinierten Aktion angegriffen wurden. Um sie zu treffen, wurden von den Tätern Tausende Menschen ermordet. Dies ist abscheulich und ohne Wenn und Aber zu verurteilen. Die Terroranschläge stehen konträr zum Verständnis von emanzipatorischer Politik. Sie schränken Möglichkeiten emanzipatorischer Politik weiter ein und werden von den Herrschenden in den kapitalistischen Metropolen zum Anlass genommen, um den repressiven Staatsapparat auszubauen.

Wer die Täter waren und welche "Hintermänner" sie haben, ist völlig offen. Bei allen Spekulationen sind wir abhängig von den gefilterten, wenn nicht offen manipulierten offiziellen Informationen, die - wie wir zuletzt beim NATO-Krieg gegen Jugoslawien erleben mussten - Teil der Kriegführung sind. Völlig unbewiesen sind Verbindungen der Tatverdächtigen zu Osama Bin Laden und zu der von diesem angeblich befehligten "Internationale des Terrors". Nicht hilfreich sind aber auch Verschwörungstheorien über die Verwicklung von Regierungen, Geheimdiensten oder "Kapitalfraktionen" als geheime Auftraggeber, auch wenn ganz andere Täter oder Mittäter - z.B. US-amerikanische Nazis - vorstellbar sind und das weltweite "Versagen" der Geheimdienste Fragen aufwirft.

Bei den Spekulationen über die Täter und ihre Motive ist häufig das Argument zu hören, Terror sei "die Waffe der Ohnmächtigen". Das mag ebenso stimmen wie das - auch von Linken - gern zitierte Sprichwort: "Wer Wind sät, wird Sturm ernten". Zurückzuweisen ist die Schlussfolgerung, die Anschläge seien die "unvermeidliche Folge" der US-Politik oder der kapitalistischen Herrschaft, denn das würde die Täter entschuldigen, die aber für ihre Taten voll verantwortlich sind.

Die westlichen Medien reagieren auf die Anschläge mit einer beispiellosen Emotionalisierung. "Trauer und Betroffenheit" werden verordnet, "Solidarität mit Amerika" wird gefordert. "Wir alle" sollen plötzlich "Amerikaner" sein. So ehrlich das Entsetzen über die Anschläge bei vielen sein mag - vor allem bei Jugendlichen, die Angst um ihre Zukunft haben - , so verlogen klingen die Betroffenheitsfloskeln aus dem Mund von PolitikerInnen und KriegsberichterstatterInnen, die Massaker und Völkermorde mit noch viel mehr Opfern für gewöhnlich achselzuckend zur Kenntnis nehmen oder, wie in Jugoslawien, zivile Opfer als "Kollateralschäden" in einem Krieg für "humanitäre" Zwecke rechtfertigen. Der verordneten selektiven Trauer und der demonstrativen "Solidarität mit Amerika" verweigern wir uns - auch weil das Entsetzen über die Anschläge für reaktionäre politische Projekte und militärische Abenteuer instrumentalisiert wird.

Medien und PolitikerInnen verbreiten gezielt ein Gefühl ständiger Bedrohung durch den Terrorismus. Mit der Behauptung, es könne jedeN treffen, sollen repressive Maßnahmen legitimiert werden: Sicherheit sei wichtiger als Freiheit. Die angeblich allgegenwärtige Terrorgefahr dient als Universalargument nicht nur für staatliche Projekte wie die weitere Verschärfung des geplanten Einwanderungsgesetzes, die Einschränkung des Datenschutzes, die Aufrüstung der Polizei oder gar den Einsatz der Bundeswehr im Inneren. Mit diesem Argument wird auch eine geistige Mobilmachung betrieben. Der Islam wird als Feindbild konstruiert. Die den Bürgerinnen und Bürgern verordnete "Wachsamkeit" gegen "verdächtige" AusländerInnen schürt ein Klima, in dem nicht nur massenhafte Denunziationen, sondern auch noch mehr rassistisch motivierte Anschläge zu befürchten sind. Schon jetzt sind dem rassistischen Mob in den USA mehrere vermeintliche Araber zum Opfer gefallen, schon jetzt berichten islamische Einrichtungen in Deutschland von massiven Drohungen.

In den USA hat die Kriegshetze nie erreichte Ausmaße angenommen. Präsident Bush und die politische Elite sprechen von "Kreuzzug" , "Armageddon" und dem "Kampf zwischen Gut und Böse"" in dem auch Staaten "beendet" werden könnten. Schon diese Wortwahl ist ein Beweis für die Barbarei in Mitten der "Zivilisation", die nun angeblich gegen die "Unzivilisierten" verteidigt werden soll. Dass der verbalen Aggression bald kriegerische Taten folgen, ist wahrscheinlich. Die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung findet, dass Vergeltung gerechtfertigt und notwendig sei. Gegen wen sie sich richten wird, ist schwer voraussehbar, auch wenn Afghanistan derzeit am häufigsten als Ziel genannt wird. Es kommen aber auch andere Ziele in Frage, die aus der langen Liste der "Schurkenstaaten" relativ beliebig auswählbar sind. Über begrenzte Vergeltungsschläge hinaus hat die US-Regierung einen "langjährigen Krieg gegen den Terrorismus" angekündigt. Zu den potenziellen Schauplätzen dieses Krieges gehören diverse Konfliktregionen; als Gegner sind Staaten und ihre Regierungen ebenso vorstellbar wie aufständische Bewegungen oder sonstige Unruhefaktoren. Sollten die USA ihre Drohung wahr machen, dann ist die Gefahr weltweiter Eskalation offensichtlich. Weil die Angegriffenen und ihre Verbündeten sich wehren und auch weil die einstigen Feinde und neuen Partner der USA, insbesondere Russland und China, dann erneut in Konflikt mit der globalen Führungsmacht geraten würden.

Obwohl die Ziele militärischer Vergeltungsschläge noch gar nicht definiert sind und obwohl das Eskalationsrisiko unkalkulierbar ist, erklären die Bundesregierung und die im Bundestag vertretenen Parteien mit Ausnahme der PDS, Deutschland werde den angedrohten "Feldzug" mitmachen, wenn die US-Regierung dies wünscht. Von den PolitikerInnen und KommentatorInnen, die vor unüberlegten Handlungen warnen, empfehlen viele eine größere Eigenständigkeit Europas, auch auf militärischem Gebiet. Das kann keine Alternative sein, weil es an der zu Grunde liegenden kriegerischen Logik nichts ändern würde. Andere, darunter SpitzenpolitikerInnen, versuchen den Eindruck zu erwecken, wir befänden uns bereits im Krieg, und es gebe kein Zurück mehr. "Jetzt hilft kein Wegducken", erklärte Joschka Fischer, während Angela Merkel besonneneren Kräften vorwarf, sie wollten sich ins "Hinterzimmer der Gemütlichkeit" zurückziehen. Nicht nur in der Massenpresse, auch in "seriösen" Blättern finden sich noch markigere Worte. Gerade Intellektuelle sind sich nicht zu schade, mit ihrem Geraune von einer am 11. September vollzogenen "Zeitenwende" und dem Schlachtruf vom "Kampf der Kulturen" die Kriegsstimmung zu schüren.

Mit ihrer Zustimmung zum NATO-Bündnisfall haben sich die Grünen erneut als Kriegspartei erwiesen. Die innerparteiliche Opposition ist gegenüber 1999, als die NATO gegen Jugoslawien in den Krieg zog, noch kleiner geworden. Auch wenn die Linken, Friedensgruppen und kirchliche Kreise, die sich dem Kriegskurs und der inneren Aufrüstung widersetzen, heute eine kleine Minderheit sind - Opposition ist nötig gegen Krieg und Burgfrieden, gegen den Polizei- und Überwachungsstaat und gegen die rassistische Formierung der Gesellschaft.

ak-Redaktion, 21.09.