Krieg und Krise
Italiens Linksdemokraten sind nur begrenzt oppositionsfähig
Zehn Jahre nach ihrer Konstituierung als Partito democratico della sinistra (PDS) sind die italienischen Linksdemokraten (seit 1998: Democratici di sinistra/DS) an ihren Ausgangspunkt zurückgekehrt. Wieder veranstalten sie einen Kongress, um ihre Krise zu überwinden. Und wieder ist Krieg, wie damals im Februar 1991, als die Umwandlung der größten kommunistischen Gruppierung Westeuropas in eine sozialdemokratische Reformpartei Basis und Führung spaltete. Die kleine linke Minderheit konstituierte sich bald darauf als Partei der kommunistischen Neugründung (Rifondazione comunista). In Sachen Krieg und Frieden waren die Differenzen damals vergleichsweise gering: Auch die Mehrheitsfraktion um Achille Occhetto, den Protagonisten der PCI-Konversion, distanzierte sich so deutlich vom Krieg gegen den Irak, dass die Tageszeitung La Repubblica warnte, der neu konstituierte PDS laufe Gefahr, "für lange Zeit eine Partei der Bewegungen zu werden, Partei eines katholischen Kommunismus neuer Prägung, einer lärmenden, großherzigen und haltlosen Jugendbewegung: alles andere als eine glaubwürdige Regierungspartei".
Heute wissen wir, dass es anders gekommen ist: 1996 kam die PCI-Nachfolgepartei endlich erstmals an die Regierung, stellte eine Zeit lang auch den Ministerpräsidenten (Massimo D'Alema) und wurde im Mai dieses Jahres als stärkste Kraft des Mitte-Links-Bündnisses Ulivo wieder abgewählt. Seitdem betreiben Ulivo wie Linksdemokraten Krisenbewältigung, liefern bislang aber ein verwirrendes Bild. Verfolgten sie während der heißen Tage von Genua einen schwer nachvollziehbaren Zickzackkurs, so orientieren sie nach dem 11. September auf den nationalen Schulterschluss. Ihren bisherigen Höhepunkt erreichte diese Politik am 7. November, als die Mehrheit der Ulivo-Abgeordneten dem Einsatz von 2.700 italienischen Soldaten im "Krieg gegen den Terror" zustimmte. Dagegen votierten 35 Deputierte der Abgeordnetenkammer: geschlossen Rifondazione Comunista (RC), italienische Kommunisten (PdCI) und Grüne, außerdem neun linke DS-Abgeordnete und eine Hand voll aus Francesco Rutellis Wahlliste Margherita. Selbst der Versuch scheiterte, die Forderung nach "humanitären Korridoren" für die afghanischen Flüchtlinge in die Ulivo-Resolution aufzunehmen. So waren die Anträge von Regierung und Opposition nahezu deckungsgleich - und wurden beide angenommen, weil Rechtskoalition wie Ulivo-Mehrheit sich bei der Abstimmung des "gegnerischen" Antrags absprachegemäß enthielten. Die linke Tageszeitung Il Manifesto nannte das Ergebnis dieser Taktik doppeldeutig "Alleanza Nazionale" - nationale Einheit, bekanntlich gleichzeitig der Name der neofaschistischen Partei Gianfranco Finis.
Demo-Derby in Rom: Sieg der KriegsgegnerInnen
Wenn das Vaterland bedroht scheint, bleibt die viel beschworene Einheit der Linken ein weiteres Mal auf der Strecke. Allerdings forciert die Terror-Hysterie nur eine Politik, die PDS/DS schon seit Jahren betreiben: die gütliche Einigung mit dem Rechtsblock, nicht nur in Fragen der Verfassungsreform, sondern auch bei der Absicherung von Berlusconis Medien-Imperium. Der vom 16. bis 18. November in Pesaro tagende DS-Kongress wird hier keine Kursänderung beschließen. Nachfolger des scheidenden Parteisekretärs Walter Veltroni (seit Juni Bürgermeister von Rom) wird aller Voraussicht nach Piero Fassino. Sein 77jähriger Herausforderer Giovanni Berlinguer, Mediziner und Ökologe ohne höhere Parteiämter, wird kaum mehr als ein Drittel der Delegiertenstimmen bekommen. Aber durch die Kandidatur Berlinguers wurde der Streit um den Kurs der Partei überhaupt erst wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Giovanni, der jüngere Bruder Enrico Berlinguers, des schon 1984 verstorbenen charismatischen Mitbegründers des "Eurokommunismus", wird von einer politisch heterogenen Strömung unterstützt, die vor allem die Abneigung gegen den hinter Fassino stehenden starken Mann gemeinsam hat: den auf den Spuren von Blair und Schröder wandelnden Strategen der "neuen Mitte", Massimo D'Alema.
Giovanni Berlinguer dagegen widerspricht der These, es gebe für sozialdemokratische Parteien in Europa keine Alternative zum Blairismus-Schröderismus. Er will nicht nur gewerkschaftliche Standards verteidigen, sondern die Partei auch für die sozialen Bewegungen öffnen. In der Frage von Krieg und Frieden hat er sich dagegen zunächst auffallend zurückgehalten. Erst nach dem Friedensmarsch von Perugia nach Assisi Mitte Oktober, der mit 250.000 Teilnehmern bei weitem eindrucksvollsten Anti-Kriegs-Demonstration Europas (vgl. ak 455), hat Berlinguer sich auch friedenspolitisch zu den Abweichlern geschlagen und erklärt, er hätte der Ulivo-Resolution zum italienischen Kriegseintritt nicht zugestimmt; Mindestvoraussetzung für die Entsendung von Truppen müsse eine Feuerpause sein.
Der Krieg hat die Opposition noch zahmer gemacht
Unterdessen hat die antimilitaristische Bewegung einen weiteren Erfolg organisieren können und das außerparlamentarische Kräftemessen mit dem Regierungslager klar für sich entschieden. Während Berlusconis Forza Italia am 10. November nur 40.000 Menschen für seinen römischen "USA-day" begeistern konnte, demonstrierten gleichzeitig, und ebenfalls in Rom, 100.000 KriegsgegnerInnen. Diese riefen nicht nur zur Desertion auf, sondern forderten auch einen Generalstreik gegen den Krieg. Giovanni Berlinguer wird sich keiner dieser Forderungen anschließen. Er tritt auch in der Frage von Krieg und Frieden für Meinungspluralismus ein - eine wachsweiche, "opportunistische" Position, die aber, verglichen mit dem Kriegsgeschrei von Blair und Schröder, fast schon pazifistisch erscheint.
Js.