Für Krieg und Koalitionsfrieden
Grünes Krisenmanagement: Konflikt gelöst - Partei tot
Die eigentliche Frage drohte während der Woche der rot-grünen Krise in den Hintergrund gedrängt zu werden. Entschieden wurde sie knapp, aber eindeutig: Zum zweiten Mal in ihrer gerade dreijährigen Regierungszeit schicken SPD und Grüne deutsche Soldaten in einen Kampfeinsatz außerhalb des NATO-Gebietes. Bundeskanzler Schröder ist es gelungen, die eigene Partei zu disziplinieren, die Grünen zu demütigen und selbst als Sieger aus der Auseinandersetzung hervorzugehen. Ihm stehen auch weiterhin alle Optionen offen.
Bis zu 20 Abgeordnete der SPD und an die 15 grüne Parlamentarier hätten, so heißt es, mit dem Gedanken gespielt, dem Kriegseinsatz der Bundeswehr nicht zuzustimmen. Das waren dem Kanzler eindeutig zu viele - zumindest will er das nach erfolgreich überstandener Vertrauensfrage so verstanden wissen. Deshalb habe er von seinem Vorhaben ablassen müssen, den Kriegseinsatz mit den Stimmen der Opposition, ohne eigene Mehrheit, beschließen zu lassen: Nicht nur seine Regierung, sondern - schlimmer noch! - das deutsche Ansehen hätte bei einer solchen Taktik gelitten; und das, wo die Gelegenheit doch gerade günstig war, machtpolitisch einen entscheidenden Schritt nach vorn zu tun. Was bei der Abstimmung über den Mazedonien-Einsatz der Bundeswehr möglich war, verbot sich nun wegen des veränderten nationalen Interesses. Noch am 29. August war der Regierungsantrag über den Bundeswehr-Einsatz in Mazedonien zwar mit großer Mehrheit angenommen worden, doch war die Bundesregierung auf die Stimmen von CDU/CSU und FDP angewiesen.
Wie die Grünen die Republik erneuern
Schon kurz nach dem 11. September drohte der Zuchtmeister der SPD, Fraktionschef Peter Struck, das Ende der Koalition für den Fall an, dass die Grünen die Beteiligung der Bundeswehr an der "Terrorismusbekämpfung" ablehnen würden. Und Schröder erklärte umgehend, dass für ihn nichts unterhalb der "uneingeschränkten Solidarität" mit den USA in Frage kommt. Bedrohlich erschien ihm, dass auch ein Teil seiner eigenen Partei dem nicht kritiklos folgen wollte. In dem er die Vertrauensfrage stellte, schwor er die SPD-Fraktion auf seinen Kurs ein. Und egal wie sich die Grünen entscheiden würden, hätte er mit einer geschlossenen SPD-Fraktion auch bei Neuwahlen alle Asse in der Hand.
"Kritische Solidarität statt Ja und Amen", so lautete der faule Kompromiss, mit dem der Parteirat der Grünen die widerspenstigen Abgeordneten und Teile der Basis mit ins Boot nehmen wollte. Damit sollte Distanz zu Schröders Kriegspolitik signalisiert, gleichzeitig aber auch die Zustimmung der eigenen Abgeordneten zur Beteiligung deutscher Soldaten an der "Anti-Terror-Koalition" legitimiert werden. Als hätten die Grünen realen Einfluss auf die Abfassung des Regierungsantrags, stellten sie munter "Bedingungen", z.B. dass die Bundeswehr nur "zielgerichtet" gegen das Al-Kaida-Netzwerk eingesetzt werden dürfe. Eine Forderung, die man gnadenlos naiv nennen müsste, wenn sie denn ernst gemeint wäre. Statt dessen erfüllt sie wohl eher den Tatbestand vorsätzlicher Verdummung des Publikums und der eigenen Leute.
Letzteres beherrscht auch die Parteisprecherin Claudia Roth, die nach eigener Aussage "in diesen schweren Zeiten" Trost bei alten Songs von Ton Stein Scherben sucht, deren Managerin sie mal war. Man respektiere die Entscheidung der acht grünen KriegsgegnerInnen, versicherte Frau Roth. Nachdem Schröder die Entscheidung über den Bundeswehr-Einsatz mit der Vertrauensfrage verbunden hatte, änderte sich das. In Gruppen- und Einzelgesprächen wurden die Abgeordneten immer wieder bearbeitet, das "rot-grüne Reformprojekt" nicht zu gefährden und eine die Existenz der Partei bedrohende Situation abzuwenden.
Der Außenminister nutzte die Parlamentsdebatte am 16. November, um die Abstimmung über den Kriegseinsatz zu einer "Entscheidung über die Zukunft unseres Landes" zu erheben. Damit meinte er nicht den Bundeswehr-Einsatz, sondern den Fortbestand der Koalition, denn Rot-Grün habe "entscheidend diese Republik erneuert". Was diese Erneuerung ausmacht, haben die Grünen am 16. November unwiderruflich klar gemacht.
Auch die KriegsgegnerInnen haben sich, weil's hart auf hart kam, der Erpressung gebeugt. Die Argumente, mit denen sie ihr Umfallen begründen, sind sattsam bekannt. Besonders beliebt ist der Verweis auf das "kleinere Übel" - das doch nach aller Erfahrung nur noch größere Übel vorbereitet.
"Wenn die demokratische Linke in zehn Jahren auf den November 2001 zurückblickt, möchte ich nicht, dass sie sich vergeblich um Verständnis dafür bemüht, wie man die Chancen einer linken Reformpolitik für Jahrzehnte verspielen konnte, nur weil man sich nicht verständigen konnte über die Bereitstellung von 3.900 Soldaten für einen Konflikt, der praktisch schon zu Ende war, als darüber abgestimmt wurde." Nein, das ist nicht Joschka Fischer, das Zitat stammt aus einem Offenen Brief von Erhard Eppler. (FAZ, 17.11.01) Ob der "Konflikt", d.h. der Krieg in Afghanistan, wirklich schon so gut wie beendet ist, wird sich erst noch zeigen. Die innergrüne Konfliktbeilegung wird der Partei nur vorübergehend helfen. Spätestens im September 2002 dürfte die rot-grüne Episode beendet sein. Und das wäre auch gut so.
mb., Berlin