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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 456 / 22.11.2001

Deutschland marschiert

Mit der Bundestagsbeschluss über den Kriegseinsatz deutscher SoldatInnen vom 16. November sind zwei Dinge amtlich: 3.900 deutsche SoldatInnen dürfen in den Anti-Terrorkrieg ziehen. Und: Nichts, aber auch gar nichts ist mit Rot-Grün nicht machbar. Dass die paar Sozis, die nicht sogleich auf Linie waren, in Windeseile umkippen würden, war eh klar. Und so etwas wie Rückgrat hatte man bei den Grünen ja auch schon längst nicht mehr vermutet. Gleichwohl hatte es kurzfristig den Anschein, als würde wenigstens eine gute Handvoll Abgeordneter noch so etwas wie eine äußerste Grenze des Opportunismus kennen. Statt dessen hat das armselige Dissidenten-Trüppchen jetzt mit seinem kreativen Stimmen-Splitting lediglich noch einmal demonstriert, wie einfallsreich Grüne sind, wenn es darum geht, Untertänigkeit zu zelebrieren.

Natürlich sind die acht bockigen Grünen vom Kanzler erpresst worden. Aber Schröder hatte gute Gründe, die Abstimmung über den Kriegseinsatz der Bundeswehr an die Vertrauensfrage zu knüpfen: Erstens geht es in der Tat ums Ganze, nämlich darum, dass Kriege in aller Welt zukünftig mit tatkräftiger deutscher Unterstützung geführt werden sollen. Nicht nur für Schröder ist damit ein Traum wahr geworden: Die "Enttabuisierung des Militärischen", von der der Kanzler faselte, die "historische Entscheidung", die die Grünen kurzfristig quälte, die "politische Zäsur", die man beschwor - Chiffren dafür, dass ein überfälliger Reifungsprozess vollendet ist. Die wiedervereinte deutsche Nation hat endlich zu sich selbst gefunden; man ist wieder wer! Nämlich: ein ganz normaler imperialistischer Staat, nunmehr endlich befreit von der Last historisch bedingter Handicaps.

Und zweitens kann man die Grünen bekanntlich mit nichts mehr schocken, als mit der Drohung, sie dürften nicht mehr mitregieren. Dass die Frage, ob von deutschem Boden aus Krieg geführt werden darf, für Grüne keine Frage mehr ist, wundert nicht wirklich. Plastisch veranschaulicht hat das Theater um die Abstimmung gleichwohl einmal mehr, dass keine Situation denkbar ist, in der die Grünen eventuellem Druck von oben nicht übereifrig-unterwürfig nachgeben würden.

Fast herrscht - sieht man von der PDS ab - Einigkeit im Deutschen Bundestag in der Kriegsfrage. Einigkeit darüber, dass man nicht außen vor bleiben will, wenn es um die Aufteilung der Welt geht. Einigkeit darüber, dass die NS-Vergangenheit endlich ruhen soll. Einigkeit darüber, dass man elf Jahre nach der Wiedervereinigung reif ist dafür, der Welt zu zeigen, dass die nationalistische Formierung Deutschlands nach innen und nach außen geglückt ist. Deshalb hat man nicht darauf gewartet, von den USA um Beistand gebeten zu werden. Deshalb hat man gebettelt und gedrängelt, endlich mitmarschieren zu dürfen.

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