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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 458 / 18.1.2002

Deutschland im Krieg

Über eines konnte die Kriegsrhetorik der vergangenen Monate nicht hinwegtäuschen: Unklar ist nach wie vor, mit welchem Ziel der "Krieg gegen den Terror" geführt wird. Die ersten Reden des US-Präsidenten umrissen ein Maximalprogramm: Es gelte, das "Netzwerk des internationalen Terrorismus" zu zerstören, und das könne Jahre in Anspruch nehmen. Die in dem globalen Feldzug gegen das Böse anzuwendenden Mittel schienen unbegrenzt, zahlreich die potenziellen Schauplätze des Kampfes: Lang ist die Liste der "Schurkenstaaten", deren Bevölkerungen von der Überlegenheit der "Zivilisation" über die "Barbarei" erst noch überzeugt werden müssen, notfalls mittels Bomben. Aber auch die Minimalziele werden von Fall zu Fall geändert: Osama Bin Laden "dead or alive", darunter geht nichts - gefasst werden konnte er dennoch nicht. So trat Mullah Omar an seine Stelle als Oberschurke, der beinahe auch erwischt worden wäre. Drittens geht es gegen das angeblich weltumspannende Terrornetzwerk Al Qaida, das, wie es heißt, zwar geschwächt, aber nicht zerschlagen sei.

Bleibt der durch den Bombenkrieg ermöglichte Sieg der Nordallianz in Kabul, der dem Taliban-Regime ein Ende machte. Was für die Militärs allenfalls ein erster Schritt ist, wurde von der Propaganda-Abteilung fast schon zum endgültigen Sieg des Guten umgelogen. Hier erreichten auch deutsche Grüne und taz-KommentatorInnen Weltniveau, wenn sie Streubomben gegen die Zivilbevölkerung und Massaker an Kriegsgefangenen zu legitimen Mitteln für einen guten Zweck erklärten: die Befreiung der afghanischen Frauen vom islamischen Fundamentalismus.

Bislang hat sich der deutsche Beitrag zur Anti-Terror-Koalition weitgehend auf solche und ähnliche Formen psychologischer Kriegsführung beschränkt. Das soll nun anders werden. Die Beteiligung von etwa 800 BundeswehrsoldatInnen an der Afghanistan-Schutztruppe ist längst beschlossen, ihre Anreise aber zieht sich hin. Mal war es das Wetter, dann der Mangel an Transportflugzeugen, der die Truppe aufhielt. Um sich nicht vollends lächerlich zu machen, mahnen die deutschen Militärs zur Eile, vor allem "aus symbolischen Gründen". Denn dass die "Schutztruppe", deren Einsatzgebiet auf Kabul beschränkt ist, Afghanistan den Frieden bringen könnte, glaubt ohnehin niemand. In weiten Teilen des Landes herrschen die im Krieg gegen die Taliban von den USA gestärkten Warlords, hungert und friert die Bevölkerung. Von Hilfe zum Wiederaufbau ist keine Rede mehr; gerade mal 2 Mio. Euro spendiert die Bundesregierung, aber nur, um die laufenden Geschäfte der afghanischen Übergangsregierung zu finanzieren.

Alles andere als symbolisch - nämlich als handfester Beitrag zu einem neuen Krieg - könnte sich die Entsendung der Bundeswehr in eine andere Krisenregion erweisen. Vor der "arabischen Halbinsel" - die nebulöse Umschreibung dient der Beruhigung der Öffentlichkeit - kreuzen demnächst nicht nur deutsche Kriegsschiffe mit 750 Personen Besatzung. Es verdichten sich auch die Hinweise, dass deutsche Spezialtrupps schon bald in Kuwait eingesetzt werden: mindestens 250 (nach ersten Planungen sogar 620) ExpertInnen für ABC-Aufklärung und Dekontamination. Was Scharping zum "rein defensiven" Auftrag herunterspielt, könnte den USA den Rücken freihalten in einem neuen Krieg gegen das Nachbarland Irak. All das ist durch den Bundestagsbeschluss zur Beteiligung an "Enduring Freedom" gedeckt - eine Blankovollmacht für weltweite Militäreinsätze. Auch wenn Scharping das Gegenteil behauptet: Deutschland befindet sich im Krieg.