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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 462 / 17.5.2002

Die Linke im Glaubenskrieg

Endlich darf sie wieder Flagge zeigen, die deutsche Linke. Staatsflagge. Wahlweise die israelische oder die palästinensische. So verhasst staatliche Symbole ansonsten sein mögen, jetzt wehen sie wieder im Stellvertreterkrieg der deutschen Linken. Statt Analyse konkreter Bedingungen und konkreter Situationen, zeitweise eine Stärke der Linken, dominiert beim Thema Israel/Palästina das Bekennertum. Gefragt ist Parteinahme ohne Wenn und Aber. Hat mensch Partei ergriffen für Israel oder Palästina, dann bleibt für Zwischentöne kein Platz mehr. Die Situation der jeweils anderen Seite wird ausgeblendet. So verkünden die einen: "Es geht um Israel". konkret setzt das Konterfei des israelischen Premiers und Hardliners Ariel Sharon auf den Titel und sieht ihn im weltweiten Kampf "Allein gegen alle".

Die andere Fraktion, die nur die "Solidarität mit Palästina" kennt, formuliert als Minimalkonsens, sich "bedingungslos auf die Seite der Unterdrückten zu stellen, ganz egal welche Mittel diese in ihrem legitimen Widerstand einsetzen." Die Zeiten, in denen Linke "bedingungslos" Handlungen irgendwelcher Gruppen in anderen Ländern gut geheißen haben, sollten eigentlich längst vorbei sein. Wer Selbstmordattentate gegen israelische ZivilistInnen als Mittel "legitimen Widerstandes" billigt, erklärt damit seinen eigenen politischen und moralischen Bankrott. Wer Befreiung auf Antisemitismus baut, der meint nicht Befreiung. Wer Selbstmordattentate befürwortet, meint nicht Freiheit. Wer andererseits staatliche Gewaltpolitik verteidigt, der meint nicht Emanzipation, der meint nicht Frieden.

Die einseitige Parteinahme deutscher Linker ist wohl nur noch psychologisch erklären: Offensichtlich projizieren sie ihre eigenen Machtfantasien auf die Menschen in Palästina/Israel. Der Linken in Deutschland stände es besser zu Gesicht, die Zwischentöne aus der israelischen und palästinensischen Gesellschaft aufzunehmen. Avi Primor, der frühere israelische Botschafter in der Bundesrepublik, nennt die Bedingungen für eine Lösung klar und deutlich: "Ende der Besatzung, Auflösung der israelischen Siedlungen, Errichtung eines Palästinenserstaates. Das muss natürlich mit der Garantie eines dauerhaften Friedens und vor allem mit einer Sicherheitsgarantie für Israel verbunden sein." (konkret 5/2002)

So einleuchtend diese Forderungen sind, so schwer scheinen sie umsetzbar. Auf die Lösung des Konfliktes hat die hiesige Linke sicherlich den geringsten Einfluss. Für die Weiterentwicklung einer emanzipatorischen Politik in Deutschland wäre allerdings schon viel gewonnen, wenn die gnadenlosen Vereinfachungen der "antideutschen" und der "antiimperialistischen" Hardliner zurückgewiesen werden.

Ansatzpunkte für linke Mobilisierung gibt es genug: gegen den latenten und den offenen Antisemitismus - auch und gerade im bundesrepublikanischen Mainstream - und gegen den Einsatz deutschen Militärs als "Friedenstruppe" im Nahen Osten. Seite 3 bis 6