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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 467 / 22.11.2002

Velkommen til Kbenhavn!

Trotz Repression gibt es viele Aktionen gegen den EU-Gipfel in Kopenhagen

"Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit"- so lautet eine der wohlklingenden Überschriften, unter der die dänische Regierung ihre Essentials für den EU-Gipfel am 12./13. Dezember auf ihrer offiziellen Homepage präsentiert. Beim Weiterlesen reduziert sich die Sache, um die es hier geht, auf den "Wunsch, an der Spitze für eine gemeinsame Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität zu stehen".

Das Verständnis von Gerechtigkeit, dass sich hier zeigt, ist für die dänische Regierungspolitik durchaus typisch. Seit nunmehr genau einem Jahr wird Dänemark von einer Koalition der beiden traditionellen bürgerlichen Parteien (Venstre und Konservative) regiert, die auf die Unterstützung der rassistischen Dänischen Volkspartei angewiesen ist. Seitdem steht Dänemark in der Tat "an der Spitze" der europäischen Reaktion: Die Zeit, in denen Einwanderern entscheidende demokratische und soziale Rechte vorenthalten und sie ständig von Ausweisung bedroht werden, wurde auf sieben Jahre verlängert, Familienzusammenführungen wurden erschwert usw. Aber am liebsten wäre es Innenminister Haarder, und darin ist er sich wohl mit den meisten seiner KollegInnen in der EU einig, wenn überhaupt keine Flüchtlinge mehr nach Europa kommen würden. Aber auch die demokratischen und sozialen Rechte der übrigen dänischen Bevölkerung wurden seit dem Regierungswechsel massiv angegriffen (vgl. ak 457).

Ähnlich überflüssig wie die Flüchtlinge findet die dänische Regierung auch jede Form des Protests gegenüber der rassistischen Staatspolitik. Ob mit der Ankündigung, die sogenannten GlobalisierungsgegnerInnen im Dezember gar nicht erst über die dänische Grenze zu lassen, ernst gemacht wird oder nicht, muss vorerst offen bleiben. Sicher ist jedoch, dass auch die Bekämpfung der GrenzüberschreiterInnen nichts nutzen wird, denn auch die dänische Linke hat für die Zeit des EU-Gipfels eine ganze Reihe von Aktivitäten vorbereitet. Die Voraussetzungen für einen sichtbaren und erfolgreichen Protest sind derzeit nicht nur aus europäischer Sicht (siehe ESF - Europäische Sozialforum in Florenz), sondern auch aus dänischer Sicht günstig. Die Proteste gegen die Rechtsregierung haben seit Anfang des Jahres zugenommen: Die dänischen Gewerkschaften, und insbesondere die Gewerkschaftsbasis, haben zum ersten Mal seit vielen Jahren zum Mittel des politischen Streiks gegriffen, um die Angriffe der Regierung auf die Tarifautonomie abzuwehren. Gleichzeitig gab es zahlreiche Aktionen von SchülerInnen und Studierenden gegen die Rotstiftpolitik und die Privatisierungen im Bildungsbereich. Schließlich fanden auch Proteste gegen die Flüchtlingspolitik der Regierung statt, am spektakulärsten war vielleicht die Aktion der Gruppe Globale R¢dder, deren AktivistInnen am 13. September des Jahres stundenlang das Dach des größten Abschiebeknastes (Sandholm-Lager) besetzen konnten.

Die letztgenannte Gruppe, die sich auf Aktionsformen der white overalls bezieht, steht auch für den markantesten Beitrag zur Debatte um Widerstand und Gewaltfreiheit, die in der dänischen Linken im Vorfeld des EU-Gipfels geführt wurde. Auf Grundlage des Schocks, der durch die massiven Repressionen im Zusammenhang mit dem EU-Gipfel in Göteburg ausgelöst wurde, sind sich alle dänischen Organisationen einig, dass die Fokussierung auf die "Gewaltfrage" durchbrochen werden muss. Die Globalen R¢dder treten allerdings gleichwohl für "sozialen Ungehorsam" ein, mit dem Ziel, das Treffen der Regierungschefs nachhaltig zu stören. Was das im Einzelnen bedeutet, wird am "Widerstandstag", der für Freitag, den 13.11. vorgesehen ist, zu erfahren sein. Angesichts des angekündigten massiven Polizeiaufgebotes und des abgelegenen Ortes, an dem der Gipfel stattfindet, kann die Ankündigung des "sozialen Ungehorsams" jedoch kaum mehr als symbolische Bedeutung erlangen.

Dies sollte aber niemanden daran hindern, nach Kopenhagen zu fahren, denn es sind zahllose weitere Protestaktionen geplant, wovon hier nur eine kleine Auswahl gegeben werden kann: An besagtem Freitag wird um 17 Uhr in der Innenstadt eine Demonstration gegen die EU-Flüchtlingspolitik stattfinden, die die (eher internationalistisch ausgerichtete) Initiative für ein anderes Europa veranstaltet: Neben der Kritik an der dänischen Flüchtlingspolitik wird hier das Gedenken an die Opfer der "Festung Europa" im Mittelpunkt stehen. Am Samstag, den 14.12. beginnt um 11 Uhr die große gemeinsame Demonstration gegen den EU-Gipfel, anschließend wird es ein inhaltlich ziemlich undefiniertes "Volkstreffen" geben, das u.a. von dem Bündnis Stop Unionen getragen wird, das eher am Erhalt des "dänisches Modells" und des "Wohlfahrtstaates" ausgerichtet ist.

Bis einschließlich Sonntag, den 15.12., richten die verschiedenen dänischen und internationalen Gruppen einen "Gegengipfel" aus, auf dem in einigen Dutzend Arbeitsgruppen Themen wie "Ausgrenzung von Frauen" oder "Privatisierungspolitik" diskutiert werden. Ein Schwerpunkt der gesamten Proteste soll erneut - wie auch schon in Florenz - der Widerstand gegen die US- und EU-Kriegspolitik sein.

In Deutschland organisiert unter anderem die Gruppe AVANTI Busreisen nach Kopenhagen. Auf ihrer detaillierten web-Seite (www.kopenhagen2002.de) finden sich neben Abfahrtterminen, Fahrtkosten, Rechtshilfetipps auch Übersetzungen einiger im Zusammenhang mit dem Gipfel wichtiger dänischsprachiger Texte.

kb