Arbeitsämter zu Sklavenmärkten
Flächendeckende Einführung der Leiharbeit für Erwerbslose
Noch im Januar sollen die sog. "Personal Service Agenturen" eingeführt werden. Die Bundesregierung läutet damit die erste Stufe einer umfassenden Umstrukturierung des Arbeitsmarktes und der Arbeitslosenversicherung ein. Den folgenden Beitrag haben wir dem Info 12/2002 der Bundesarbeitsgemeinschaft der Erwerbsloseninitiativen (BAG-E) entnommen.
Wir werden nicht mäkeln", so kommentierte der DGB-Vorsitzende Michael Sommer die praktische Umsetzung der "größten Arbeitsmarktreform der Nachkriegsgeschich te" (rot-grüne Koalitionsvereinbarung). Folgerichtig lud die IG-Metall Anfang November den Kommissionsvorsitzenden Peter Hartz als Festredner zum Richtfest des IG-Metall-Neubaus in Frankfurt/Main ein. Auch wenn draußen vor der Tür VertreterInnen von Arbeitsloseninitiativen und Beschäftigte verschiedener Betriebe lauthals protestierten, konnte Hartz vor rund 500 GewerkschaftsfunktionärInnen mit Sekt, musikalischer Begleitung und gutem Essen ungestört seine Ideen einer "flexiblen Gesellschaft" präsentieren.
Zentrales Element dieses "vielversprechenden Zukunftskonzepts"(Sommer) ist die bundesweite Errichtung von "Personal Service Agenturen"(PSA). Sie können vom zuständigen Arbeitsamt an tätige Verleiher übertragen werden oder unter Beteiligung des Arbeitsamtes bzw. eigenverantwortlich in Form vermittlungsorientierter Arbeitnehmerüberlassung gegründet werden. Gemeint ist damit, dass die beteiligte Firma versucht, in einem sogenannten Profilingverfahren Stärken und Schwächen eines/r Arbeitslosen zu identifizieren, vermutete "Defizite" zu beseitigen und zeitlich befristet einen Job im 1. Arbeitsmarkt zu vermitteln, in der Hoffnung, damit einen "Klebeeffekt" zu erreichen. Betroffen sind alle arbeitsfähigen Arbeitslosen, die auf Grund der schon bestehenden restriktiven Zumutbarkeitsregelungen gezwungen sind, auch solche Zumutungen zu akzeptieren. Ansonsten droht ihnen eine dreimonatige Leistungssperre.
Der ab 2004 geltende Grundsatz gleicher Lohn für Leih- und StammarbeiterInnen ist mit vielen Einschränkungen versehen: So soll es für LeiharbeiterInnen nur einen Basislohn geben, ohne die wichtigen außertariflichen Zulagen, und für Arbeitslose wird es zahlreiche untertarifliche Sonderregelungen geben. Wie dieses neue Tarifvertragswesen aussehen wird, zeigen bereits Erfahrungen bei Opel Rüsselsheim. Dort arbeiten zu gleichen Arbeitsbedingungen ArbeitnerhmerInnen mit unterschiedlichen Tarifverträgen. Während der Stammarbeiter 16 EUR Prämienlohn erhält, bekommt der Leiharbeiter sechs bis acht EUR pro Stunde. Normalarbeitsplätze sind zu Gunsten von Leiharbeit verschwunden, von neuen Arbeitsplätzen keine Spur.
Was als "großer Wurf" von den Gewerkschaften gefeiert wird, nämlich die tarifvertragliche Regelung der Leiharbeit, erweist sich bei genauerem Hinschauen als fatal. Mit ihrer Akzeptanz der Leiharbeit billigen die Gewerkschaften das Prinzip der Lohn- und Gehaltsdrückerei und damit eine Entsolidarisierung in den einzelnen Betrieben. Nur etwas mehr als ein Drittel der Leiharbeitsverträge dauert länger als drei Monate und nur ca. jede/r fünfte LeiharbeiterIn erreicht eine sechsmonatige Beschäftigung. Durchschnittlich verdienen Leiharbeitskräfte bei gleicher Qualifikation im Westen fast 40% weniger als ihre fest angestellten Kollegen. Leiharbeit unterläuft die üblichen Tarife. Es gibt keine betrieblichen Sozialleistungen, Ausfallzeiten wegen Krankheit, Urlaub usw. braucht der Entleihbetrieb nicht zu zahlen und Entlassungskosten (Abfindungen z.B.) entstehen nicht. In der Sprache der Hartz-Kommission klingt es so: "Durch die PSA haben Unternehmen die Möglichkeit, neue Arbeitnehmer ohne arbeitsrechtliche Verpflichtungen kennen zu lernen. Durch die Verringerung von Kostenrisiken bei der Personalakquisition wird die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen gefördert. Personalengpässe durch Krankheit und Urlaub bzw. Auftragsspitzen können kurzfristig durch die vermittlungsorientierte Arbeitnehmerüberlassung überbrückt werden." Konsequent spricht die Kommission deshalb von der "Neutralisierung des Kündigungsschutzes".
Die bisher ausgehandelten Bedingungen zur Errichtung einer PSA sehen vor, dass sich die Arbeitsentgelte der dort Beschäftigten bis zum 31.12.2003 nach (irgend)einem Tarifvertrag für Arbeitnehmerüberlassung richten. Erkenntnisse aus dieser Branche lassen einiges befürchten. Erinnert sei an Haustarifverträge mit Beschäftigungsgesellschaften und dem Tarifvertrag zwischen ver.di und der Firma randstad, der einen wucherischen Stundenlohn von 5,11 EUR/Stunde zulässt.
Der flächendeckende Ausbau von PSA soll die Arbeitslosigkeit empfindlich verringern. Wie dies angesichts nichtvorhandener existenzsichernder Arbeitsplätze umgesetzt wird, zeigen bisherige Erfahrungen beim Einsatz von Leiharbeitsfirmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Qualifikation und Existenzsicherung spielen in den meisten Fällen keine Rolle, Zwang und Disziplinierung umso mehr. Nur in den wenigsten Fällen kommt zum Vorschein, welche Art von Angeboten das Arbeitsamt vermittelt. So boten in Darmstadt Leiharbeitsfirmen Stundenlöhne zwischen 5,37 EUR und 5,50 EUR an. Nach aktuellen richterlichen Urteilen gilt das als Wucherlohn und kann entsprechend geahndet werden. "Jede Arbeit ist besser als keine", so heißt die Botschaft. Wer diese Generallinie nicht teilt, hat nach der herrschenden Logik nichts im Leistungsbezug zu suchen. Was am Ende zählt, ist die Senkung der Anzahl der LeistungsbezieherInnen bzw. die Höhe der eingesparten Budgetmittel.
Mit der PSA werden Arbeitslose aus dem Leistungsbezug gedrängt und Vollzeitarbeitsplätze durch Leiharbeit ersetzt - bei weniger Lohn. Zwischen 1991 und 2000 ist die Zahl der ArbeiterInnen in der Industrie von 4,9 Millionen auf 3,6 Millionen zurückgegangen, gleichzeitig stiegt die Produktivität in diesem Zeitraum um über 70%, ebenso wie das gesamtwirtschaftliche Arbeitsvolumen. Es braucht also immer weniger Arbeitszeit, um immer mehr Produkte herzustellen. Logische Konsequenz daraus ist ein lohnarbeitsunabhängiges, bedingungsloses und ausreichendes Einkommen für alle. Wenn es nicht die Arbeit an sich ist, die den Menschen aus der restlichen Natur heraushebt, sondern die Tatsache, dass er der Arbeit nicht naturwüchsig unterworfen ist, gilt es das moralische Band der Lohnarbeit argumentativ und praktisch anzugreifen, um dem Ziel einer selbstbestimmten "Tätigkeit in Freiheit" näher zu kommen.
Bundesarbeitsgemeinschaft der Erwerbsloseninitiativen (BAG-E)