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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 469 / 17.1.2003

Die mit den Panzern dröhnen

Spätestens seit Joschka Fischers persönlicher Neujahrsansprache ist offensichtlich, dass die außenpolitische Maxime der rot-grünen Regierung auch weiterhin gilt: Nie wieder Krieg ohne Deutschland.

Im Spiegel-Interview hat der deutsche Außenminister und Vizekanzler die als "Anti-Kriegs-Position" missverstandene Linie der Bundesregierung zu einem möglichen Irakkrieg nach allen Regeln der diplomatischen Kunst formuliert: "Die Bundesregierung wird keine deutschen Soldaten zum Kämpfen in einen hochgefährlichen Konflikt schicken, von dessen Notwendigkeit als letztem Mittel sie nicht zu hundert Prozent überzeugt ist."

Der Nebensatz enthält das Entscheidende. Wenn sich nämlich bis zu einer Entscheidung des UNO-Sicherheitsrates, dessen Vorsitz Deutschland im Februar übernimmt, die "faktische Grundlage" ändert, könnte sich die deutsche Regierung immer noch für die kriegerische "Notwendigkeit als letztes Mittel" aussprechen; dann würden deutsche Soldaten auch "zum Kämpfen" in den Krieg geschickt und nicht nur, wie ohnehin längst beschlossene Sache, als Helfershelfer in Awacs-Aufklärungsflugzeugen, in Kuwait, dem Persischen Golf und im Mittelmeer, von Überflugrechten und ungehinderter Nutzung der US-Basen in Deutschland gar nicht zu reden. Während Fischer Fragen nach dem deutschen Abstimmungsverhalten konsequent auswich, ließ er immerhin durchblicken, dass dabei nicht nur die irakische Gefahr, sondern auch die "Sorge um den Zusammenhalt der Anti-Terror-Koalition" eine entscheidende Rolle spielen wird.

Während die grüne wie die sozialdemokratische Führungscrew Fischers Einlassungen pflichtgemäß als "Bestätigung der klaren Linie" der Bundesregierung werteten, fühlten sich kritische AnhängerInnen des rot-grünen Projekts von Deutschlands beliebtestem Politiker getäuscht und belogen. Recht haben beide Seiten. Tatsächlich haben sich SPD und Grüne nie eindeutig gegen den Krieg erklärt. Sie haben aber, insbesondere im Wahlkampf, gezielt diesen Eindruck erweckt und damit auch die entscheidenden Stimmen gewonnen. Insofern hat Micha Brumlik Recht, wenn er schreibt, die WählerInnen von Rot-Grün "durften guten Glaubens pauschale Versprechungen als bindende Willenserklärung akzeptieren". Den "deutschen Weg" in den Krieg bezeichnet Brumlik als politischen und moralischen "Bankrott" der Regierenden, die nun ganz offen Deutschlands "essenzielles Interesse" betonen, nicht abseits zu stehen.

Zwar sind sie im Fall Irak nicht die treibende Kraft. Dass sie aber prinzipiell an dem Anspruch festhalten, an jedem Ort der Welt mit deutschen Truppen für "Ordnung" zu sorgen, hat Verteidigungsminister Struck gerade wieder bekräftigt. Nicht nur am Hindukusch werde "die Sicherheit der Bundesrepublik verteidigt", sagte der Minister; überhaupt werde die "Landesverteidigung" künftig "weit vor unseren Grenzen" stattfinden. Die Frankfurter Rundschau, der rot-grünen Regierung in kritischer Solidarität verbunden, bezeichnete Strucks Kriegserlass richtig als "Blankoformular für den universellen Marschbefehl". Da fällt es selbst der Opposition schwer, noch draufzusatteln. "Von jedem Punkt der Welt aus sind wir an jedem Punkt in Deutschland potenziell betroffen", sagt Schatten-Außenminister Wolfgang Schäuble; Sorgen bereitet ihm allenfalls, dass die geplanten schnellen Eingreiftruppen von NATO und EU wegen langwieriger parlamentarischer Prozeduren nicht schnell genug sein könnten.

Wo die staatstragenden Parteien jenseits des alltäglichen Gezänks um Worte militärpolitisch im Gleichschritt marschieren, liegen die Aufgaben für die Linke auf der Hand. Aber statt die große Koalition der Kriegstreiber anzugreifen, hat sich die Mehrheit derer, die sich als "antideutsche" Linke definieren, auf die Friedensbewegung eingeschossen. Sie betreibe plumpen "Antiamerikanismus", lautet der Vorwurf, wobei dieser Kampfbegriff mehr und mehr als Synonym für "Antisemitismus" benutzt wird. Aus Sicht der fantasievollsten "Anti-AntisemitInnen" erleben wir derzeit eine nur geringfügig abgewandelte Wiederholung der Geschichte: Während sich die USA mutig dem "islamischen Faschismus" entgegenstellten, würden die Deutschen, Linke eingeschlossen, die drohende Vernichtung Israels und damit die Vollendung des Holocaust tatenlos, wenn nicht zustimmend, mit ansehen. Was in radikaler Pose vorgetragen wird, läuft praktisch auf eine Unterstützung des Kriegs hinaus. Man heult mit den Wölfen, aber in besonders schriller Stimmlage.

So sind denn Kriegszeiten für die Linke wieder einmal Zeiten der Abgrenzungen - aber auch der Bündnisse. Über die zahlreichen Verwerfungslinien hinweg muss sich die Linke klar positionieren, gegen den Krieg und gegen seine ideologische Verharmlosung.

Antimilitarismus-Seiten 4-6;

Schwerpunkt-Thema "Linke im Krieg" Seite 15-18