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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 470 / 21.2.2003

"Trutziglich fordert sie..."

Achter März: Da war doch was - bloß was?

Dass der 8. März weltweit ein Tag der Solidarität im Kampf um gleiche und bessere Arbeits- und Lebensbedingungen von Frauen ist, ist allgemein bekannt. Eine Blitzumfrage unter ZeitgenossInnen verschiedener Geschlechter- und Altersgruppen ergab aber, dass kaum eineR weiß, wann, wo und warum zum ersten Mal 8. März gefeiert wurde. Ziel der diesmonatlichen gender troubles-Seite: diese Bildungslücke zu schließen.

Tatsächlich hat der Internationale Frauentag schon eine fast hundertjährige Tradition. Oder auch eine schon fast hundertfünfzigjährige, denn erste Impulse in Richtung internationaler Frauenkampftag gingen bereits 1858 von Demonstrationen der New Yorker Textilarbeiterinnen aus. Im allgemeinen aber gilt als tatsächlicher Ausgangspunkt ein Streik von Tabak- und Textilarbeiterinnen im Jahre 1908 in Manhattan. Bei diesem Streik schlossen Aufseher und Unternehmer die Arbeiterinnen in der Fabrik ein; so sollte verhindert werden, dass die Streikenden Kontakt zur Gewerkschaft aufnahmen und ihre Kämpfe auf andere Fabriken übergriffen. Ein Brand brach aus. Nur wenigen Frauen gelang die Flucht über die Absperrungen. 129 Frauen verbrannten.

Ein Jahr später, im Jahr 1909, streikten erneut 20.000 Hemdblusen-Näherinnen in Manhattan und Philadelphia. Tausende wurden verhaftet, doch die Unternehmer mussten ihren Forderungen nach zweimonatigem entschlossenen Streik nachgeben. Dieser erfolgreiche Frauenkampf war zugleich eine entschlossene Entkräftung des von vielen männlichen Genossen gehegten Vorurteils, wonach Frauen entweder nicht fähig seien, sich gewerkschaftlich zu organisieren oder man nicht auf sie zählen könne, wenn es darum geht, einen langen und erbitterten Kampf durchzustehen.

Leidenschaftliche Kampfansagen ...

Schon 1908 hatten Frauen auf dem Parteitag der sozialistischen Partei der USA ein nationales Frauenkomitee gegründet. Dieses Komitee setzte sich öffentlich für die staatsbürgerlichen Rechte aller amerikanischen Frauen ein. Ein Frauentag sollte dieser Forderung Nachdruck verleihen. So wurde am 20.02.1909 zur Unterstützung der Wahlrechtsforderungen in den USA der erste nationale Frauentag begangen. Am 3. Frauentag, dem 26.02.1911, fanden bereits in allen größeren Städten und auch in vielen kleinen Orten der USA große Demonstrationen statt - und die sozialistische Parteipresse druckte Sondernummern für das Frauenwahlrecht.

Auch bei der II. internationalen sozialistischen Frauenkonferenz in Kopenhagen im Jahre 1910 stand ebenfalls das Thema Frauenwahlrecht im Mittelpunkt. Die in Kopenhagen versammelten Frauen wussten sehr genau, dass sie ohne Druck gar nichts erreichen würden. Nach dem Beispiel der amerikanischen Genossinnen beschlossen deshalb etwa 100 Frauen aus 17 Nationen auf Vorschlag Clara Zetkins und Käte Dunckers, künftig jedes Jahr einen Frauenkampftag zu organisieren. Am 19. März 1911 fand so der erste Internationale Frauentag in Deutschland, Dänemark, Österreich und der Schweiz statt. Die Wahl dieses Datums sollte den revolutionären Charakter des Frauentags unterstreichen, weil der 18. März der Gedenktag für die Gefallenen in Berlin während der Revolution von 1848 war; zugleich sollte der Märztag auch zur Erinnerung an die kurze Zeit der Pariser Commune dienen.

Allein in Deutschland nahm über eine Million Menschen, die große Mehrzahl Frauen, an Veranstaltungen und Demonstrationen teil, um das Recht von Frauen auf volle politische Mündigkeit einzufordern. Mit folgenden Worten rief ein Flugblatt zum ersten Internationalen Frauentag in Deutschland auf: "Die Frau des zwanzigsten Jahrhunderts ist politisch mündig geworden, und trutziglich fordert sie ihre Staatsbürgerrechte .... Darum, auf ihr Frauen und Mädchen des arbeitenden Volkes, auf in den Kampf um euer Staatsbürgerrecht! Der 19. März ist euer Tag, an dem ihr zum Ausdruck bringen sollt, dass ihr es satt habt, als Gleichverpflichtete, aber Minderberechtigte euch zu mühen." Zentrale Forderungen der demonstrierenden Frauen waren: Arbeitsschutzgesetze, Achtstundentag, Mutter- und Kinderschutz, Festsetzung von Mindestlöhnen, Wahl- und Stimmrecht für Frauen, gleicher Lohn für gleiche Arbeit .

Wurde der Frauentag von 1915 noch zum Antikriegstag erklärt, so fielen in den folgenden Jahren des Ersten Weltkriegs die Veranstaltungen zum Frauentag aus. 1918 stand wiederum das Frauenwahlrecht im Mittelpunkt des Internationalen Frauentages. Erfolgreich erstritten Sozialistinnen und bürgerliche Frauenstimmrechtsverbände schließlich im November 1918, also vor gerade mal 85 Jahren, das Wahlrecht für Frauen.

1921 wurde auf Beschluss der 2. internationalen Kommunistischen Frauenkonferenz der 8. März als Internationaler Frauenkampftag festgelegt. Damit sollte an den großen russischen Textilarbeiterinnen-Streik aus dem Jahre 1917 erinnert werden. Der hatte nach russischem Kalender am 23. Februar stattgefunden, was in der hiesigen Zeitrechnung der 8. März ist. Tausende Textilarbeiterinnen streikten in Petrograd und initiierten die Februarrevolution; vier Tage später wurde der Zar zur Abdankung gezwungen und die provisorische Regierung garantierte den Frauen das Wahlrecht. In den folgenden Jahren wurde die Idee des Internationalen Frauentages auch in Holland, Frankreich, Schweden, Russland und der Tschecheslowakei aufgegriffen.

... gegen willfährige Dienerschaften

In den zwanziger Jahren waren die zentralen Themen am 8. März in Deutschland der legale Schwangerschaftsabbruch sowie der Schwangeren- und Mutterschutz. Das mit Grund: In ganz Europa entschieden, nicht zuletzt im Kontext der Wirtschaftskrise, jährlich über eine Millionen Frauen abzutreiben. An den Folgen dieser illegalen Abtreibungen starben in Deutschland allein im Jahr 1931 ca. 44.000 Frauen. Gleichzeitig internationalisierte sich der Internationale Frauenkampftag mehr und mehr: In China, Japan, England, Finnland, Estland, Litauen, Polen, Bulgarien, Rumänien, Türkei und Iran schlossen sich Frauenorganisationen den internationalen Mobilisierungen an.

Die letzten Frauenwochen in der Weimarer Republik vom 12. bis 28. April 1931 mahnten "Gegen Krieg und Naziterror" und riefen zum "Sozialismus und Frieden auf". Im ganzen Land organisierten Frauen über 1.500 Veranstaltungen, Feierstunden und Demonstrationen. Die Nationalsozialisten, kaum an die Macht gekommen, ließen den Frauentag, wie auch sowieso alle sozialistischen Frauenverbände, verbieten. Statt dessen wurde ein anderer Tag nationaler Feiertag: der Muttertag.

Die ersten Jahre des Internationalen Frauenkampftages waren immer auch, wie die Geschichte zeigt, Jahre des demonstrativen Bekenntnisses von Frauen zum Sozialismus. So konnte Clara Zetkin bezüglich Sinn und Zweck des Frauentages feststellen:

"Sein Ziel ist Frauenrecht als Menschenrecht, als Recht der Persönlichkeit, losgelöst von jedem sozialen Besitztitel. Wir müssen Sorge tragen, dass der Frauentag nicht nur eine glänzende Demonstration für die politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts, sondern darüber hinaus der Ausdruck einer Rebellion gegen den Kapitalismus, eine leidenschaftliche Kampfansage all den reaktionären Maßnahmen der Besitzenden und ihrer willfährigen Dienerschaft, der Regierung ist."

Dass die Geschichte des 8. März, gerade auch nach 1945, keineswegs immer auch "Ausdruck einer Rebellion gegen den Kapitalismus" war - das wiederum, ist eine andere Geschichte.

Stefanie Graefe