Die USA im Medienkrieg
Eines der Opfer des "Krieges gegen den Terror" ist der freie Zugang zu Informationen
Seit dem 11. September 2001 versucht die US-Regierung zunehmend, den Fluss von Informationen nach eigenem Interesse zu regulieren und so die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Von offener Zensur kann zwar keine Rede sein, aber die administrativen Maßnahmen, mit denen die Presse- und Informationsfreiheit eingeschränkt werden, häufen sich.
Die Manipulation der Medien seitens der Politik war und ist nicht nur in den USA ein systematischer Bestandteil der Kriegsführung. Zu Kriegs- und Krisenzeiten gewinnt die Beziehung zwischen Medien und Politik an besonderer Brisanz, denn die Berichterstattung ist dann von scheinbar existenzieller Bedeutung. Politische und militärische Akteure beschwören wieder und wieder das nationalstaatliche (Sicherheits-) Interesse. Wie die US-Regierung seit den Anschlägen des 11. Septembers 2001 und dem darauf erklärten "Krieg gegen den Terror" versucht, repressiv und restriktiv auf die Medien einzuwirken, den Fluss von Informationen nach eigenem Interesse zu regulieren und die öffentliche Meinung zu beeinflussen, zeigen folgende vier Beispiele.
Der Fall Bill Maher
Bill Maher, Moderator der ABC-Comedy-Show Politically Incorrect, äußerte sich kurz nach dem 11. September in seiner Sendung wie folgt: "Wir sind die Feiglinge. Cruise Missiles aus 2.000 Meilen Entfernung abzufeuern, das ist feige. Aber im Flugzeug zu bleiben, wenn es in ein Gebäude stürzt - man mag darüber denken, wie man will - feige ist das nicht." Mit dieser Äußerung löste Bill Maher einen Sturm der Entrüstung aus, sowohl bei den Werbekunden von ABC als auch innerhalb der US-Regierung. Zwei der Hauptsponsoren der Sendung, Sears und FedEx, zogen ihre Werbung mit sofortiger Wirkung zurück, und 17 Partner-Stationen von ABC setzten die Sendung kurzfristig ab. Der Pressesprecher des Weißen Hauses, Ari Fleischer, sah sich veranlasst, die US-AmerikanerInnen generell und eindringlich vor unbedachten Worten und Taten zu warnen: "So etwas zu sagen ist fürchterlich, eine sehr unglückliche Äußerung ... Es sollte allen AmerikanerInnen eine Mahnung sein, dass sie aufpassen müssen, was sie sagen und tun. Es ist einfach nicht die Zeit für solche Bemerkungen; es ist niemals Zeit dafür." (Press Briefing, 26.9.2001)
Bill Maher entschuldigte sich öffentlich, und die meisten Sender holten Politically Incorrect zurück ins Programm. Bei Channel 7, einem Partnersender von ABC aus Washington, zeigten die Drohgebärden des Weißen Hauses allerdings Wirkung. Der Sender begründete seine Entscheidung, Politically Incorrect dauerhaft aus dem Programm zu nehmen, mit der offiziellen Regierungskritik an Bill Maher. Nicht nur das Magazin The Nation kritisierte das Verhalten von Regierung und Sponsoren: "Der Umstand, dass er allein auf Grund politischer Gesinnung und der Launen der Unternehmen beinahe abgesetzt worden wäre (mit einer Show, die explizit ,Political Incorrect` heißt), sollte uns nachdenklich stimmen." (11.10.2001)
Organisierte Desinformation?
In der New York Times wurde am 19. Februar 2002 das erste Mal in der US-amerikanischen Öffentlichkeit über eine neue Einrichtung des Pentagons berichtet, das so genannte Office of Strategic Influence. Das Ziel dieser Einrichtung sollte sein, "ausländische Medienunternehmen mit Nachrichten zu versorgen, möglicherweise auch falsche, als Teil einer Strategie, die öffentliche Meinung sowie die von politischen Entscheidungsträgern in befreundeten wie verfeindeten Staaten zu beeinflussen". Die mit dem Office of Strategic Influence offensichtlich geplante und gezielte Desinformation versuchte das Pentagon mit einer Pressemitteilung zu widerlegen, wonach sich das Projekt noch in der Entwicklung befände und auf keinen Fall dazu gedacht sei, gezielt falsche Informationen zu streuen. Die öffentliche Kritik war jedoch so heftig, dass eine Woche später die Auflösung des Office of Strategic Influence gemeldet wurde. Die allgemeine Stimmung habe es unmöglich für das Office gemacht, seine Arbeit zu verrichten, so Verteidigungsminister Rumsfeld damals.
Ein knappes Jahr später scheint sich jetzt der Vorfall unter veränderten Vorzeichen zu wiederholen. Erst kürzlich, am 21. Januar 2003, rief Präsident George W. Bush das Office of Global Communications ins Leben. Ebenfalls eine Einrichtung mit dem vorrangigen Ziel, das Amerikabild im Ausland im Interesse der USA "zu beeinflussen und zu koordinieren". Mit welchen Mitteln das geschehen wird, lässt sich nur erahnen. Auch wenn die offizielle Erklärung sehr diplomatisch formuliert ist, befürchten KritikerInnen, dass das Office of Global Communications eine euphemistische Begriffsschöpfung für das geschlossene Office of Strategic Influence ist und im Prinzip nach den gleichen Leitlinien operieren soll.
Aufkauf von Satellitenbildern
Die amerikanische Satelliten-Firma Space Imaging hatte seit 1996 die Fotos ihres Satelliten Ikonos an Medien, WissenschaftlerInnen und NGOs verkauft. Mit Hilfe dieser Bilder konnten Details über Luftangriffe oder auch über die Situation von Flüchtlingen untersucht werden (u.a. in Afghanistan). Das Pentagon hat im Oktober 2001 die exklusiven Rechte auf alle Fotos von Ikonos erworben und somit jegliche weitere Nutzung der Bilder für die Zukunft verhindert. Die National Imagery and Mapping Agency, eine Abteilung des Pentagon, sicherte sich für mindestens zwei Millionen US-Dollar pro Monat die Rechte auf die Fotos für unbestimmte Zeit.
Obwohl das Verteidigungsministerium zu Kriegszeiten unter bestimmten Umständen über die rechtliche Option des so genannten shutter control die Möglichkeit gehabt hätte, alleinige Kontrolle über die US-Satelliten zu beanspruchen, verzichtete das Pentagon darauf und wählte den kommerziellen Weg. Die Absicht des Pentagons, sich vor eventuellen Klagen wegen Zensur und Einschränkung der Pressefreiheit zu schützen und so rechtliche Probleme zu umgehen, ist offensichtlich. John Pike von der NGO Globalsecurity: "Hätte das Pentagon durch die Option des shutter control die alleinige Kontrolle über den Satelliten Ikonos beansprucht, hätten die Medienunternehmen durchaus die Möglichkeit gehabt, gegen die Regierung wegen Vorzensur zu klagen." Dem Magazin The Nation sagte Pike: "Mit diesem Deal führt die Regierung eine Nachrichtenkontrolle ein, indem sie den Zugang zu den Fotos verhindert, und entzieht den Medien gleichzeitig die rechtliche Grundlage für eine Klage." (16.11.2001)
Ashcrofts "Freedom
of Information Act"
Das "Gesetz für die Freiheit der Information" (Freedom of Information Act, FOIA) aus dem Jahr 1966 gewährt den US-BürgerInnen das Recht, vom Bundesstaat und seinen Organen Informationen und Unterlagen zu verlangen. Danach darf im Prinzip jede/r BürgerIn jedes amtliche Papier einsehen, so weit die Sicherheitsinteressen der USA das zulassen. Das Gesetz gilt als eine wichtige demokratische Errungenschaft, über die Ruth Rosen vom San Francisco Chronicle schreibt: "Ohne dieses Gesetz wären JournalistInnen, Zeitungen, HistorikerInnen und Bürgerrechtsgruppen niemals in der Lage, die Regierung zu kontrollieren ... Es ist ein Gesetz, das es uns nicht nur erlaubt zu wissen, was unsere gewählten Mandatsträger sagen, sondern auch, was sie tun." (6.1.2002)
Es ist gängige Praxis, dass der Attorney General während seiner Amtszeit eine Direktive bezüglich des FOIA veröffentlicht, die bestimmte Richtlinien zum Umgang mit dem Gesetz festlegt. Die Attorney General der Clinton-Ära, Janet Reno, ordnete 1993 einen sehr liberalen Umgang mit dem Gesetz an und ermutigte die Behörden, "Dokumente zu veröffentlichen, wo immer das möglich ist". (American Journalism Review, Jan/Feb 2002) Am 12. Oktober 2001 veröffentlichte John Ashcroft, der Attorney General der Bush-Administration, eine neue Direktive, die den großzügigen Umgang mit dem FOIA während der Clinton-Ära faktisch für beendet erklärte.
Die Botschaft hinter der neuen Verordnung, die nicht wie üblich auf einer Pressekonferenz vorgestellt wurde, sondern als interne Mitteilung an sämtliche Organe des Bundesstaates herausging, war eindeutig: Die SachbearbeiterInnen in den Regierungsinstitutionen sollen zukünftig wesentlich striktere Maßstäbe ansetzen, bevor Informationen und Unterlagen herausgegeben werden. Nach dem Motto "Im Zweifel nicht herausgeben" wird die zentrale Ausgabepflicht ersetzt durch eine Anweisung, so viel wie möglich zurückzuhalten. Unter JournalistInnen, WissenschaftlerInnen und Bürgerrechtsgruppen rief die neue Ashcroft-Direktive Empörung hervor. Es besteht kein Zweifel, dass es damit zukünftig ungleich schwieriger werden wird, an entsprechende Informationen und Unterlagen zu gelangen und die Funktion des watchdog over government zu erfüllen.
Die Erklärungsmuster für alle restriktiven und repressiven Maßnahmen sind immer die gleichen, getroffen werden sie im Namen der nationalen Sicherheit und des besonderen Charakters des "Krieges gegen den Terror". Mit der im First Amendment der US-amerikanischen Verfassung gesicherten Presse- und Meinungsfreiheit ist diese restriktive Presse- und Informationspolitik nicht zu vereinbaren. Im historischen Kontext ist das allerdings keine Überraschung, hat doch die US-amerikanische Geschichte vom Ersten Weltkrieg über die Invasionen in Grenada und Panama bis hin zum Golfkrieg 1991 mit erstaunlicher Kontinuität gezeigt, dass zu Kriegs- und Krisenzeiten das Recht auf Presse- und Meinungsfreiheit immer wieder angegriffen und eingeschränkt wurde. Innenpolitisch steht diese Politik gegenwärtig im ideologischen und konzeptionellen Einklang mit der Gesetzgebung seit dem 11. September 2001.
Seitdem sind zahlreiche Gesetze und Verordnungen auf den unterschiedlichsten politischen Ebenen erlassen worden, "die sich streckenweise wie Handlungsanweisungen für einen totalitären Staat lesen lassen". (vorgänge, 3/2002) So z.B. der USA Patriot Act und die darin geregelte Ausweitung von Überwachung und Inhaftierung von Nichtstaatsangehörigen.
Aber auch außenpolitisch hat es Konsequenzen, wenn sich die US-Regierung dieser restriktiven und repressiven Mittel im Umgang mit den Medien bedient. Sie führt damit nicht nur ihre eigenen Überzeugungen und Werte ad absurdum, sondern dient auch anderen Regierungen als Legitimation für die Unterdrückung von Meinung und Medien. Laut einem Bericht des Columbia Journalism Review (CJR) ist in Uganda, China, Indonesien, Benin, Israel und Russland unter ähnlichen Vorwänden die Arbeit von JournalistInnen seit dem 11. September 2001 massiv beeinflusst und zensiert worden. Auch Simbabwes Informationsminister Jonathan Moyo rechtfertigte seinen rüden Umgang mit JournalistInnen mit dem Verhalten der USA. Der CJR betont daher die besondere Verantwortung der USA bezüglich der Presse- und Meinungsfreiheit: "Der erste Zusatz zur amerikanischen Verfassung ist der Goldstandard der garantierten Pressefreiheit. Deswegen haben selbst begrenzte Versuche der US-Regierung, die Arbeit der Presse zu beeinflussen, weltweit enorme Auswirkungen." (Columbia Journalism Review, Jan/Feb 2002)
Alles in allem lässt sich die gegenwärtige Presse- und Informationspolitik der US-Regierung mit einem Motto zusammenfassen, das der Historiker Jeffrey A. Smith in seinem Buch War And Press Freedom für Kriegs- und Krisenzeiten als stereotyp herausgearbeitet hat: "Die Regierung verhält sich oft so, als sei es notwendig, die Demokratie zu zerstören, um sie zu retten."
Axel Dorloff