Black Community / BRD
Samy Deluxe und Afrob legen gemeinsames Album vor
Seit einem Jahr sind Samy Deluxe und Afrob fast unzertrennlich. Das musikalische Ergebnis dieser engen Freundschaft werden die beiden HipHoper aus dem Hamburger Eimsbusch und der Stuttgarter Kolchose am Ende des Monats mit dem Album Wer hätte das gedacht veröffentlichen.
Mit seinem 2001 erschienenen Album Das Album hat Samy Deluxe abgeräumt und haufenweise Preise eingesackt. Weck mich auf (aus diesem Albtraum) hieß die Single, die ihn auch in Kreisen weit ab vom HipHop bekannt machte und in der Samy Deluxe die Wirklichkeit zahlloser Jugendlicher in den Vorstädten und den Dörfern der Republik beschrieb. Das setzt Maßstäbe. Und auch Afrob hat mit seinem ebenfalls 2001 veröffentlichten Album Made in Germany viel Aufsehen erregt. Als afrodeutscher Künstler nahm er Stellung zu Naziüberfällen und Rassismus, wie in Öffne die Augen zum Beispiel, das er gemeinsam mit D-Flame aufnahm. Afrob und Samy Deluxe beteiligten sich auch an dem afrodeutschen HipHop-Projekt Brothers Keepers und dem im Spätsommer 2001 veröffentlichten Hit Adriano (Letzte Warnung), einer Reaktion auf den kurz zuvor in Dessau von Nazis ermordeten Alberto Adriano, setzten die beiden noch eins drauf.
Nun haben die beiden afrodeutschen Rapper, die unter dem Kürzel ASD firmieren, ein gemeinsames Album vorgelegt: Wer hätte das gedacht heißt es und ist mit fetten Beats nur so gespickt. Die stammen zu einem großen Teil von US-Rappern, bei denen Samy Deluxe und Afrob im letzten Jahr immer wieder zu Besuch waren. Und auch die bewährte Zusammenarbeit mit dem Berliner DJ Desue haben sie fortgesetzt. Mit dabei auch Brooke Russel, mit der Samy Deluxe einen gemeinsamen Sohn hat, und die bei zwei Songs zu hören ist.
ASD: Partystimmung und fette Beats
Natürlich geht es inhaltlich - wer hätte das gedacht? - HipHop-typisch um jede Menge Fun, wie z.B. in Sag mir wo die Party ist? Doch textlich wird das Album vor allem dadurch interessant, dass die beiden sich immer wieder mit politischen und auch sehr persönlichen Dingen befassen. Da wäre der mit D-Flame gemeinsam gemachte Song Vaterlos, in dem sich die drei mit ihrer Jugend auseinander setzen: als schwarze Deutsche in einer weißen Mehrheitsgesellschaft, mit Vätern, die verschwanden und - wie z.B. bei Samy Deluxe - mit der Situation, heute selbst Vater zu sein. Inhaltlich beziehen sich Samy Deluxe und Afrob damit auch auf das letzte Album von D-Flame. Auf dem im letzten Jahr veröffentlichten Daniel X hat der brummige Frankfurter sich intensiv mit seinen Erfahrungen und seiner Geschichte in Deutschland befasst. Dass sich Flame hier in einen Zusammenhang mit Malcom X stellt, ist ganz definitiv kein Zufall. Titel wie Damals, Heimatlos, Zwei Welten, Mama oder Verlorene Kinder machen schon so klar, worum es auf dem Album von Flame geht. Daniel X kann sicherlich als Meilenstein im deutschen HipHop bezeichnet werden.
Rappen gegen deutschen Mehrheitsbrei
So konsequent an einem Thema ist das Album von Samy und Afrob nicht. Aber in dem permanenten Wechsel zwischen HipHop-Szene, Alltagswelt und afrodeutschem Sein in dieser Republik gibt das Album einen tiefen Einblick in die Wirklichkeit, mit der sich die Künstler immer wieder auseinander setzten müssen. Immer wieder wird ihnen - (von weißen Musikern) vorgeworfen, dass sie sich zwar als "tolerant" bezeichnen, aber keine weißen Künstler supporten, thematisiert in dem Song Frage/Antwort. Nicht selten werden sie deshalb sogar als schwarze Rassisten gedisst. Wenn aber wiederum in HipHop-Kreisen sich immer mehr weiße Kids mit dem Wort "Nigger" begrüßen - weil das "die" Schwarzen (in den USA) ja auch machen - dann ist die Szene nur sehr begrenzt bereit, über Rassismus zu streiten, und reagiert verwundert, wenn Afrob nicht nur verbal klar macht, was er davon hält. Berücksichtigt man außerdem, dass Afrodeutsche aus dem trivialen Grund, dass ihre Hautfarbe in diesem Land nicht so weit verbreitet ist, sich permanent mit Politik befassen müssen, dann macht das vermutlich klar, in welch schwierigen Wirklichkeiten sich diese Leute bewegen und orientieren müssen.
Interessant ist auch, dass auf Wer hätte das gedacht überraschend wenig (oder gar keine?) sexistischen Sprüche geklopft werden. Auch von vermeintlich fortschrittlichen Rappern ist man es gewohnt, sich die miesesten Sprüche und Reime anzuhören. Männliche Konkurrenten werden serienmäßig als "Fotzen" beschimpft. Auch Samy Deluxe und Afrob waren da keine Ausnahme. Vielleicht ist es nur Zufall, vielleicht ist aber auch in den männlichen Köpfen bei diesem Thema ein wenig passiert?
In den letzten Jahren ist viel über die Krise des Deutsch-Raps geredet und geschrieben worden: Es werde dort inhaltlich nichts mehr geboten und die Texte würden sich nur noch darum drehen, wer der Tollste oder der geilste Freestyler ist. Das stimmt im Grunde nur für den Mainstream-Rap, der seit Mitte der 90er Jahre von Plattenfirmen gepusht worden ist, um auf der HipHop-Welle ordentlich absahnen zu können. Vor diesem Hintergrund mag HipHop aus der Mode gekommen sein. Nimmt man aber die Alben afrodeutscher Rapper wie Germ (Bewusstsein), Chima (Reine Glaubenssache), Torch (Blauer Samt) Meli (Skills en Masse), Ebony Prince und Nordmassiv (Schlachtplatte), D-Flame (Daniel X) und diverse andere, dann wird schnell klar, dass HipHop noch immer viel zu sagen hat. Viele von ihnen haben schon im Jugendzentrum gerappt, als von einem Hype noch keine Rede war. Das ist auch politisch von Bedeutung, denn diese Platten entstehen ja nicht im luftleeren Raum, sondern spiegeln auch Diskussionsprozesse innerhalb der Black Community in Deutschland wieder.
In diese Linie ordnet sich das neue Album von Afrob und Samy Deluxe nahtlos ein. Natürlich sind die Produktionsbedingungen, die eine Plattenfirma wie EMI zur Verfügung stellen kann und die es erlauben, mal eben in die USA zu fliegen, dort Beats einzusammeln und im Studio stundenlang an den Sounds zu feilen, nicht mehr mit Jugendzentrum zu vergleichen. Aber dass die beiden HipHop leben, ist deutlich zu hören.
DSe, rock-links.de
Afrob & Samy Deluxe (ASD), Wer hätte das gedacht, EMI, www.asdcrew.de; Tourdaten: 14.3. Pforzheim, Kulturhaus Osterfeld; 29.3. Erfurt, Centrum Erfurt; 31.3. Köln, Live Music Hall, 1.4. Würzburg, AKW; 2.4. Stuttgart, Zapata; 4.4. Lingen, Alter Schlachthof; 5.4. Bremen, Schlachthof; 6.4. Berlin, Columbia Fritz; 7.4. München, Muffathalle; 9.4. Hann. Münden, Kurbelkasten; 10.4. Fulda, Kulturzentrum Kreuz; 11.4. Chemnitz, Talschock; 15.4. Erlangen, E-Werk; 16.4. Darmstadt, Centralstation; 17.4. Hamburg, Große Freiheit