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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 471 / 21.3.2003

Antideutsche Politikberatung

"Memorandum zum Irak" - Tipps für die deutsche Außenpolitik

Passt eine mal anti-deutsche, mal staatstragend sich der Bundesregierung andienende Haltung zusammen? Es könne "nicht im Interesse der Bundesrepublik Deutschland sein ..., am Status quo eines zum Zusammenbruch verurteilten Regimes festzuhalten", heißt es in einem jüngst erschienenen "Memorandum zum Irak", das sich ausdrücklich auch "an die deutsche Außenpolitik und an das BMZ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit)" richtet. Verfasst haben das Papier Thomas von der Osten-Sacken und Thomas Uwer in Zusammenarbeit mit Hans Branscheidt. Die drei sind Mitglieder der Koalition für einen demokratischen Irak (KDI).

Stellt sich zunächst einmal die Frage: Seit wann appellieren Autoren, die in der Jungle World seit geraumer Zeit regelmäßig als Stichwortgeber der sog. Anti-Deutschen auftreten, "an die deutsche Außenpolitik", eine andere Irak-Politik zu betreiben? Die Antwort: Seit diese im Schulterschluss mit der französischen Regierung eine andere Richtung einschlägt als die britische und US-amerikanische und vor den Gefahren eines Flächenbrandes im Fall eines neuen Irak-Krieges warnt - was natürlich nichts mit einer Hinwendung zum Pazifismus, sondern mit anders gelagerten Interessen zu tun hat.

Nicht als brandgefährlich, sondern - ganz in Übereinstimmung mit den jüngsten Äußerungen des renommierten US-Historikers George W. Bush - als Chance zur Demokratisierung der ganzen Region betrachten dagegen die Memorandum-Autoren den bevorstehenden Waffengang. Ihre Sorgen sind anderer Art: "Auf Grund der Haltung der Bundesregierung zur militärischen Drohkulisse der USA gegenüber dem Irak befindet sich die Bundesrepublik derzeit in einer isolierten Position nicht nur gegenüber den USA, sondern auch gegenüber jeder denkbaren positiven Entwicklung vor Ort".

Im flotten Stakkato erfolgt eine beispielgebende Politikberatung für das deutsche Außenamt: Erstens ist das Bath-Regime so oder so am Ende. Zweitens eröffnet "die Überwindung totalitärer Strukturen" hoffnungsvoll stimmende Demokratisierungsmöglichkeiten. Drittens sollte Deutschland die Gestaltung des zukünftigen Irak nicht den USA und Großbritannien überlassen.

Die mögliche Umsetzung eines föderalen Staatssystems hänge "zentral an der konkreten Ausformulierung praktischer Fragen, etwa über Gestaltung bundesstaatlicher oder föderaler Institutionen, Polizeirecht, ökonomische Gliederung des zu schaffenden Staates, Organisation der Zugriffs- und Ausbeutungsrechte vorhandener natürlicher Ressourcen".

In dem Text finden sich zahlreiche Sätze, wie sie anti-deutsche Kreise, für die Uwer und Osten-Sacken stehen, in solch klarer Schlichtheit bisher noch nicht hervor zu bringen vermochten: "Die Bundesrepublik Deutschland verfügt hier über einen besonderen Erfahrungsschatz. Vielen Irakern gilt Deutschland als besonderes Beispiel, wenn nicht Vorbild für die Transformation einer zentralistisch verwalteten, militarisierten Diktatur in einen föderal organisierten Bundesstaat." Aufbau Ost, Modell für den zerbombten Irak! Und weiter geht's: "Aus Deutschland sind in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Initiativen zur Unterstützung und Beratung beim Aufbau föderaler und demokratischer Rechtsstaatsstrukturen in anderen Ländern ausgegangen".

Danke, das war wunderbar! Und konsequent. Denn das Memorandum "richtet sich an die deutschen Nichtregierungsorganisationen, die in den Sphären der Entwicklungs- und Katastrophenhilfe tätig sind. Er richtet sich gleichermaßen an die deutsche Außenpolitik und an das BMZ". Wenn alle mit anpacken, kann auch im Mittleren Osten nichts mehr schief gehen - nach dem Krieg.

Man kann nur hoffen, dass diese Lobeshymnen auf den Export deutscher Rechtsstaatstrukturen den LeserInnen der Jungle World nicht vorenthalten bleiben. Die aufmerksameren unter ihnen dürften angesichts der von maßgeblichen Autoren vollführten Kapriolen ins Grübeln kommen. Während es im Memorandum wörtlich heißt: "Die Rede vom ,Flächenbrand` im Nahen Osten ist nicht gänzlich unbegründet", schreibt Mitautor Uwer in seinem Artikel "Tariq von Assisi" (Jungle World vom 26.2.03) das genaue Gegenteil. Die einstigen Kolonialherren Europas als Gegner eines Regimewechsels im Irak hätten "längst erkannt", so Uwer, "dass ihre Friedenskerzen wirkungsvoller leuchten, wenn man einen Flächenbrand in der ganzen Region halluziniert". Die eigene "Analyse" zur Halluzination zu erklären, rundet das Bild auf angemessene Weise ab.

Sven Unverdorben

Der vollständige Text des Memorandums ist nachzulesen unter

www.epd.de/entwicklungspolitik/2488_13268.htm