Sieg ohne Frieden
Was zunächst unwahrscheinlich schien, ist jetzt Realität: Die USA haben im Irak "gesiegt". Jede Stellungnahme dazu befindet sich zwangsläufig in einer paradoxen Situation: So sehr der schmutzige Angriffskrieg der USA zu verurteilen ist, so wenig ist der Sturz Saddam Husseins und seiner Machtelite zu bedauern. Tatsächlich ergeben sich aus der Demontage des irakischen Herrschaftssystems politische Spielräume auch für die demokratischen oppositionellen Kräfte. Doch daraus Optimismus zu beziehen, wäre wiederum naiv: Ein herbeigebombter Umsturz wird kaum ein demokratisches Projekt hervorbringen.
Noch ist offen, durch wen der Irak nach Beendigung des Krieges regiert werden wird. Sicher ist man sich auf der Siegerseite aber darin, dass das entstandene Machtvakuum umgehend aufgefüllt werden muss - und zwar am besten mit Kräften, die ihrerseits so schwach sind, dass sie auf direkte oder indirekte Protektion und Steuerung angewiesen bleiben. Die von vielfältigen Spaltungen durchzogene irakische Exil-Opposition bietet sich für ein solches Projekt also an; zugleich aber sorgten die USA schon vor dem Krieg gezielt dafür, unabhängige linke oppositionelle Kräfte aus dem Spektrum möglicher Nachkriegsverwalter auszuschließen.
Die USA setzen auf den konservativ-liberalen Block der irakischen Opposition: den INC (Iraqi National Congress) unter Führung des ehemaligen Bankiers al-Chalabi, unter dessen Regie sich privilegierte Nutznießer des alten Regimes verbünden. Diese repräsentieren zwar die mächtigen Familienclans der irakischen Gesellschaft, haben aber in der irakischen Bevölkerung keinerlei soziale Basis. Deshalb paktieren sie mit den USA, ohne deren militärische "Unterstützung" sie ohnehin nicht in der Lage gewesen wären, Husseins Regime zu stürzen. Den USA war es in Vorbereitung auf den Krieg außerdem gelungen, die Demokratische Partei Kurdistans von Barasani und Talabanis Patriotische Union zu erpressen: Entweder stellten sie sich - für das Versprechen auf Wahrung ihrer Autonomie - an die Seite der USA; oder sie würden der Gefahr einer türkischen Besatzung im Rahmen des Krieges schutzlos ausgeliefert. Zu befürchten ist jedoch, dass die Autonomieversprechen nicht eingelöst werden und die "Befriedung" des Nordirak deshalb auch nach offizieller Beendigung des Krieges auf sich warten lässt.
Die mit Bomben herbeigeführte neokonservative Revolution im Irak soll idealerweise wohl eher "aus dem Hintergrund" von der US-Administration gesteuert werden, so dass diese nicht als Besatzungmacht im Irak auftreten muss - nicht zuletzt verspricht man sich davon eine höhere Akzeptanz in der irakischen Bevölkerung. Auf der anderen Seite gehen US-Nachkriegsstrategen davon aus, dass im Rahmen von "Peace-Keeping"-Operationen bis zu 200.000 US-Soldaten und bis zu 5.000 internationale Polizeikräfte dauerhaft im Irak stationiert werden müssen. Deren Aufgabe wird es nicht zuletzt sein, die Gründung eines unabhängigen kurdischen Staates auch in Zukunft militärisch verhindern zu können. Sowieso muss sich die neue "Ordnung" in einer weitgehend militarisierten Gesellschaft etablieren, deren ideologische Fragmentierung entlang "ethnischer" Grenzlinien vom Baath-Regime gezielt betrieben wurde, um sich selbst als einende Kraft präsentieren zu können.
Viel spricht dafür, dass auf den Krieg im Irak kein Frieden folgt, sondern das Niveau des Krieges von der Höhe der angeblich "chirurgischen" Bombenangriffe in die Niederungen eines alltäglichen Kriegszustandes unter internationaler militärischer Verwaltung gesenkt wird.
Mehr zum Krieg im Irak und seinen Folgen auf den Seiten 3-18