Frauen gegen GATS
Kölner Kongress mobilisiert gegen globale neoliberale Ausbeutung
"Frauen, stoppt GATS!"Dies war der Slogan des Internationalen Kongresses Dienste ohne Grenzen? GATS, Privatisierungen und die Folgen für Frauen, der vom 09. bis zum 11. Mai in der Fachhochschule Köln statt fand. Referentinnen aus Kanada, Indien, Bangladesh, Österreich, Argentinien, Großbritannien und Deutschland diskutierten mit den etwa 500 Teilnehmerinnen und den wenigen Teilnehmern über die Folgen der neoliberalen Privatisierung von öffentlichen Dienstleistungen in ihren jeweiligen Ländern und insbesondere für Frauen. Doch was genau ist GATS und warum beschäftigen sich Feministinnen damit? Dazu im Folgenden eine kurze Einführung auf der Grundlage der im Netz dokumentierten Kongresstexte von Maria Mies und Ellen Diedrich. Auf der gegenüberliegenden Seite dokumentieren wir den Überblickstext von Marianne Hochuli zum Zusammenhang von GATS und Geschlecht in voller Länge. (1)
Die Welthandelsorganisation WTO hat bislang 29 Freihandelsabkommen geschaffen. Eines dieser Abkommen ist GATS Das General Agreement on Trade in Services (Allgemeines Abkommen über Handel mit Dienstleistungen) ist ein Abkommen der 134 Mitgliedstaaten der WTO zur Liberalisierung des Dienstleistungssektors. Es ist seit 1995 in Kraft. "GATS ist dabei, in der ganzen Welt für die Privatisierung der öffentlichen Dienstleistungen den Weg freizumachen. Nichts wird ausgenommen sein - jeden und jeglichen Dienst , der gegenwärtig jeweils von staatlicher Seite im Namen des öffentlichen Interesses zur Verfügung gestellt wird, wird man privaten Unternehmen zugänglich machen und unter Profitgesichtspunkten betreiben", stellte die kanadische Referentin Maude Barlow in Köln fest.
GATS legt die nahezu uneingeschränkte Öffnung des staatlichen Dienstleistungssektors für den Wettbewerb fest und entzieht dem Staat die meisten Mittel zur Regulierung des Marktes. Der Vertrag ist für alle Entscheidungs- und Regierungsebenen bindend. Die Einwilligung zum GATS hat die Europäische Union stellvertretend für ihre Mitgliedsländer gegeben. Für die Staaten, die GATS zugestimmt haben, ist es schwer bis unmöglich, eine einmal beschlossene Liberalisierungsverpflichtung wieder zurückzunehmen. Allerdings ist diese Verpflichtung eingegangen worden, ohne dass es in den jeweiligen Ländern zu einer breiten gesellschaftlichen Debatte um Inhalte und Konsequenzen von GATS gekommen wäre - und das, obwohl nahezu alle Teile der Bevölkerung von den direkten Auswirkungen von GATS betroffen sind.
Die Verträge umfassen praktisch den gesamten Sektor öffentlicher Dienstleistungen, also konkret: Sozialdienste, Gesundheitswesen, Energie, Personen- und Gütertransport, Tourismus, Museen, Bibliotheken, Verwaltung, Reinigungswesen, Müllentsorgung, Kultur, Schulen (auch Forschung an Universitäten), Post, Wasserver- und -entsorgung, Radio, Fernsehen, Altenpflege und Kinderbetreuung, etc.
Besonders drastisch sind die Konsequenzen von GATS in Bezug auf die lebensnotwendige Ressource Wasser. Die indische Ökofeministin und Alternativer-Nobelpreis-Trägerin Vandana Shiva berichtete in Köln, dass in Kerala, einem der wasserreichsten Staaten Indiens, der Staat innerhalb kurzer Zeit 1.5 Millionen Liter Wasser an Coca Cola verkauft hat. In der Folge sank der Grundwasserspiegel und Seen trockneten aus. 400 Frauen, die gegen die Wasserprivatisierung protestierten, wurden verhaftet. Die Nutzung des Wassers zum Fischen, Baden, Waschen gilt jetzt als Diebstahl.
Das Beispiel Wasser verdeutlicht aber u.a. auch, welche Interessen die GATS-Staaten an der Privatisierung haben: Die globalen Ausgaben für Wasserversorgung belaufen sich auf über 1 Billion Dollar pro Jahr, für Erziehung auf über 2 Billionen Dollar, Gesundheitsversorgung auf über 3,5 Billionen Dollar pro Jahr. In diesen drei Bereichen sehen die multinationalen Konzerne umgekehrt ihre größten Profitmöglichkeiten. Es ist daher kein Wunder, dass sie auf die Privatisierung gerade dieser Bereiche drängen.
Marktähnliche Verhältnisse in Kindergärten, Schulen, Bildungseinrichtungen bedeuten eine erzwungene kommerzielle Ausrichtung des gesellschaftlichen Lebens; kulturelle Dienstleistungen und Güter stehen damit jenen zur Verfügung, die es sich leisten können und gemäß der neoliberalen Logik zur Nutzung ausersehen sind. 40 Länder der WTO, einschließlich aller Länder der EU haben bereits die Erziehung unter den Zuständigkeitsbereich von GATS gesetzt. Die EU hat angekündigt, dass jede öffentliche Schule in Europa noch in diesem Jahrzehnt eng mit einem Unternehmen verbunden werden muss.
Die Mehrheit der Menschen, die weltweit im Dienstleistungssektor arbeiten, sind Frauen. Die Formen sind unterschiedlich, so Christa Wichterich: "In den Ländern des Südens geschieht dies vor allem im sogenannten Informellen Sektor, in personenbezogenenen oder haushaltsnahen Diensten, unter meist ungeschützten Arbeitsverhältnissen. Frauen sind auch am meisten betroffen von den negativen Folgen der Strukturanpassungsprogramme. In den Industrieländern ist der öffentliche Sektor der größte Arbeitgeber für Frauen, wo sie bisher geschützte, geregelte Arbeitsplätze hatten. Frauenerwerbslosigkeit wird massiv zunehmen, geregelte Langzeitarbeitsplätze werden dereguliert, fragmentiert und in Billiglohnjobs verwandelt. Arbeitsschutzgesetze wie Mutterschutz werden ,flexibilisiert'. GATS bedroht Frauen nicht nur als Arbeitskräfte im öffentlichen Dienst weltweit, sondern sie sind auch betroffen, weil gerade sie auf erschwingliche öffentliche Dienstleistungen angewiesen sind."
Doch es gibt Widerstand gegen GATS. Natürlich nicht nur in Köln. Dort aber wurde ein sofortiger Aktionsaufruf für Frauen gegen die Privatisierung des Wassers vorgeschlagen. Der Kongress rief außerdem zu Protest und Widerstandsaktionen gegen die nächste Ministerkonferenz der WTO in Cancun, Mexiko, auf. Denn, so Maria Mies: "Das GATS muss weg! Es lässt sich nicht verbessern."
Anmerkung:
1) www.attac.de