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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 476 / 19.9.2003

Radeln ohne Licht mit schwerwiegenden Folgen

Der Baske Paulo Elkoro soll an Spanien ausgeliefert werden

Weil er ohne Licht und bekifft durch die Stadt gefahren war, zog Paulo Elkoro in Nürnberg die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich. Kurz darauf fand er sich im Knast wieder - unter verschärften Haftbedingungen. Seit dem 1. September ist Paulo Elkoro im Hungerstreik. Zuvor hatte am 4. August der Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Nürnberg entschieden, dass der Baske an den Folterstaat Spanien ausgeliefert werden kann.

Am 21. Januar diesen Jahres wurde Paulo Elkoro in Nürnberg verhaftet. Nachdem er erkennungsdienstlich behandelt worden war, ergab ein Abgleich der Daten, dass der 29-Jährige von den spanischen Behörden gesucht wurde. Seitdem sitzt der Baske in München-Stadelheim in Auslieferungshaft. Hintergrund sind zwei von den spanischen Behörden gestellte Auslieferungsgesuche. Darin wird ihm Unterstützung und Mitgliedschaft in der ETA vorgeworfen. So soll Paulo Elkoro u.a. ein Fahrzeug gesteuert haben, das bei einem Sprengstoffanschlag eines Kommandos der ETA auf eine spanische Militärbasis im Mai 1997 zum Einsatz kam.

Vorwürfe beruhen auf Folter

Die Vorwürfe stützen sich auf unter Folter in der spanischen Polizeihaft erpresste und später vor Gericht widerrufene Aussagen. Vor dem Untersuchungsrichter der Audencia Nacional in Madrid haben zwei Mitbeschuldigten erklärt, dass sie von der Guardia Civil misshandelt, gefoltert und gezwungen wurden, gegen Paulo Elkoro auszusagen. U.a. seien ihnen in der Haft Elektroden an die Hoden und unter den Achseinhöhlen angelegt worden und es sei zur so genannten Tüte gekommen - einer Foltermethode, bei der eine Plastiktüte über den Kopf gestülpt und am Hals fest gebunden wird, bis Erstickung droht.

Paulo Elkoro streitet die Vorwürfe gegen ihn ab. Als Mitglied der mittlerweile verbotenen, baskischen Jugendorganisation Jarrai war er 1998 inhaftiert und gefoltert worden. Aus Angst vor erneuter Verhaftung und Folter ist er danach in die Illegalität gegangen, erklärte Paulo Elkoro bei der Verhandlung vor dem OLG Nürnberg. Auch sein Vater war als Mitglied der Führung von Herri Batasuna in Haft, sein Bruder wurde ebenfalls der Mitgliedschaft in ETA verdächtigt. Iñgo Elkoro, Rechtsanwalt im Baskenland und Sprecher der TAT (Torturaren Aurkako Taldea, Arbeitsgruppe gegen Folter), berichtete auf einer Informationsveranstaltung in Nürnberg Ende April, dass es pro Jahr ca. 500 Folteropfer in Spanien gebe. Er sprach von einem System der Komplizenschaft, in das Polizei, Justiz, Politiker und Medien verwickelt seien. Dabei hätten die Richter keine Skrupel, auf Grund erpresster Aussagen durch Folter Urteile zu fällen, so der Brüuder von Paulo Elkoro.

Spanien wird regelmäßig wegen Folter in spanischen Gefängnissen von der UN-Menschenrechtskommission und von amnesty international verurteilt. (vgl. u.a. ak 474) Auch ein Bericht des Antifolterkomitees des Europarates sagt aus, dass der gesetzliche Rahmen keinen ausreichenden Schutz der Inhaftierten vor Misshandlungen bietet. Diese Klage bezieht sich vor allem auf die fünftägige Incommunicado-Haft, in der die Festgenommenen ohne Kontakte nach außen festgehalten werden können.

Im Auslieferungsverfahren gegen Paulo Elkoro haben die spanischen Behörden dem OLG Nürnberg die Hintergründe über die Beweismittelbeschaffung bewusst verschwiegen und sogar behauptet, dass die Beweise gegen ihn rechtmäßig erhoben worden seien. Auch das OLG Nürnberg fühlte sich nicht verpflichtet, die Rechtmäßigkeit des Zustandekommens der Beweiserhebung zu hinterfragen. In ihrer Entscheidung bezogen sich die Nürnberger Richter zwar auf einen Bericht des UN-Ausschusses gegen Folter, in dem festgestellt wird, dass in Spanien "Folter und Misshandlungen durch einen Teil der Sicherheitskräfte des Staates" fortdauern. Das bedeute aber nicht, so das OLG Nürnberg, dass in Spanien eine "ständige Praxis grober oder massenhafter Verletzungen der Menschenrechte" herrsche. Das OLG konnte dem Bericht nur entnehmen, "dass möglicherweise mehr als sehr vereinzelte Misshandlungen vorkommen". Und immerhin sei Spanien "Mitglied der Europäischen Union und bekenne sich zu deren grundlegenden Wertvorstellungen", erklärten die Richter. Es könne nicht Sache eines deutschen Gerichts sein, sich als Richter über ein anderes Gericht der EU aufzuschwingen.

Erste §129b-Ermittlungen

Elkoros Verteidiger, der Münchner Rechtsanwalt Wolfgang Bendler, bezeichnete die Entscheidung der Nürnberger Richter als Rechtsmissbrauch. Dabei verwies er auf die Antifolterkonvention der UN, die ein Beweisverwertungsverbot bei Folter vorsieht. In einem vergleichbaren Gerichtsverfahren in Frankreich vor dem Cour d'Appel in Pau im Mai 2003 wurde genau aus diesen Gründen das Auslieferungsersuchen der spanischen Regierung zurückgewiesen und die Auslieferung von mutmaßlich sieben ETA-Aktivisten an Spanien abgelehnt.

Gegen die Auslieferungsentscheidung des Strafsenats des OLG Nürnberg hat der Rechtsanwalt Bendler im Namen seines Mandaten Verfassungsbeschwerde eingelegt. Das Bundesverfassungsgericht wird demnächst also entscheiden, ob sich die BRD auch unter Bruch geltender internationaler Rechtsstandards der spanischen Variante des "Kampfes gegen den Terrorismus" anschließt. Paulo Elkoro hat nach seiner Festnahme in Nürnberg politisches Asyl beantragt. Eine Entscheidung über seinen Asylantrag steht noch aus.

Seit seiner Festnahme läuft gegen Paulo Elkoro zudem ein Ermittlungsverfahren nach Paragraf 129b StGB - "Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland". Damit ist Paulo Elkoro die erste Person in der BRD, gegen die dieser neue Paragraf zur Anwendung kommt. Diese Ergänzung des Ermittlungsparagrafen 129a war im Zuge der Anti-Terror-Gesetzespakete nach dem 11. September 2001 durch das Parlament gepeitscht worden. Die §129b-Ermittlungen dienen nun als Vorwand, mit den weit reichenden Befugnissen, die dieser Paragraf bietet, das soziale und politische Umfeld von Paulo Elkoro in Nürnberg auszuspionieren.

Ariane Müller

Weitere Informationen: www.intsol.de/paulo